Gemeinderat,
12. Sitzung vom 01.03.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 81
Somit ist die
Fragestunde beendet.
Wir kommen nun
zur Aktuellen Stunde (AST/01141/2002/0002-KFP/AG).
Der Klub der Wiener Freiheitlichen hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema
"Sie wünschen, wir widmen - Die Widmungspraxis der Gemeinde Wien"
verlangt. Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs. 2 ordnungsgemäß
beantragt.
Ich
ersuche den Erstredner, Herrn GR Dr Serles, die Aktuelle Stunde zu eröffnen. -
Ich darf noch formal anmerken, dass Ihre Redezeit mit 10 Minuten begrenzt
ist.
GR Dr Wilfried
Serles (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr Vorsitzender! Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Die
Gemeinnützige Bau- und Wohnungsgenossenschaft "Wien-Süd" hat ein
Naheverhältnis zur Wiener SPÖ. Die Gemeinnützige Bau- und
Wohnungsgenossenschaft "Wien-Süd" baut, wie schon der Name sagt,
vorwiegend im Süden Wiens. Der ehemalige Leiter der MA 21B war für die
Flächenwidmungen im Süden Wiens verantwortlich. Auch er hat ein Naheverhältnis
zur Wiener SPÖ. Und auf gut Wienerisch möchte ich hinzufügen: Anlässlich seiner
Ernennung zum Obersenatsrat - das ist noch gar nicht so lange her, das war im
Jahr 2000 - haben sich führende Politiker der SPÖ für Herrn Vokaun "die
Haxen ausgerissen". Weil der Herr Obersenatsrat in der Flächenwidmung für
den Süden Wiens zuständig war und die Gemeinnützige Bau- und
Wohnungsgenossenschaft "Wien-Süd" vorwiegend im Süden Wiens baut, hat
sie auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Herrn Obersenatsrat großen Wert
gelegt. Sie hat ihn gut bezahlt. Die "Wien-Süd" hat den Herrn
Obersenatsrat als Konsulent gut bezahlt. Der Herr Obersenatsrat ging in der
"Wien-Süd" aus und ein. Die "Wien-Süd" hat sich was
gewünscht und der Herr Obersenatsrat hat etwas gewidmet. So hat das Widmungswunschkonzert
zwischen der "Wien-Süd" und dem Herrn Obersenatsrat funktioniert.
Vor
einiger Zeit nun hat die "Wien-Süd" im Süden Wiens, im Herzen von
Atzgersdorf, billig Grünland erworben. Der größte Wunsch der
"Wien-Süd" war es, dass dort 8 Hektar Grünland in Bauland
umgewidmet werden sollen. Auch der Herr Obersenatsrat wollte, dass im Herzen Atzgersdorfs,
dort, wo Atzgersdorf am grünsten ist, Grünland in Bauland umgewidmet werden
soll. Er hat den Plan des Architekten der "Wien-Süd" genommen und hat
Widmungen gezeichnet - eigenhändig. Jahre später fand man noch die Planpausen
des Architekten der "Wien-Süd" im Handakt des Herrn Obersenatsrats.
Beide, die "Wien-Süd" und der Herr Obersenatsrat, haben sich so
bemüht!
Weil aber der
Stadtentwicklungsplan Wiens akkurat dort, wo die "Wien-Süd" Grünland
gekauft hatte, auch Grünland vorsah, ging der Wunsch, der Widmungswunsch der
"Wien-Süd" nicht in Erfüllung: Gründland blieb letztlich Grünland.
Da wurde es
dem Direktor der "Wien-Süd" einfach zu bunt: Er forderte öffentlich
die Umwidmung von Grünland in Bauland, dort, wo Atzgersdorf am grünsten ist,
und fügte als Begründung hinzu, es hätte politische Signale gegeben, dass in
Atzgersdorf die Umwidmung von Grünland in Bauland möglich sei.
Spätestens
seit damals, meine Damen und Herren, spätestens seit dem August 2000 ist die
Widmungsgeschichte von Atzgersdorf eine Geschichte mit einer eminent
politischen Dimension. Spätestens seit damals ist die Widmungsgeschichte von
Atzgersdorf nicht nur das Problem eines in die Pension geflüchteten
Obersenatsrats, nicht nur die Fehlleistung eines einzelnen Beamten, nicht nur
ein Fall für die Disziplinarkommission, nicht nur ein Fall für das Kontrollamt,
sondern auch ein Fall für eine politische Untersuchung.
Es wird zu
klären sein, wer die politischen Signale gegeben hat, dass in Atzgersdorf
8 Hektar Grünland in Bauland umgewidmet werden sollten. Es wird zu klären
sein, welche politischen Entscheidungsträger die Praxis der Flächenwidmung der
MA 21 gekannt haben, wie dies der Herr Obersenatsrat dieser Abteilung dem
Kontrollamt selbst ins Protokoll diktiert hat. Es wird politisch zu klären
sein, wer die Konsulentenverträge des Herrn Obersenatsrats mit der
"Wien-Süd" dienstrechtlich genehmigt hat. Ich behaupte: Das ist
geradezu der klassische Fall von Unvereinbarkeit. Das garantiert geradezu
parteiische und nicht objektive Flächenwidmungsverfahren.
Es ist daher
gut, dass es erstmals in der Geschichte des Wiener Gemeinderats zur Einsetzung
einer Untersuchungskommission in dieser Angelegenheit kommt. Es ist gut, dass
mit dieser Untersuchungskommission geklärt werden soll, wer die politische
Verantwortung dafür trägt, dass in Wien Widmungen auf Bestellungen erfolgt
sind, nach dem Motto der heutigen Aktuellen Stunde: "Sie wünschen, wir
widmen".
Wir werden bei
dieser Gelegenheit auch feststellen können, wie sich die neuen Bestimmungen der
Wiener Stadtverfassung in der Praxis bewähren. Wir werden erkennen können, ob
Kontrollpolitik in Wien in dieser Untersuchungskommission ohne tatsächliche
Behinderungen durch die SPÖ funktioniert. Wenn die SPÖ in dieser Untersuchungskommission
Beweisanträge etwa mutwillig blockieren sollte, so verhindert das Kontrolle in
dieser Stadt. (GR Johann Hatzl: Die FPÖ
auf Bundesebene verhindert Kontrolle in dieser Stadt! - Ruf: ... Steinzeit
in dieser Demokratie!) - Nun, die "Steinzeit der Demokratie" ist
ein bisschen korrigiert worden, aber wir werden ja sehen, wie Sie das in der
Praxis durchhalten, Herr Hatzl. (GR
Johann Hatzl: Besser eine korrigierte Steinzeit als eine absolute!) - Meine
Redezeit ist leider begrenzt.
Meine Damen und
Herren! Am Tag des Bekanntwerdens des Wiener Widmungsskandals haben wir von der
FPÖ die Einsetzung einer Untersuchungskommission verlangt, nachdem uns klar
geworden ist, welche politische Dimension die Geschichten rund um Atzgersdorf
und im Süden Wiens in sich bergen. Nach einigem Zögern haben
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