Gemeinderat,
8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 99
österreichischen Literatur aufzubauen und zum anderen diese
Datensammlung auch einer möglichst großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Das geschieht auch mit Hilfe von Veranstaltungen, zum Beispiel dem
Erich-Fried-Symposium, das heuer zum siebenten Mal stattfindet und das auch
mit, wenngleich auch geringerer, finanzieller Unterstützung von Seiten des
Bundes durchgeführt wird. Der zu vergebende Erich-Fried-Preis beispielsweise
wird am kommenden Sonntag von einem Mitglied der Bundesregierung vergeben und
nicht von einem Mitglied der Stadtregierung. Ich sage das nur deshalb, damit
nicht der Eindruck entsteht, es geht um eine Ambition, die nur von
Sozialdemokraten getragen wird.
Erich Fried und das, was auch unter seinem Namen
geschieht, auch unter seinem Schaffen, hat auch Bezugspunkte in die Gegenwart,
ist sehr breit, wenn man so will, in künstlerischen, aber auch politischen
Kreisen anerkannt und akzeptiert.
Das Erich-Fried-Symposium hat sich vorgenommen, in
auch methodisch sehr unterschiedlichen Formen zu arbeiten. Ich glaube, Herr Mag
Ebinger, Sie haben das gesehen, das Programm ist sehr breit gestreut. Es gibt
eine Reihe von Vorträgen, aber auch Arbeitsgruppen, die sich zum Ziel gesetzt
haben, zum Beispiel Schulklassen einzubeziehen. Vor allem Freitag und Samstag
sind gezielt Schülerinnen und Schüler eingeladen, um sich an den Diskussionen
zu beteiligen und an Themen mitzuwirken, die auch aus literaturhistorischer
Sicht interessant sind.
Zum anderen hat sich das Erich-Fried-Symposium von
Beginn an immer vorgenommen, auch ein Transmissionsriemen zwischen der
Literaturwissenschaft auf der einen Seite, auch den Literaturschaffenden, und
der Öffentlichkeit, den Medien auf der anderen Seite zu sein und Themen zu
diskutieren, die nicht nur im Werk von Erich Fried zu finden sind, sondern die,
wenn man so will, auch weiterentwickelt werden, wenn man so will, was Erich
Fried zu heutigen Themen sagen würde. So gestaltet sich das auch beim
siebenten, beim heurigen Erich-Fried-Symposium.
Erich Fried hat ein sehr breites Schaffen
vorzuweisen. Er ist nicht nur ein sehr anerkannter Lyriker, der sich zu
wichtigen, auch tagespolitischen Themen geäußert hat, die heute noch aktuell
sind. Ich denke beispielsweise nur an den Nahostkonflikt oder auch die Frage,
inwieweit man mit kriegerischen Auseinandersetzungen politische Spannungen
lösen kann. Erich Fried hat sich damals gezielt zum Vietnamkrieg geäußert.
Diese Frage beschäftigt uns aber auch heute, wenn wir beispielsweise die
Situation in Afghanistan und die Bekämpfung des internationalen Terrors und die
damit verbundene Diskussion beobachten, die in den Medien geführt wird.
Erich Fried war aber auch ein wichtiger und
bedeutender Übersetzer. Er hat eine Reihe von Übertragungen von bedeutenden
Englisch sprechenden Autoren vorgenommen, von Shakespeare, von T. S. Elliot,
Dillon Thomas und vielen anderen mehr. Das musste Erich Fried auch deshalb
können, weil er vor den Nazis geflüchtet ist und sich in seiner neuen Heimat
Großbritannien eine neue Existenz als Übersetzer aufgebaut hat.
Erich Fried hat sich auch mit der Situation in Europa
beschäftigt, mit dem Kalten Krieg, mit der Auseinandersetzung unterschiedlicher
politischer Blöcke in Europa. Auch das ist ein Thema, das nach wie vor sehr
aktuell ist, wenn man bedenkt, dass wir gerade jetzt die Mauern und die Blöcke
in manchen Köpfen überwinden müssen, wenn es beispielsweise um die Erweiterung
der Europäischen Union geht.
Das heißt abschließend, wir beschließen heute nicht
eine Subvention für Erich Fried und wir beschließen auch nicht eine
Unterstützung für einzelne Vorstandsmitglieder der Erich-Fried-Gesellschaft,
schon gar nicht für jene, die schon verstorben sind, sondern wir beschließen
heute eine Subvention und eine Unterstützung, die ein international anerkanntes
Symposium ermöglicht, ein Symposium, an dem auch sehr viele Emigranten
teilnehmen. Wenn ich mir das Programm ansehe, Kollege Ebinger, sehe ich, dass
auch sehr viele jüdische Österreicherinnen und Österreicher aufscheinen, die
als Übersetzer, als Literaten, als Schriftstellerinnen und Schriftsteller tätig
waren und die in dieser Zeit verfolgt wurden. Nur ein kurzer Ausschnitt: Jeremy
Adler aus London, Stefan Moses aus Jerusalem, Arno Lustig aus Frankfurt, Gilda
Lustig aus Paris oder beispielsweise Lenka Reinorova aus Prag. Das wissen
vielleicht die wenigsten, sie war beispielsweise noch Mitarbeiterin von Egon
Erwin Kisch in Mexiko. Also solche historische Persönlichkeiten sind beim
Erich-Fried-Symposium vertreten.
Ich denke, dass das aus mehreren Gründen interessant
ist. Zum einen sind das Menschen, die zum Teil in einem Alter sind, die nicht
mehr oft nach Wien und nach Österreich kommen können, und das ist eine gute
Gelegenheit, historische Brücken zu bauen. Es ist aber auch eine gute
Möglichkeit, generationsübergreifend zu arbeiten. Das ist auch ein Anspruch,
den das Erich-Fried-Symposium hat, Generationen zusammenzuführen, die auf Grund
der Emigration diese Gespräche nicht führen konnten.
Darum geht es beim vorliegenden Akt, wie gesagt,
nicht um die finanzielle Unterstützung von noch lebenden oder schon
verstorbenen Vorstandsmitgliedern der Erich-Fried-Gesellschaft, sondern um die
Unterstützung eines international anerkannten literarischen Symposiums. Wir
werden zu dieser Subvention offenen Herzens Ja sagen. Ich persönlich freue mich
schon mit großem Interesse auf die Eröffnung des Erich-Fried-Symposiums, das
morgen, am Donnerstag im Literaturhaus stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet.
Die Frau Berichterstatterin verzichtet auf das
Schlusswort.
Wir kommen nun zur Abstimmung.
Ein Abänderungsantrag wurde nicht gestellt.
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