Gemeinderat,
20. Sitzung vom 25.10.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 106
(Beginn um 9 Uhr.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich darf Sie recht herzlich zur 20. Sitzung in
dieser Legislaturperiode begrüßen und die Sitzung für eröffnet erklären.
Ich darf entschuldigen: Frau GRin Cordon, Frau GRin Präsidentin Stubenvoll,
Herrn GR Mag Neuhuber und Herrn GR Mag STEFAN. - All denjenigen unter den
vieren, die krank sind, wünsche ich beste Genesung. Richten Sie es ihnen bitte
aus.
Wir kommen nun zur Fragestunde.
Die 1. Anfrage (FSP/04079/2002/0002-KSP/GM)
wurde von Herrn GR Harry Kopietz gestellt und ist an den amtsführenden Stadtrat
der Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft gerichtet: Welche Auswirkungen
hatten die 2 ½ Jahre VP/FP-Bundesregierung auf die Kulturstadt Wien
und die Kulturinstitutionen in Wien?
Ich ersuche um Beantwortung.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Nur für die Zuschauer auch auf der Galerie sage ich,
dass diese Frage dahin ging, welche Auswirkungen die zweieinhalb Jahre der
Bundesregierung auf die Kulturstadt Wien und die Kulturinstitutionen hatten.
Sehr geehrter Herr Gemeinderat! Um diese Frage
beantworten zu können, lohnt es sich, auch ein bisschen nachzufragen, was
eigentlich beabsichtigt war. Ich habe mir daher die Regierungserklärung vom
9. Februar 2000 zur Hand genommen, in der der Bundeskanzler, der ja auch
verfassungsmäßig der zuständige Kunstminister ist, in einem vorletzten Punkt
immerhin die Kultur behandelt. Unter dem Titel "Neu regieren heißt, Kunst
und Kultur nicht vereinnahmen", schrieb man damals einige Schwerpunkte
fest. Da heißt es zum Beispiel, es soll mehrjährige Förderverträge geben, eine
gerechte regionale Verteilung, man will eine österreichische Nationalstiftung
einrichten, Digitalisierung des kulturellen Erbes. Wir werden auch, heißt es da
drinnen, einen Architekturschwerpunkt im Wohnbau und bei öffentlichen Bauten
setzen. Es ist dann davon die Rede, dass die Konzepte für das Haus der
Geschichte der Republik Österreich und Haus der Toleranz zusammengeführt und
realisiert werden. Dann heißt es, dass es um die Stärkung des Filmstandorts
Österreich geht, um die Bereitstellung von Risikokapital für Österreichs
Kreativwirtschaft. Von einer Künstlersozialversicherung ist die Rede und von
steuerlicher Absetzbarkeit bei Kunst- und Kulturinvestitionen.
Meine Damen und Herren! Wenn man sich diese
Regierungserklärung heute durchliest, muss man ganz nüchtern festhalten: Kein
einziger Punkt - kein einziger Punkt! - aus dem Kulturprogramm der
Regierungserklärung des Bundeskanzlers und Kunstministers ist bis heute
vollständig erfüllt. Meines Wissens ist das einmalig in der Geschichte der
Republik.
Zweieinhalb Jahre schwarz-blaue Bundesregierung haben
in der Wiener Kulturlandschaft, aber auch darüber hinaus ihre Spuren
hinterlassen. Die Kürzungen des Bundes quer durch alle Kunst- und Kultursparten
sind deutlich spürbar und für viele, insbesondere für kleine Kulturinitiativen
sogar existenzbedrohend. Gerade in Wien nahm diese restriktive Sparpolitik des
Bundes drastische Ausmaße an. Ausgehend von der Tatsache, dass das
Bundeskanzleramt als zuständiges Kunstministerium knapp über 50 Prozent
von einem Gesamtbudget von zirka 80 Millionen EUR für das Wiener
Kulturleben zur Verfügung stellt - ich beziehe mich da auf die Quelle des Kunstberichts
-, und ausgehend davon, dass der Bund im Jahre 2000 die Kunstfördermittel
durchschnittlich um 11,8 Prozent gekürzt hat, ergibt das in den Jahren
2000 bis 2002 eine Gesamtsumme von rund 14,5 Millionen EUR, also etwa um
die 200 Millionen S. Der Bund kürzt die Mittel für Wiener
Kulturinstitutionen in den letzten drei Jahren um 14,5 Millionen EUR!
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, an einigen
Beispielen hervorheben, was das für die Wiener Kulturlandschaft konkret
bedeutet.
Im Theaterbereich: Da war von allem Anfang an auch
eine Schubumkehr zum Schlechteren bemerkbar. Die Bundesregierung hat die Mittel
für die privaten Mitgliedsbühnen des Wiener Bühnenvereins seit dem Jahre 2000
um einen Betrag von 7,2 Millionen EUR gekürzt. Im Frühjahr 2002 haben sich
die Theaterdirektorinnen und -direktoren Wiens in einer Petition an Herrn
Staatssekretär Morak gewandt. Ihre Forderung nach Rücknahme der Kürzungen des
Bundes blieb jedoch unerfüllt. Auch mein Schreiben vom Frühjahr dieses Jahres
an den zuständigen Kunstminister, an den Bundeskanzler, in dem ich auf die
Gefährdung des Spielbetriebs der kommenden Saison aufmerksam machte, blieb ohne
jegliche Auswirkungen. Einsparungen dieses Ausmaßes - der Bogen spannt sich vom
Theater in der Josefstadt, dem Volkstheater bis hin zum
"kosmos.frauenraum" - tragen - um das einmal sehr bescheiden zu sagen
- insgesamt nicht zur Verbesserung des kulturellen Angebots in Wien bei.
Nehmen wir einen anderen Bereich, den Bereich Film,
ein Schwerpunkt der Bundesregierung. Die der Filmwirtschaft vom Bund zur
Verfügung stehenden Mittel wurden auf den Stand von vor zehn Jahren
zurückgeworfen. Mit Bezug auf 1999 liegt eine 40-prozentige Budgetverringerung
vor, und wenn man die Mittel aus der so genannten kleinen Filmförderung noch
dazunimmt, sogar auf 44 Prozent. 44 Prozent Kürzung für den Film in
einem Bereich, der Schwerpunktthema sein sollte!
Im Übrigen blieben auch die Ankündigungen des Herrn
Staatssekretärs vom Juli anlässlich der Filmenquete im Parlament, wo er eine
Steigerung des Filmbudgets angekündigt hat, überhaupt ohne jede Auswirkung.
Was das für den Filmstandort Wien bedeutet, ist klar.
Auch hier fehlen die Mittel, und das gerade in einer Zeit, in der der österreichische
Film vor zwei Jahren zum Sprung angesetzt und international bei Festivals
reüssiert hat. Auch hier sind briefliche Bemühungen und mündliche Einladungen
meinerseits, doch dort fortzusetzen, wo vor zweieinhalb Jahren aufgehört wurde,
ohne Reaktion geblieben.
Was darüber hinaus deutlich spürbar ist, sind
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular