Gemeinderat,
10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 56
letzte Stelle einnimmt. Daher trifft jetzt natürlich, wo ein
Konjunkturtief ist, speziell dieses Problem auch wiederum den Wiener
Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote ist sehr hoch: ungefähr 86 000
Arbeitslose und da vor allem auch besonders die Jugendarbeitslosigkeit. Da
genügt es nicht, dass man richtigerweise, so wie es der Herr Finanzstadtrat
sagt, feststellt, dass die Jugendarbeitslosigkeit eben etwas ganz, ganz
Fürchterliches ist, das ist überhaupt keine Frage, sondern man muss sie
natürlich auch bekämpfen. Da nützt es überhaupt nichts, wenn man sich hinstellt
und versucht, ein Pingpong-Spiel der Schuld und der Schuldzuweisung zwischen
Bund und Land Wien zu veranstalten.
Ich möchte sagen, dass zwar Ihr Vorschlag, dass man
den Versuch macht, den Bund nach Wien hereinzunehmen, vielleicht gelingen wird.
Vielleicht ist das auch ein Ansatz zu einem positiven Schritt. Aber man muss
auch unabhängig vom Bund mit seinen eigenen Instrumenten versuchen, diese
besonders herausragenden negativen Zahlen wie bei der Jugendarbeitslosigkeit,
bei der Frauenarbeitslosigkeit, zu bekämpfen.
Aber dazu gehört auch eine Wirtschaftsstruktur und
eine Entwicklung der Wirtschaft, die nicht so negativ ist wie die, die in den
letzten Jahren leider bei der Wiener Wirtschaft zu beobachten ist. Da ist es
einfach so, dass die Insolvenzen nach wie vor sehr Besorgnis erregend sind und
das Wirtschaftswachstum am schwächsten ist, dass auf dem Gebiet der Lehrlingsstellen
auch eine negative Tendenz ist, dass die Abwanderungstendenzen der Wiener Betriebe
nach wie vor sehr hoch sind und dass das Bruttoregionalprodukt hinter dem
österreichischen Durchschnitt hinterherhinkt. Daher hat sich der
Wirtschaftsstandort Wien in den letzten Jahren, und das ist keine Entwicklung,
die sich jetzt auf 2001, 2002 beschränkt, sondern das geht seit Mitte der
Neunzigerjahre so, sehr verschlechtert.
Ich weiß schon, die nachfolgenden Redner der Sozialdemokraten
werden versuchen, das schönzureden. Sie werden es abstreiten. Es wird hart am
Rande der Wahrheit argumentiert und es wird gesund gebetet. Aber es ist leider
so, dass das von Ihnen programmierte, sozialistische Gegenmodell in
Wirklichkeit kein Gegenmodell ist, sondern Wien letztlich zum Schlusslicht insgesamt
aller Bundesländer, wenn man alle Faktoren hernimmt, gemacht hat, weil sich
eben der Wirtschaftsstandort seit Jahren schlechter entwickelt, als der
Österreichdurchschnitt. Es war zu beobachten und zu registrieren, und darauf haben
wir auch immer wieder hingewiesen, dass der Wirtschaftsstandort Wien in Aufschwungphasen
langsamer gewachsen ist und wenn dann eine Abschwungphase kommt, dann trifft
diese Flaute und die davon ausgehenden negativen Impulse natürlich Wien mit
diesen strukturellen Problemen besonders stark.
Man kann nicht daran vorübergehen, dass seit den
Siebzigerjahren in Wien über 100 000 Arbeitsplätze in Gewerbe und
Industrie verloren gegangen sind und dass zwischen 1997 und 2001 netto
20 000 Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Die Wiener Betriebe haben bei
den Abwanderungstendenzen seit 1997 ein Viertel der produzierenden Betriebe ins
Umland verloren. Die Zahl ist von 1 117 auf 812 zurückgegangen. Das hat
natürlich alles seine Auswirkungen. Nur, es ist nicht das Instrumentarium dafür
entwickelt worden, um dem gegenüber zu treten und diese Entwicklungen zu
bremsen.
Wenn der Herr Finanzstadtrat heute beziehungsweise
schon gestern versucht hat, ein Konjunkturpaket zu präsentieren, dann kann ich
eigentlich nur sagen, dass ihm das nicht gelungen ist. Das ist maximal ein
Konjunkturkuvert geworden, weil es so dünn ist. (GR Johann Driemer: So wie die Bundesregierung! - GR Franz Ekkamp: Ja,
Steuererhöhungen! Steuererhöhungen!) Nein, da kommen wir gleich dazu, Herr
Kollege Driemer. Sie als Gewerkschafter müssen eigentlich froh sein, was da für
ein Volumen von Seiten der Bundesregierung jetzt zur Bekämpfung der Flaute hier
in Österreich investiert werden wird. (Beifall
bei der FPÖ.)
Aber ich komme dann noch darauf zu sprechen, weil es
auch notwendig ist, damit man auch hier klar sieht. Es ist also so, dass dieses
sozialistische Gegenmodell, das von den Wiener Sozialdemokraten versucht wurde
aufzubauen, leider Gottes nicht gelungen ist. Ich sage jetzt deshalb leider
Gottes, weil natürlich uns das als Wiener auch sehr Leid tut und wir bedauern,
dass es nicht erfolgreich war und wir uns auch nicht von internationalen
Entwicklungen abkoppeln konnten. Das sei unbestritten. (GR Franz Ekkamp: Das haben Sie vor zwei Jahren nicht gesagt!) Aber
auch innerhalb unseres Landes konnten wir eben leider viele positive
Entwicklungen nicht mitmachen. (GR Franz
Ekkamp: Das haben Sie aber vor zwei Jahren nicht gesagt, Herr Kollege!)
Es ist Ihnen nicht gelungen, die Langzeitarbeitslosigkeit
in den Griff zu bekommen. Auch Ihre Initiative des regionalen
Beschäftigungspakts im Hinblick auf die Erhöhung der Lehrstellen ist letztlich
misslungen. In anderen Bundesländern wurden tatsächlich in wesentlichem Umfang
neue Lehrstellen geschaffen. Bei uns ist das leider nicht zu registrieren
gewesen.
Wir werden heute noch einen Antrag für eine flexiblere
Gestaltung der Förderung der Lehrlingsausbildung, und das ist ein ganz
wichtiger Ansatz, einbringen. Einen Antrag, der in Oberösterreich jetzt
einstimmig verabschiedet wurde und schon umgesetzt wird. Ich hoffe, Sie werden
dem positiv gegenüber stehen und dem auch beitreten. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn der Herr Bürgermeister, wie ich vorhin schon
erwähnt habe, auf einmal die USA als ein Beispiel hinstellt, woran wir uns
orientieren sollen, dann möchte ich neben den grundsätzlichen Bedenken auch der
Gesamtgestaltung nur darauf hinweisen und hoffen, dass die Sozialdemokraten,
die ja jetzt absolut in Wien regieren, diesen Gedankengängen nicht folgen, weil
es sicher das Schlechteste wäre, wenn wir uns zum Beispiel auch an den sozialen
Gegebenheiten und der sozialen Lage in den USA auch nur irgendwie orientieren
müssen: An der hohen Zahl der Obdachlosen, an der medizinischen Unterversorgung
in den USA, an der Arbeitnehmerpolitik, an den völlig fehlenden
Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Man könnte die Liste noch vielfach fortsetzen.
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular