Gemeinderat,
21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 122
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend):
Herr Kollege Margulies, du hast 13 Minuten.
GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend):
Ja, grob gerechnet. - Sehr geehrte Damen und Herren!
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend):
Das war schon die Grobrechnung, weil ich habe dir schon 30 Sekunden
geschenkt!
GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend):
Dann hättest mich unterbrochen. - Sehr geehrte Damen und Herren!
Eigentlich wollte ich gar nicht so sehr auf die ÖVP
eingehen. Jetzt muss ich mir doch einen Satz erlauben, weil (GR Dr Matthias
Tschirf: Auf den Wahlsieger!) der Kollege Tschirf voller Empörung über den
Christoph Chorherr gesprochen hat, wie er denn "ÖVP und Lüge" in den
Mund nehmen kann, irgendwie in einem Satz nennen. (GR Georg Fuchs: Ein
Skandal!)
Na ja, was ist es denn anders? - Die ÖVP hat innerhalb
von zweieinhalb Jahren schwarz-blauer Bundesregierung abgefärbt. Die Lüge ist
innerhalb der ÖVP ein gleichberechtigt strategisches taktisches Mittel geworden,
und das ist zu verurteilen! (Aufregung bei der ÖVP.) Und Wolfgang
Schüssel stellt sich gerne als Chef dieser Partei dar (Beifall bei den
GRÜNEN.): Unwahrheit, Wolfgang Schüssel als Dritter in Opposition,
Regierungschef. (Weitere Aufregung bei der ÖVP.) Eine vorsätzliche Lüge
von Wolfgang Schüssel im TV-Duell: Es wurden die Scheiben der ÖVP-Zentrale vier
Mal von Donnerstags-Demonstranten eingeschlagen. Eine vorsätzliche Lüge von
Wolfgang Schüssel! (Große Aufregung bei der ÖVP.)
Die Täuschung im Wahlprogramm nur als Beispiel: Die
Steuerreform 2004 kommt. Nach der Wahl sagt Bartenstein: Wer weiß, ob die
Steuerreform kommt, nur wenn es sich ausgeht. Die Volkspartei hat die Lüge zu
einer demokratischen Waffe entwickelt und die anderen Parteien werden sich
darauf einstellen müssen! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Punkt 2: Die Freiheitlichen ... (GR Georg
Fuchs: Kommunisten!) Sie rufen "Kommunisten"? (GR Georg Fuchs:
Jawohl!) Na, wo gibt es denn die stalinistischen Säuberungsaktionen, wo man
nicht einmal weiß, wer nächstes Mal noch da sitzt bei der FPÖ? (Heiterkeit
bei den GRÜNEN.) Es kann durchaus sein, dass Sie das nächste Mal nicht mehr
da sind! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ihr habt mit einer Partei, die einen parteiinternen
Stalinismus zum Dogma erhoben hat, zweieinhalb Jahren zusammengearbeitet und
ihr wollt das möglicherweise weiter tun. Aber ... (Große Aufregung des GR Dr
Matthias Tschirf und Aufregung bei der ÖVP.) Jetzt kommen Sie aber wieder
ein bissel runter. Kommen Sie wieder ein bissel runter, Herr Tschirf.
Gehen'S Herr Vorsitzender, können Sie den Kollegen
Tschirf einbremsen?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend):
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bremse einmal grundsätzlich alle ein,
dass wir uns einmal einig sind. Punkt 1.
Punkt 2: Ich darf mich wiederholen: Bei der
letzten Sitzung habe ich Herrn Blind wegen der Wortfolge "Lügner"
einen Ordnungsruf erteilt. Ich möchte - das nur als Botschaft für die Zukunft -
bei den Reden bitte jeden ersuchen, dass er das wieder aufnimmt. (Weitere
große Aufregung bei der ÖVP.)
GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend):
Herr Kollege Hundstorfer! Sie haben dem Kollegen Blind einen Ordnungsruf
erteilt, weil er das Wort "Lüge" verwendet hat, ohne einen Beleg
dafür zu geben.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend):
Jetzt mach weiter!
GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend):
Nur um das klarzustellen!
Aber jetzt gehen wir weiter, denn im Endeffekt war
ich von der ÖVP aus einem anderen Grund fasziniert - und das wird die
Sozialdemokratie nicht so gerne hören -, weil ich selten eine so zahme Rede
gegenüber der Sozialdemokratie gehört habe. Es wundert mich nicht, denn dieses
Wiener Budget ist beim besten Willen nicht anders zu sehen, als dass es eine
Vorleistung für eine kommende schwarz-rote Koalition wäre. (GR Gerhard
Pfeiffer: Und das ärgert Sie!)
Ich möchte Ihnen das, weil Sie sich heute schon so
viel selbst gelobt haben, nur an ein paar Beispielen illustrieren:
Die ÖVP hat den Abbau von Pflichtschullehrern vorgegeben.
Sie haben in Wien innerhalb von zwei Jahren 10 Prozent aller Pflichtschullehrer
abgebaut, obwohl Sie gesagt haben, keine einzige Stelle wird reduziert. So viel
zur Umsetzung des schwarzen Kurses in Wien! (GR Walter Strobl: Das ist
Lüge!)
2. Punkt. (GR Walter Strobl: Das ist jetzt
Lüge!) Sie regen sich darüber auf - und wir regen uns auch zu Recht darüber
auf, aber wir haben andere Konzepte -, dass im November AsylwerberInnen in
menschenverachtender Art und Weise von Innenminister Strasser auf die Straße
gesetzt werden. Gleichzeitig kürzen Sie im Vergleich zum Rechnungsabschluss
2003 die Flüchtlingshilfe. Ja, wo ist denn das Wiener Gegenmodell?
Oder: Noch immer gibt es keinen Anspruch für die
Allgemeine Sozialhilfe für nicht österreichische Staatsbürger. Wir fordern das
seit langem und Sie hätten die Möglichkeit gehabt, in Wien ein Gegenmodell zu
dieser blau-schwarzen Bundespolitik zu entwickeln und Sie haben es verabsäumt!
Das ist mit ein Grund, warum unter anderem diese
Lügenkampagne der Volkspartei im Wahlkampf gegriffen hat: Weil es in Wien nicht
gelungen ist, ein Gegenmodell, ein solidarisches Gegenmodell, ein
demokratisches Gegenmodell und ein ökologisches Gegenmodell zu entwickeln,
sondern weil der Sparkurs der Bundesregierung in Wien de facto 1 zu 1
mitvollzogen wurde. Dies spiegelt sich auch im kommenden Budgetvoranschlag
wider und wir lehnen dies als GRÜNE ab. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Betreffend die Allgemeine Sozialhilfe werden Sie heute noch
die Möglichkeit haben, deutlich zu dokumentieren, dass Schluss sein muss mit
dem Nachlaufen
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