Gemeinderat,
8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 99
im Gesamtsinn
erzielen kann, als wenn man dieser Entwicklung ganz bewusst und offensiv
entgegentritt und beschäftigungsschaffende Maßnahmen setzt, so wie das in Wien
zum Beispiel der Fall ist.
Und so
nebenbei möchte ich nur sagen: Ich habe mir das auch angeschaut, wie die
Jugendarbeitslosigkeit im Bundesländervergleich aussieht. Hier ist Wien mit
11,4 Prozent einsamer Spitzenreiter!
Meine Damen
und Herren! Ich darf Sie darüber informieren, dass alle anderen Bundesländer
sich beim Anteil der Jugendarbeitslosigkeit in den Größenordnungen zwischen
16,4 und 22,1 Prozent bewegen, also dramatisch höher. Das Kärntner Modell,
so nebenbei, liegt da bei 19,4 Prozent, ist also auch kein berauschend
beeindruckendes Vorbild von erfolgreicher Arbeitsmarktpolitik im Jugendbereich.
So schön das
ist, dass auf unsere Initiative, dieses Thema aufzugreifen, reagiert worden
ist, so traurig ist es doch auch, feststellen zu müssen, dass die Maßnahmen im
Jugendausbildungssicherungsgesetz sehr halbherzig angegangen worden sind.
Jetzt
abgesehen davon, dass die Maßnahmen eindeutig zu spät kommen, haben wir in Wien
ja bereits 1999 sehr eindrucksvoll gezeigt, dass man auch mit
außerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen, nämlich mit den so genannten
Lehrlingsstiftungen, jungen Menschen eine Ausbildung geben kann, die eine
hervorragende Voraussetzung dafür bieten, nach erfolgter Ausbildung =
Lehrabschlussprüfung, eine anerkannte Ausbildung, dann auf Arbeitsplatzsuche zu
gehen und auch einen Arbeitsplatz zu finden. Genau diese Lehrlingsstiftungen
werden aber im Jugendausbildungssicherungsgesetz definitiv nicht ermöglicht.
Was ermöglicht
wird, sind Ausbildungslehrgänge, also Überbrückungslehrgänge, die zwar den
Vorteil haben, dass sie die Jugendlichen im Augenblick nicht sich selbst
überlassen, aber den Nachteil haben, dass sie ihnen keine formal abgeschlossene
Berufsausbildung vermitteln, was bedeutet, dass am Ende dieser
Überbrückungsmaßnahme der Jugendliche gleich unqualifiziert wie vorher auf den
Arbeitsmarkt strömt und die entsprechenden Schwierigkeiten bei der
Arbeitsplatzsuche zu erwarten hat.
Da denkt man
sich: Wenn jetzt Mittel eingesetzt werden, warum dann so halbherzig? - Ich habe
mich an eine Ausgabe der ÖVP-Monatsblätter erinnert, nicht allzu lange zurück.
Das ist eine monatlich erscheinende, glaube ich, Postille, wo jene, die sich im
ÖVP-Bereich als Vordenker oder Intellektuelle wähnen, theoretische Beiträge
über politische Visionen abliefern. Da fand ich in diesen ÖVP-Monatsblättern in
einem Artikel unter der Überschrift "Sozialpartnerschaft ade" so
einen euphorischen Kommentar, der sagt: Wunderbar, das Ziel Sozialpartnerschaft
ist ein historisch antiquiertes Ziel. Wir müssen eine Sockelarbeitslosigkeit
aufbauen, weil das einen disziplinierenden Effekt für die Beschäftigten hat,
lohndrückende Wirkung hat und die Wirtschaft wunderbar flexibilisieren wird,
weil die Menschen dann gezwungen sein werden, so wie in anderen Ländern
bereits, drei Jobs gleichzeitig anzunehmen, um ihren Unterhalt zu sichern.
Mein Damen und
Herren! Wenn das wirklich das Ziel ist, dann sage ich, das ist keine
verantwortungsvolle ...
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer (unterbrechend): Norbert, bitte das
Finale.
GR Norbert Scheed (fortsetzend): Letzter Satz?
... dann ist
das keine verantwortungsvolle Politik, sondern das ist eine Politik, die der
Herrschaft der Gier folgt! Das ist eine Politik, die zutiefst abzulehnen ist!
Wien hat durch
den vom Bürgermeister eingerichteten Wiener Arbeitnehmer-Förderungsfonds
bewiesen, das richtige Instrument zur richtigen Zeit eingesetzt zu haben. Die
objektiven Zahlen geben uns Recht.
Wien steht
nicht für eine Politik des wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen
Zynismus, sondern Wien steht für eine Politik, wo es um den Wert des Menschen
geht und nicht um seine Verwertbarkeit! (Beifall
bei der SPÖ.)
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer: Als Nächste
ist Frau GRin Dr Vana zum Wort gemeldet. Ich darf darauf hinweisen:
5 Minuten. (GRin Dr Monika Vana hat
Probleme mit dem Rednerpult.) Das hängt wieder. - Frau Dr Vana, lassen Sie
sich bitte vom Rotlicht nicht irritieren.
GRin Dr Monika
Vana (Grüner Klub im Rathaus): Wann krieg' ich denn grünes Licht? - Das
würde mir besser gefallen.
Ich gebe
meinem Vorredner Kollegen Scheed Recht. Die Arbeitsmarktdaten vom Oktober sind
erschütternd. Wir haben einen dramatischen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit. Allein
im letzten Monat ist die Zahl der Lehrstellensuchenden über 5 000
Personen, über 20 Prozent gestiegen. Wien ist von dem Lehrstellenmangel
besonders akut betroffen. Wir haben die Höchstzahl aller Lehrstellensuchenden
in ganz Österreich. Im August und September waren wir absoluter Spitzenreiter.
Jetzt sind wir zumindest auf dem 3. Platz hinter Niederösterreich und
Steiermark.
Das mangelnde
Lehrstellenangebot führt unter anderem dazu, dass Jugendliche keine
ausreichenden Ausbildungsmöglichkeiten mehr haben, in eine Warteschleife
geraten und im besten Fall in Maßnahmen zwischengeparkt werden, so lange es sie
noch gibt, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Denn was tun
Sie gegen diesen dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und gegen den
Lehrstellenmangel? - Statt aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben und
gegenzusteuern und auch die strukturellen Defizite des Arbeitsmarkts anzugehen,
streichen Sie wertvolle arbeitsmarkt- und bildungspolitische Maßnahmen, wie zum
Beispiel das Auffangnetz für Jugendliche, wie wir wissen, das eine große Lücke
auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt. Sie streichen das Weiterbildungsangebot nach
der Karenz und ziehen sich aus der Arbeitsmarktpolitik völlig zurück,
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular