Gemeinderat,
20. Sitzung vom 25.10.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 106
Leute brauchen. Der Zugang ist ein ganz anderer als von oben
herunter. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Was hier heute passiert, ist
meiner Meinung nach ein Rückschritt. Es ist ein Angriff auf die Bürgernähe. Ich
muss sagen, dass es sich eigentlich in den letzten Monaten, aber auch Jahren
schon sukzessive abgezeichnet hat, dass hier immer mehr zentralisiert wurde. Es
wurden die Sozialämter zusammengelegt, es wurden die sozialen Stützpunkte
zusammengelegt. Wenn jemand, der im 4. Bezirk wohnt und eine
Gemeindewohnung hat, seinen Schlüssel verliert, dann muss er, um den Schlüssel
zu bekommen, nach Simmering fahren! (GR Dr Matthias Tschirf: Wahnsinn!
Wahnsinn!) Das betrachte ich wirklich nicht als Bürgernähe! - Das, was
heute hier geschieht, hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren schon
abgezeichnet, und es ist eigentlich nur eine Folge dessen, was Sie unter
Bürgernähe und Bezirksautonomie verstehen und was Sie davon halten.
Wir ÖVP-Bezirksvorsteher setzen uns für eine Erweiterung
der Bezirksautonomie ein. Wir wollen eine Erhöhung der Bezirksbudgets,
zumindest aber eine Valorisierung dieser Budgets. Für uns sind die Schlagworte
"Bürgernähe" und "Bezirk" einfach noch Werte - Werte, die
etwas wert sein sollten und uns allen etwas wert sein sollten!
Wir als ÖVP-Bezirksvorsteher werden nicht danke sagen
- so wie die SPÖ-Bezirksvorsteher -, dass diese Kürzungen so gering ausgefallen
sind. Das werden wir nicht tun. Wir ÖVP-Bezirksvorsteher werden diese Kürzungen
so nicht hinnehmen! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Als
Nächster ist Herr GR Ing RUDOLPH zum Wort gemeldet. - Bitte.
GR Ing Herbert RUDOLPH (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Zu den vorliegenden Anträgen zwei Anmerkungen:
Zunächst zur Alphabetisierungskampagne, die Kollegin
Jerusalem hier beantragt. Diesem Antrag werden wir gerne zustimmen. Er folgt
einer Linie, die wir auch hier im Hause schon mehrfach vertreten haben. Ich
wünsche diesem Antrag viel Erfolg. Wir werden ihn im Ausschuss gemeinsam
durchfechten und hoffen, dass wir gemeinsam bei der Frau Vizebürgermeisterin
ein offenes Ohr dafür finden.
Das hier geschilderte Problem hat mit parteilichen
Grenzen oder mit Ideologie ja nichts zu tun. Wenn einem der Mensch etwas wert
ist - und das liest man ja zurzeit auf manchen Plakaten -, dann, so meine ich,
sollte es auch der Gemeinde etwas wert sein, dass wir in Bezug auf das Thema
Analphabetismus von dort wegkommen, wo wir vor zehn Jahren bereits waren. Ich
habe das heute am Vormittag schon einmal kurz ausgeführt.
Der zweite Antrag, der von den GRÜNEN eingebracht
wurde, betreffend die Lesekampagne, ist im zweiten Punkt schon sehr offen in
Bezug auf das, worum es hier geht. Es geht in der Begründung dieses Antrags
ganz einfach darum, dass man hier die Staaten mit Gesamtschulsystemen als
diejenigen in den Mittelpunkt rückt, die bei den Leseleistungen vorne liegen,
und stellt diesbezüglich einen unmittelbaren Konnex her. - Das tut die
PISA-Studie nicht! Die PISA-Studie hat in keinem Fall gesagt, dass überall
dort, wo es gesamtschulartige Organisationsformen gibt, bessere Lese- und
Schreibkompetenzen zu vermerken wären. Ich würde daher meinen, dass das ein
sehr zu hinterfragender Punkt ist. Deshalb werden wir diesem Punkt, so wie er
in diesem Antrag steht, unsere Zustimmung nicht geben können. - So viel zu diesen
beiden Anträgen.
Nun zum Thema Dezentralisierung. Ich muss gestehen,
dass ich zu jenem Zeitpunkt, als die Dezentralisierung wirksam wurde,
Bezirksrat in Döbling war und genau miterlebt habe, wie das kam. Ich kann mich
noch sehr gut daran erinnern, wie in den Bezirken - und da war mein
Heimatbezirk keine Ausnahme, sondern das hat sich in allen 23 Bezirken
gleichermaßen ereignet - die Sanierung der Schulen plötzlich im Mittelpunkt
stand. Es war auch interessant zu bemerken, dass die Schulleiterinnen und
Schulleiter sich erst daran gewöhnen mussten, diesbezüglich auch Forderungen an
die Bezirksvertretungen zu erheben. Die waren gar nicht gewohnt, dass die
Schulen saniert werden, sondern die haben einfach damit gelebt, dass die Schulen,
die - jetzt kann man schon sagen: im vergangenen Jahrtausend - in der liberalen
Ära Wiens geschaffen worden sind und die man offensichtlich sehr gut gebaut
hat, lange Zeit eben auch gut gehalten haben. Diese Bauten, aus der Kaiserzeit
stammend, bilden bis heute das Rückgrat des Wiener Pflichtschulwesens, und es
ist kein Wunder, dass diese Bauten im Laufe der Zeit natürlich auch nicht
besser werden. Daher gehören sie regelmäßig gepflegt.
Diese regelmäßige Pflege hat man unterlassen, und die
Bezirke haben sich dann ab dem Zeitpunkt, als sie die Möglichkeit dazu bekommen
haben, darauf konzentriert, und da ist - in allen Bezirken, Wurscht, ob dort
rote oder schwarze Bezirksvorsteher waren - sehr viel weitergegangen. Das war
damals auch schon dem Finanzstadtrat Mayr klar, denn unter Finanzstadtrat Mayr
hat es bereits die ersten Sonderfinanzierungsprogramme für die Sanierung der
Schulen gegeben, weil man mit dem Geld, das man den Bezirken gegeben hat, nicht
ausgekommen ist.
Daran hat sich an sich nichts verändert, und ich
glaube auch, dass Geld da ist. Es ist Geld für diese Schulraumsanierung da -
man muss es nur auch zweckentsprechend einsetzen!
Es gibt durchaus auch Beispiele für eine Fehlverwendung
von Kapital. Ein ganz eklatantes Beispiel für eine Fehlverwendung von Kapital
ist es etwa, wenn an den Schulen plötzlich solche Plakate auftauchen (Der
Redner hält ein Plakat in die Höhe, auf dem Stadtschulratspräsidentin Dr
Susanne Brandsteidl abgebildet ist.), wenn in den Schulen - vorgeblich, um
ein Informationsbedürfnis zu befriedigen - eine SPÖ-Kandidatin für die
Nationalratswahl plakatiert wird. (GRin Mag Heidemarie Unterreiner:
Unglaublich! Missbrauch! Missbrauch!) - So etwas hat es wirklich schon
lange Zeit nicht gegeben!
Bgm Zilk, der als Landeshauptmann von sich hätte
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