Gemeinderat,
21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 122
solche Zustände dulden! Auf uns
kommt ein wachsendes, ein schleichendes Problem aus dem Faktum zu, dass das
Wiener AKH mit rund zehnjährigem Bestehen dringend Reinvestitionen braucht,
Reinvestitionen in Geräte, die erneuert werden müssen, weil sie abgenutzt sind,
oder die erneuert werden müssen, weil sie sich überholt haben. Für diese
Reinvestitionsquote stehen rund 150 Millionen S zur Verfügung. Das
ist aber lediglich ein Zehntel von dem, was tatsächlich gebraucht wird. Wenn
die Reinvestitionsquote zwischen 800 Millionen S und
1 Milliarde S liegt, dann muss man sich fragen, was bei den
Reinvestitionsvorhaben passiert, die notwendig sind, aber vertagt werden
müssen. Es erhebt sich die Frage, ob wir in diesem Bereich nicht ins
Hintertreffen kommen, was die Spitzenmedizin, die uns gut und teuer ist, bieten
sollte, weil wir mit alten Geräten arbeiten.
Das heißt,
im AKH gibt es Mangel und Verschwendung parallel nebeneinander. Ich denke, es
ist an der Zeit, das abzustellen und es ist ein Auftrag an die Politik, mit dem
Wirtschaftsplan des Krankenanstaltenverbunds Weichen zu stellen, aber die
fehlen uns hier. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Das zweite
Haus, von dem ich heute sprechen möchte, ist die Semmelweis-Frauenklinik. Frau
StRin Pittermann hat ihr Bestehenbleiben, ihre Weiterexistenz, die so sehr in
Frage steht, damit begründet, dass dieser Luxus für die Wiener Frauen
gewährleistet werden soll. Die Worte hör' ich wohl, allein es fehlen die Fakten
dazu, denn wenn man mit dem Personal und den Frauen spricht, die in der
Semmelweis-Frauenklinik sind, dann hat man eher den Eindruck, dass dieses
renommierte Haus mit vollem Tempo an die Wand gefahren wird, und zwar deshalb,
weil es seit vergangenem Oktober eigentlich schon eine vorbereitende
Entscheidung für die Führung des Hauses mit der Departmentleitung gibt. Allein
der Departmentleiter ist noch nicht ernannt. Die Verhandlungen stehen, niemand
weiß etwas Gewisses, das Personal ist demoralisiert. Die Struktur mit dem
Fernprimariat von Prof Grünberger in der Rudolfstiftung hat durchaus ihre
Mängel. Es macht nicht wirklich Sinn, ein so entferntes Haus quasi
überzustülpen. Die anderen Bewerber haben aufgegeben und gefunden, unter diesen
Bedingungen wollen sie die Führungsfunktion gar nicht wahrnehmen.
Dass die
Semmelweis-Frauenklinik gründlich in die falsche Richtung geht, ist auch aus
dem Auftrag zu ersehen, den Frau StRin Pittermann gegeben hat. Einerseits wird
die Gynäkologie zugesperrt, dafür kann es gute medizinische Gründe geben. Vor
allem was die Onkologie betrifft, wollen wir uns gar nicht dagegenstellen. Aber
wenn es so ist, dass man letztlich an der Personalsituation nichts ändert, dass
man letztlich sagt, die Semmelweis-Frauenklinik muss ihre Kostenstruktur
verbessern, muss sozusagen mehr Einnahmen machen, man ihr gleichzeitig Aufgaben
entzieht und der Geburtshilfe eine ungewisse Zukunft gibt, dann wird sich an
den Zahlen etwas ändern. Aber an den Zahlen der Frauen, die dort gebären
wollen, wird sich eher etwas nach unten ändern. Das wird dann das langsame
Erwürgen dieses wichtigen Hauses und kein Auftrag an die Zukunft sein. Wir
glauben, dass die Semmelweis-Frauenklinik längst eine klare politische Antwort
verdienen würde.
Dass die
Dinge auch inhaltlich in die falsche Richtung gehen, beweisen zwei Dinge, die
seit der ungeklärten Nachfolge von Primar Wagenbichler Faktum sind. Da gibt es
jetzt eine neue Order im Haus. Diese möchte ich Ihnen zur Debatte stellen.
Frauen, die sich in der 20. Schwangerschaftswoche für eine Geburt
anmelden, bekommen ein Blatt zu unterschreiben, ein Papier, auf dem steht, dass
eine Epiduralanästhesie, ein Dammschnitt oder ein Kaiserschnitt Methoden sind,
die bei der Geburt zur Anwendung kommen können, und sie unterschreiben dieses
Blatt. Hebammen bezeichnen das als Revers. Juristische Spitzfindigkeiten würden
wohl sagen, es ist ein Informationsblatt, das die Frauen unterschreiben. Da
erhebt sich natürlich die Frage, warum sie nicht auch unterschreiben könnten,
dass Geburten mit dem Tod des Kindes oder mit Kindbettfieber enden können.
Geburten haben viele, meistens haben diese hoffentlich eine gute Beendigung.
Wenn unterschrieben wird, dass Kaiserschnitt, Epiduralanästhesie und
Dammschnitt Möglichkeiten in der Geburt sind, schaut es so aus und wird auch
von den Frauen so verstanden, dass man in der 20. Schwangerschaftswoche
den Ärzten und Ärztinnen praktisch einen Persilschein ausstellt, wie in der
Geburtssituation umgegangen werden kann. Das ist das Gegenteil der frauenemanzipatorischen,
hebammenorientierten sanften Geburt, für die die Semmelweis-Frauenklinik
eingetreten ist.
Das Zweite, was ich Ihnen als Negativentwicklung noch
vor Augen führen will, ist, dass es in der Ambulanz der Semmelweisklinik jetzt
einen Aushang gibt, der Folgendes sagt: "Frauen mit 25 Jahren werden
nur sterilisiert, wenn sie bereits drei Kinder geboren haben. Frauen mit 30
werden nur sterilisiert, wenn sie zwei Kinder geboren haben. Frauen mit
35" - Sie werden mitrechnen können - "werden nur sterilisiert, wenn
sie ein Kind geboren haben. Frauen mit 40" - erraten - "dürfen sich
sterilisieren lassen, wenn sie keine Kinder haben."
Das ist wohl ein starkes Stück! Ich bin sicher nicht
jemand, der es für eine gute Idee hält, 25-jährige Frauen mir nichts dir nichts
zu sterilisieren, aber es kann doch nicht sein, dass eine - jetzt verwende ich
ein hartes Wort - Wurfquote die Frage ist, ob so eine Sterilisation angemessen
ist oder nicht. Wer sagt, dass man 25 sein und drei Kinder haben muss oder 30
und zwei Kinder und so weiter. Es gibt gute Gründe, 25-jährigen Frauen von der
Sterilisation abzuraten und es gibt gute Gründe, das sehr genau und sehr lange
zu thematisieren, aber einen Aushang zu machen und den Frauen sozusagen mit
einem Herrschaftsgestus vorzuschreiben, wie viele Kinder sie haben, bevor so
eine Frage zur Debatte steht, halten wir doch für unglaublich! Das sind
Entwicklungen in der Semmelweisklinik, die die Frauen vertreiben und nicht
motivieren werden, sich dort behandeln zu lassen! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich möchte nicht mehr sehr lange reden, ich möchte Ihnen nur
noch sagen, Frau Stadträtin, machen Sie
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