Gemeinderat,
8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 99
Wir kommen nun zur
Aktuellen Stunde (PrZ 6/AG/01).
Der Klub der
Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats hat eine
Aktuelle Stunde mit dem Thema "Über 32 000 Jugendliche in Österreich
joblos - Bundesregierung gefährdet Zukunftschancen einer Generation"
verlangt. Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs. 2 der Geschäftsordnung
ordnungsgemäß beantragt.
Ich bitte den
Erstredner, Herrn GR Scheed, die Aktuelle Stunde zu eröffnen, wobei ich
bemerke, dass seine Redezeit mit 10 Minuten beschränkt ist. - Bitte, Herr
GR Scheed.
GR Norbert Scheed (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats):
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte Sie
ersuchen, sich so ein bisschen von der Dynamik der vorangegangenen Fragestunde
zu befreien und sich einen Augenblick sehr bewusst auf das Thema dieser
Aktuellen Stunde einzulassen.
Wir haben zwei
Tage Budgetdebatte hinter uns und naturgemäß gibt es in so einer Debatte eine
Vielzahl an Zahlen, auch den einen oder anderen Anlass, sich auf Ebene
parteipolitischer Auseinandersetzungen Wortgefechte zu liefern.
Meine Damen
und Herren, hier bei diesem Thema ist das nicht angebracht. Es handelt sich um
eine Zahl, deren Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann. Es handelt sich
um über 32 000 junge Menschen, 32 000-mal ein Leben mit Chancen,
Hoffnungen, Erwartungen, 32 000-mal ein Leben, wo jemand die Erfahrung
macht, dass er sich nach seiner schulischen Ausbildung die Frage stellen muss,
ob er als Mensch in dieser Gesellschaft von dieser Gesellschaft Chancen
bekommt, gebraucht wird, eingebunden wird in ein sinnerfülltes Leben. Es geht
bei diesem Thema um Einzelschicksale und daher, glaube ich, ist es sehr
wichtig, sich sehr sorgsam mit dieser Frage zu beschäftigen.
Ich habe das
in der Vorbereitung auf diesen Redebeitrag auch versucht zu tun und habe mir
sehr genau angesehen, unter welchen Bedingungen es zu dieser Situation gekommen
ist, kommen konnte, und wie auch von verantwortlicher Seite auf diese Situation
reagiert wird. Diese über 32 000 jungen Arbeitslosen sind nicht plötzlich
entstanden, die sind keine Überraschung, sondern sie sind - und ich habe mir
dazu von der Synthesis Forschungsgesellschaft die aktuelle Untersuchung über
die Ursachen dieser Jugendarbeitslosigkeit beschafft - erste sichtbare Auswirkungen
einer an neuen Prämissen ausgerichteten Wirtschaftspolitik einer
Bundesregierung, der es offensichtlich um andere Primärziele geht, als um die
Sicherung der Vollbeschäftigung und die Interessen der jungen Menschen in
diesem Land.
Seit Mai ist
ein dramatisches Ansteigen der Arbeitslosigkeit in diesem Bereich
festzustellen. Seit Mai wurde seitens des zuständigen Bundesministers für
Arbeit und Wirtschaft nicht reagiert und seit diese Aktuelle Stunde bekannt
ist, überschlagen sich die Ereignisse und es wirft ein bezeichnendes Licht auf
den Zugang der Verantwortungsträger zu dieser Thematik.
Ich habe hier
an dieser Stelle schon einmal auf die Milliarden Abschöpfungen der Bundesregierung
aus dem Arbeitslosenversicherungsbudget hingewiesen zu Zwecken der
Budgetkonsolidierung und der Erreichung des ideologisch formulierten
Nulldefizits. In der Tat ist es so, dass im nächsten Jahr dem Arbeitsmarktservice
im operativen Bereich 641 Millionen weniger zur Verfügung gestanden wären,
also gerade zu einer Zeit, wo es darum geht, aktive Arbeitsmarktpolitik einzusetzen,
Offensivstrategien zu fahren - ich rede jetzt noch gar nicht von der wirtschaftspolitischen
Seite, wo es darum ginge, gerade jetzt Infrastrukturinvestitionen mit hohen
Beschäftigungseffekten zu setzen -, und gerade in diesem Augenblick kommt
plötzlich der zuständige Minister zur Erkenntnis, dass er hier ein Thema
präsentiert bekommt, mit dem er politisch nicht gewinnen kann. Plötzlich überschlagen
sich im Halbstundentakt die Neuigkeiten aus dem Ressort. Plötzlich gibt es eine
Zusage, 650 Millionen zusätzlich, es wird abgedeckt. Der Bund nimmt seine
Ausfallhaftung für das AMS-Budget wahr. Vorgestern hat es noch geheißen und
konnte man davon ausgehen, dass das AMS Wien konkret mit 100 Millionen im
Minus betroffen sein wird. Gestern Nachmittag kommt die Nachricht: Nein, nein,
es werden sogar 100 Millionen mehr sein!
Erfolgreich so
eine Aktuelle Stunde, wenn man sie zum richtigen Thema ansetzt. Abgeschlossen
wurde ein Jugendausbildungssicherungsgesetz und plötzlich kommt da noch so als
Draufgabe dazu, na zusätzlich zu all dem kommen noch 500 Millionen, und
dann ist man bass erstaunt und sagt, jetzt Moment einmal, da kann doch was
nicht stimmen. Na, dann schaut man nach und entdeckt dann, dass von
500 Millionen die Rede ist, die aus ESF-Mitteln, also aus dem Europäischen
Sozialfonds kommen sollen. Da ist es natürlich so, dass jeder, der sich mit
Arbeitsmarktpolitik auch nur ein bisschen beschäftigt, weiß, dass man in fünf
Wochen keine 500 Millionen über ESF-Projekte aufstellen kann. Das heißt,
festzustellen ist, dass es in der Regierungspolitik jetzt eine Mischung aus Schadensminimierung
auf der einen Seite und politischer Placebos auf der anderen Seite gibt, die in
die Welt gesetzt werden, um zu versuchen, der Dramatik dieser Situation und
dieses Themas den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Zu welchen Schlüssen
kommt Synthesis in der Untersuchung nach den Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit?
- Es ist genau jener Prozess, der immer und immer wieder schon in die
Diskussion eingebracht worden ist, dass es der falsche Weg ist zu glauben, dass
man unter einem falsch verstandenen Spargedanken, wo man die Investitionen
zurücknimmt, damit in Wirklichkeit zwingend Arbeitslosigkeit produziert, unter
dem Strich bessere Resultate volkswirtschaftlich
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