Gemeinderat,
10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 56
Aussagen, die man in der letzten Zeit immer wieder hört,
eigentlich fast nicht mehr nachvollziehbar. Sollte es aber zu einer Abschöpfung
kommen, dann kann nur von einem sehr zweckwidrigen Umgang mit den Mitteln gesprochen
werden. Die steigende Arbeitslosigkeit sollte wohl Grund genug sein, um die
Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu erhöhen und notwendige arbeitsmarktpolitische
Interventionen vorzunehmen, und zwar besonders für Jugendliche, für Frauen, für
ältere ArbeitnehmerInnen und für Arbeitslose, die in konjunkturschwachen Bereichen
beschäftigt sind.
Zuständig für die Arbeitsmarktpolitik - und das ist
heute schon einige Male vorgebracht worden - sind nicht die Bundesländer,
sondern der Bund. Ihre Kolleginnen und Kollegen in dieser schwarz-blauen
Regierung bestimmen letztendlich, wie viel Geld tatsächlich zur Verfügung
steht. Ich bin wirklich verwundert über dieses plötzlich etwas aufgetaute
soziale Herz. Denn wenn wir uns ehrlich sind, hat der Bund dort schon viel zu
viel gespart. (Beifall bei der SPÖ. - GR
Dr Matthias Tschirf: Wie viel hat Edlinger an Schulden hinterlassen, wie viele
Milliarden?)
Die Länder und Gemeinden sind derzeit in der Situation,
diesem ganzen Nulldefizit-Wahn gerecht werden zu müssen, indem sie viel, viel
weniger investieren. Die Arbeitslosigkeit steigt nicht nur in Wien. Wien liegt
im Durchschnitt. (GR Dr Matthias Tschirf:
In Deutschland vor allem! - GR Dr Matthias Tschirf: Außer in Bayern!) Durchschnitt
hin oder her, jede Arbeitslose und jeder Arbeitslose in dieser Stadt ist eine
Arbeitslose oder ein Arbeitsloser zu viel. Die Arbeitsmarktkrise - und da gebe
ich Herrn Tschirf Recht - ist eine hausgemachte (GR Dr Matthias Tschirf: Richtig, in Wien!), sie hat einen Schuldigen
und dieser Schuldige ist die Bundesregierung! Sie hat der Wirtschaft eine Fülle
von Geschenken in Milliardenhöhe gemacht, aber keine neuen Arbeitsplätze geschaffen.
(Beifall bei der SPÖ. - Zwischenrufe bei
der ÖVP.)
Nehmen wir noch einmal das Beispiel der Jugendarbeitslosigkeit
her. In ganz Österreich gibt es derzeit 41 000 Jugendliche ohne Arbeit,
das sind 29 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch hier liegen wir als Wienerinnen
und Wiener wieder im Durchschnitt. (GR Dr
Helmut GÜNTHER: Wie viele gibt es in Wien?) Was tut jetzt die
Bundesregierung tatsächlich gegen diese Jugendarbeitslosigkeit? (GR Dr Matthias Tschirf: Was tut die Wiener
Landesregierung?) Tatsache ist, dass nur noch jeder fünfte Jugendliche in
ein Programm der Arbeitsmarktförderung kommt. Von wegen, die Jugend braucht
eine Zukunft - diese Regierung nimmt unserer Ansicht nach der Jugend jegliche
Chance auf eine Zukunft! (Beifall bei der
SPÖ. - Zwischenruf des GR Dr Matthias Tschirf.)
Wien hat auf diese bedrohliche Entwicklung mehrmals
hingewiesen und mittels des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds einen
Schwerpunkt gesetzt, den Schwerpunkt "Kampf der Jugendarbeitslosigkeit".
Mit diesem innovativen Instrument wollen wir es schaffen, den Jugendlichen eine
Chance zu geben. (Zwischenruf der StRin
Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer.) Der Start dieses Projekts, das Herr VBgm
Rieder in seinen Ausführungen ohnehin schon angeführt hat, wird zirka im April
erfolgen, weil jetzt noch daran gearbeitet wird, hier wirklich ein
maßgeschneidertes Maßnahmenpaket anbieten zu können. (GR Dr Matthias Tschirf: Viel zu spät!)
Für uns Wiener SozialdemokratInnen heißt Arbeitsmarktpolitik:
ausreichende Verstärkung aktiver Arbeitsmarktprogramme zur Sicherung von
Existenz, Beschäftigungsfähigkeit und Qualifikation von arbeitslosen und Arbeit
suchenden Menschen, Rechtsanspruch auf eine berufliche Qualifikation für
arbeitslose Menschen, Verbesserung des Berufsschutzes, genaue Kriterien für die
Zumutbarkeit bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen, Erhöhung des
Arbeitslosengeldes auf ein existenzsicherndes Niveau, Ausbildungsprojekte und
Auffangnetze gegen die Jugendarbeitslosigkeit sowie Weiterentwicklung der
Arbeitsmarktpolitik für Frauen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Aber schauen wir uns die Fakten noch einmal an, die
heute aus den verschiedensten Perspektiven hier immer wieder dargelegt worden
sind. Zu Jahresende 2001 gab es in Österreich knapp 600 Arbeitsplätze weniger
als ein Jahr davor, 2002 wird von den WirtschaftsforscherInnen sogar noch ein
Rückgang an Arbeitsplätzen erwartet. Österreich weist das zweitniedrigste
Wirtschaftswachstum innerhalb der EU auf, und - wie heute schon einmal gesagt
worden ist - beim Einkommenszuwachs besetzt Österreich sogar die letzte Stelle.
(Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Die EU-Kommission hat 2002 einen höheren Anstieg der
Arbeitslosigkeit errechnet; er soll sogar höher sein als in den meisten anderen
EU-Ländern. Andere EU-Länder bekämpfen ihre Arbeitslosigkeit mit Wirtschafts-
und Wachstumsimpulsen, öffentlichen Investitionen und Steuerentlastungen. (GR
Rudolf Klucsarits: Wer hat das niedrigste ... ? - GR Gerhard Pfeiffer: Die
Genossen in Deutschland!) In Österreich hingegen verharrt die Bundesregierung
in ihrem Nulldefizit-Wahn. Anstatt auf die Rezession und die Arbeitslosigkeit
zu reagieren, passiert hier de facto nichts. (GR Dr Matthias Tschirf: Wer schafft es in Bayern? Schröder hat versagt!)
Aktive Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hat aus unserer Sicht, im Gegensatz
zu den Aussagen der Bundesregierung, mit Schuldenmachen nichts zu tun. (GR Johannes Prochaska: Sie wissen ja gar
nichts vom Schuldenmachen!)
Die SPÖ fordert eine Steuersenkung, um damit Wachstum
und Beschäftigung wieder in Fluss zu bekommen. (GR Christian Oxonitsch - in Richtung ÖVP -: Warum steigen denn die
Schulden bei euch? - GR Johannes Prochaska: Schulden muss man zurückzahlen!) Es
bedarf aus unserer Sicht einer sehr deutlichen Entlastung der kleinen bis
mittleren Einkommen. An Stelle einer Lohnnebenkostensenkung für die Wirtschaft
fordern wir eine Senkung der Lohnsteuer für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in diesem Land. (Beifall bei
der SPÖ. - Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Sie fordern ein Programm und im Gegensatz zur
Bundesregierung haben wir hier in Wien ein Programm. Wir SozialdemokratInnen
hier in Wien haben bewiesen,
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