Gemeinderat,
21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 122
Aber ich möchte auch sagen, wir bemühen uns jedenfalls, mit
Anstand zu verlieren. Wir werden sicher nicht die Straße mobilisieren oder eine
Hetzkampagne gegen Andersdenkende starten. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir akzeptieren selbstverständlich diesen Wählerentscheid
und werden uns bemühen, eben die Lehren daraus zu ziehen.
Die, die gewonnen haben, freuen sich heute. Das ist selbstverständlich,
aber ich kann Ihnen aus der Erfahrung heraus sagen, dass nach jedem Erfolg,
nach jedem Sieg mit Sicherheit auch wieder das Gegenteil kommt. Daher meine
ich, dass man das auch so betrachten und analysieren soll.
Ich möchte schwerpunktmäßig schon über das Budget
2003 sprechen, weil ich glaube, dass in Wien so manches schief läuft.
Wenn der Finanzstadtrat und Vizebürgermeister gesagt
hat, dass die Wirtschaft gesamtösterreichisch in einer Situation ist, wo man
Maßnahmen setzen muss und so weiter, so kann ich nur sagen, es sind Maßnahmen
ja schon gesetzt worden, die auch schon greifen. Aber wir sagen, und das schon
seit einigen Jahren, dass in Wien diesbezüglich zu wenig gemacht wird und Wien
dadurch leider sowohl als Wirtschaftsstandort als auch in der
Arbeitsmarktsituation eine Verschlechterung erfahren hat. Vor allem auch im
Vergleich mit den anderen Bundesländern steht Wien leider auf Grund
hausgemachter Fehler und falscher Schwerpunktsetzungen in der Finanz- und
Wirtschaftspolitik bei weitem als Schlusslicht da.
Sehen wir uns das im Einzelnen an: Gerade auf dem
Arbeitsmarkt hat Wien bedauerlicherweise eine Rekordarbeitslosigkeit zu
verzeichnen. Die Belastung der Wiener Bevölkerung trifft gerade die
Kleinsteinkommensbezieher, die sich den flächendeckenden Teuerungen in allen
Bereichen nicht entziehen können. Einsparungen zum Beispiel im
Gesundheitsbereich besonders durch reale Kürzung des Budgetzuschusses an den
Krankenanstaltenverbund oder etwa - als Beispiel - die Kürzungen bei
"Essen auf Rädern" zeigen, dass die Kritik, die Sie jetzt zweieinhalb
Jahre lang an der Bundesregierungspolitik gemacht haben, nicht berechtigt war.
Es gibt eigentlich - und genau das hätte man sich auch erwartet - keine
Zukunftsvision für den Wirtschaftsstandort Wien.
Es ist aber auch so, und das muss man festhalten,
dass die Wiener Wirtschaft leider die schlechteste Entwicklung von ganz
Österreich zu verzeichnen hat. Nirgendwo hat sich in Österreich der
Arbeitsmarkt derart schlecht entwickelt wie in Wien. Und das ist jetzt nicht
ein Krank- oder Schlechtreden der Wiener Wirtschaft, sondern es ist eben die
mangelnde Schwerpunktsetzung oder die falsche Schwerpunktsetzung durch die
Stadtregierung. Wenn Sie sich die Fakten anschauen, wie schlecht die Finanz-
und Wirtschaftspolitik dasteht, dann werden Sie das auch nachvollziehen können.
Jetzt zu den Fakten: Die Wiener Wirtschaft bleibt im
gesamten Konjunkturzyklus nach wie vor das Schlusslicht. Die Wirtschaft hat in
Wien im Boomjahr 2000 ein Wachstum von nur 2,1 Prozent erfahren und das
ist nicht einmal halb so viel, wie in den anderen Bundesländern, die im
Durchschnitt 4,8 Prozent Wachstum zu verzeichnen hatten. Im
Wirtschaftsabschwungjahr 2001, wo Ihre Belastungspakete die Bevölkerung voll
erwischt haben, ist Wien als einziges Bundesland sogar in die Rezession
geraten. Es ist nämlich ein Minuswachstum von 0,2 Prozent vorhanden
gewesen. Nach einer Kölner Forschungsstudie belegte Wien im Ranking der Zukunftsstandorte
in Westeuropa 1998 noch den guten 9. Platz. In der heurigen aktuellen
Neufassung dieser Studie sind wir auf den Platz 73 zurückgefallen. Das
sollte uns eigentlich schon zu denken geben.
Wie dramatisch diese Situation aber tatsächlich ist,
ergibt eine Befragung von Konzernmanagern über deren Zukunftspläne. Bis zum
Jahre 2006, so das Resultat dieser Befragung, wird Wien nach diesen Ansiedlungsplänen
internationaler Konzerne von den Städten Warschau, Prag, Moskau und Budapest
überholt werden. Das heißt, unsere Standortposition verschlechtert sich ganz
wesentlich.
Was sind die Folgen dieser Entwicklung? - Auf Grund
dieser Wirtschaftsentwicklung in Wien ist eine starke Abwanderung von Wiener
Betrieben in das Umland zu verzeichnen und ein Anstieg der Insolvenzen im Vergleich
3. Quartal 2001 zum 3. Quartal 2002 um 20 Prozent zu
registrieren. Dem gegenüber ging in allen anderen Bundesländern die Zahl der
Insolvenzen zurück.
Ebenso ist, wie schon erwähnt, die Situation am
Wiener Arbeitsmarkt denkbar schlecht. Die Bundeshauptstadt hat im letzten Jahr
zirka 10 000 Arbeitsplätze verloren. In den anderen Bundesländern konnten
im gleichen Zeitraum 13 000 neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen
werden. Insgesamt wurden in Wien im 1. Halbjahr 17 000 Menschen neu
arbeitslos. Wenn Sie das jetzt wieder in Relation zum übrigen Österreich setzen,
dann ist es so, dass das bedeutet, dass bereits jeder zweite neue Arbeitslose
aus Wien kommt. Das heißt, es ist ein überproportional starkes Ansteigen. In
Wien kommen 20 Arbeitslose auf eine offene Stelle, im österreichischen
Durchschnitt sind es 8 Arbeitslose. Das ist auch nicht erfreulich, aber da
ist doch eine ganz, ganz große Diskrepanz vorhanden und das ist, sagen wir,
hausgemacht.
Das muss man eben auch sagen, weil der Herr Vizebürgermeister
gesagt hat, es ist eine antizyklische Politik zu machen. Jawohl, aber genau das
ist ja 2001 nicht geschehen und deshalb ist Wien als einziges Bundesland in
eine Rezession hineingeschlittert. Diese Entwicklung hat natürlich auch
Auswirkungen auf alle Bereiche der Stadt.
Bundesweit konnten heuer bereits das Kindergeld, die
Entschädigung für die Hochwasseropfer sowie zwei Konjunkturbelebungspakete -
vor allem das erste hat ja schon gegriffen - in Kraft gesetzt werden. Diese
Entlastungsmaßnahmen erhöhten heuer die Kaufkraft in Österreich um insgesamt 2,5 Milliarden
EUR. Das Sparen in Wien aber durch Leistungskürzungen im Sozial- und
Gesundheitsbereich sowie auf Kosten der Wirtschaft führte hingegen dazu, dass
Wien überhaupt die höchste
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