Gemeinderat,
12. Sitzung vom 01.03.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 17 von 81
sich die GRÜNEN und
die ÖVP diesem Antrag angeschlossen. Ich bin froh und es ist gut, dass ein
gemeinsamer Antrag zustande gekommen ist. (Beifall
bei der FPÖ.)
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer:
Nächster Redner ist Herr GR Mag Chorherr. - Ich darf nochmals darauf hinweisen,
dass die Redezeit ab jetzt mit 5 Minuten beschränkt ist.
GR Mag
Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Meine Damen
und Herren!
Beim Wiener
Widmungsskandal, der uns in der Wiener Kommunalpolitik in den nächsten Monaten
intensiv begleiten wird, geht es nicht nur um das Fehlhandeln eines Magistratsbeamten.
Es geht um die Frage, wie es möglich ist, dass häufig übergeordnete Ziele nicht
realisiert werden.
Da ist etwa in
Atzgersdorf ein großes Grünareal als Grünareal vorgesehen und auf einmal soll
umgewidmet werden.
Auch in der
Perfektastraße kam es zu einem von GR Kenesei jetzt erst aufgedeckten
Widmungsfall, der dann überprüft wurde: Hier war ursprünglich ein großer
Vorplatz für einen Kindergarten vorgesehen, aber weil es "notwendig"
- unter Anführungszeichen - war, durch Aufwidmungen mehr Wert zu schaffen, ist
der Vorplatz, der für den Kindergarten vorgesehen war, geschrumpft.
In einem
dritten Fall, der den Hauptplatz von Mauer betrifft, wurde die Kubatur
verdreifacht, der Ortsbildschutz wird nicht umgesetzt.
Ein
Milliardengeschäft, das mit diesen Umwidmungen verbunden ist, wird in vielen
Fällen übergeordneten Zielen übergeordnet. Das ist der Punkt. Was jetzt
überprüft werden soll, ist die Frage, wie so etwas möglich ist.
Meine Damen
und Herren! Ich wende mich mit meiner Frage jetzt ganz bewusst an die Spitzen
der Planung, aber auch an den damaligen Planungsstadtrat Görg und auch an den
Bürgermeister: Wieso ist Ihnen das, was hier im Detail dokumentiert wurde,
selbst nicht aufgefallen? Wieso haben Sie den GR Kenesei, der das bereits vor
vielen Jahren aufgedeckt hat, denunziert? - Sie haben damals von
Schwarzmalerei, von Skandaldrescherei gesprochen. Jetzt ist das auf Punkt und
Beistrich belegt! Auf Punkt und Beistrich belegt ist aber auch, dass es
unmöglich war, dass ein Obersenatsrat an allem vorbei so handeln konnte.
Nur
ein kleines Beispiel: Da schickt der Architekt der Baufirma die Pläne, auf dass
die Widmungsabteilung danach handeln kann. Da wird an einer Stadtentwicklungskommission
vorbeiagiert. Da kommt etwas nicht auf die Tagesordnung. - Da sind unglaubliche
Fälle dokumentiert, meine Damen und Herren von der SPÖ. Ich würde Sie ersuchen:
Lesen Sie einmal die Kontrollamtsberichte! Ich glaube, da werden Sie
draufkommen, dass hier sehr vieles, sehr Grundlegendes zu ändern ist. Ich sage
das jetzt auch in Richtung des Planungsstadtrats, bei dem ich nicht verstehe,
wieso er hier derartig abwiegelt, warum nicht gerade er, der an diesen Fällen
nicht aktiv beteiligt war, sich hierher stellt und sagt: Ja, ich will, dass das
restlos aufgeklärt wird!, sondern hier scheibchenweise mauert.
Ich habe in
Vorbereitung der Pressekonferenz, um das Verhältnis Stadtplanung - Investoren
zu illustrieren, ein bisschen in "Brehms Tierleben" geblättert und
bin dort - ich habe das schon einmal zitiert - auf die Duldungsstarre der Löwen
beim Paarungsakt gestoßen. Ich habe mir gedacht, ich muss noch weiterblättern,
vielleicht kann ich auch den Bürgermeister ein bisschen dafür interessieren -
er hat ja seine Dissertation über die Gekkonidae verfasst. Ich dachte,
vielleicht gibt es für dieses Verhältnis zwischen Bauträgern auf der einen und
Planung auf der anderen Seite auch einen Vergleich aus diesem Bereich.
Da bin ich
beim Eingeweidefisch fündig geworden: Der Eingeweidefisch, müssen Sie
verstehen, ist ein Parasit. Er prüft vorher mit Hilfe seines Geruchssinns die
Seewalze und sucht die Afteröffnung, die er am ausströmenden Wasser erkennt. Er
steckt zunächst die Schnauzspitze in deren After und biegt seinen Körper so,
dass die Schwanzspitze am Kopf vorbei in den After der Seewalze eindringt. Dann
wartet er, wohl damit sich die Seewalze an den Reiz gewöhnt. - Was macht die
Seewalze, damit sie sich von diesem Parasiten befreit? An ihrer verwundbarsten
Stelle, dem Hinterende, befinden sich fünf messerscharfe Kalkzähnchen, die
jeden Eindringling in die Flucht schlagen. Eine einmalige Präventivmaßnahme im
gesamten Tierreich: Zähne im Hintern.
Meine Damen
und Herren! Ich glaube, dass es dringend derartiger "Zähne im
Hintern" bedarf, um ein derartiges Verhältnis zwischen Planungsabteilungen
oder Teilen von Planungsabteilungen und Investoren zu beenden. Vielleicht hilft
dieser Untersuchungsausschuss, "Zähne im Hintern" zu produzieren. -
Danke schön. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende
GRin Josefa Tomsik: Ich danke
Herrn GR Mag Chorherr. - Zum Wort gemeldet ist nun Herr GR Mag Neuhuber.
GR Mag
Alexander Neuhuber (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!
In seltener
Einigkeit kann ich dem Herrn Bürgermeister einmal Recht geben, der gestern in
der Fragestunde gesagt hat, dass Transparenz, Kontrolle und Tempo die
wesentlichen Parameter für das Flächenwidmungsverfahren wären. Offensichtlich
waren aber diese Parameter in der Vergangenheit sehr oft nur eine
Wunschvorstellung und nur in begrenztem Maße gültig, denn sonst würden wir
heute nicht über die Einsetzung einer Untersuchungskommission sprechen.
Ich will jetzt
gar nicht auf einzelne Fälle eingehen - das wird im Laufe dieser Kommission
noch oft genug der Fall sein -, sondern auf die auch im Titel der heutigen
Aktuellen Stunde angesprochene Praxis der Flächenwidmungen.
Gehen wir
sogleich auf den ersten der vom Herrn Bürgermeister genannten Punkte ein, auf
die Transparenz.
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