Gemeinderat,
7. Sitzung vom 20.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 125
Die letzte
spektakuläre Aktion war der Brand der Sofiensäle. Es ist nicht selbstverständlich,
dass sich das Feuer nicht weiter ausgebreitet hat. Hier haben die Wiener
Feuerwehrleute wieder einmal ihre ausgezeichnete Ausbildung und ihren vorbildlichen
Einsatz unter Beweis gestellt. Deshalb auch an dieser Stelle ein kräftiges
Dankeschön für Wiens zuverlässige Feuerwehr. (Beifall bei der SPÖ und der amtsf StRin Mag Renate Brauner.)
Sie haben ja
auch ihr Herz am rechten Fleck. Sie haben für die Kinder und Witwen ihrer
Berufskollegen in New York fleißig gespendet und Spenden gesammelt.
Unsere
Feuerwerker haben aber auch ein anderes Zeichen gesetzt. Die Gesamteinnahmen
des dritten Tages des jährlichen Feuerwehrfests im September wurden dem
Integrationshaus in Wien gespendet. Damit beweisen sie auch, dass sie für
Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit nichts übrig haben. Hier könnten sich
viele, die von Großzügigkeit, Toleranz und Menschenwürde reden, ein Beispiel
nehmen. Reden ist wichtig, keine Frage, aber noch wichtiger ist Handeln, und
das tun unsere Feuerwehrleute.
Sehr geehrte
Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in der Unangenehmes behübscht wird,
indem es mit wohlklingenden Worten versehen wird. Arbeitnehmer werden nicht
mehr entlassen oder gekündigt, sondern freigestellt. Drohende Verluste
börsennotierter Unternehmen werden als Gewinnwarnung dargestellt und die
momentane wirtschaftliche Rezession wird Abflachung der Konjunktur genannt. Das
ist vielleicht nett für eine Arbeiterin, wenn sie im Zuge einer
Redimensionierung ihres Betriebes abgebaut wird; es ändert aber nichts an der
Tatsache, dass sie schlichtweg gefeuert wird. Eine positive Konnotation
schaffen, nennen das die Wirtschaftspsychologen.
Warum gehe ich
auf diesen merkwürdigen Trend ein? - Weil die blau-schwarze Bundesregierung
diese Entwicklung auf eine denkwürdige Art auf die Spitze treibt.
Das vom
Finanzminister verkündete Nulldefizit ist ja nur ein Beispiel dafür, obwohl wir
alle wissen, dass der Bund heuer 20 Milliarden S neue Schulden gemacht
hat, die von den Ländern mittels Überschüssen abgedeckt werden.
Das ist aber
noch gar nichts gegen den blau-schwarzen Integrationsvertrag. Verehrte Damen
und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Integration" ist ein
sehr schönes und harmonisches Wort. Es hat mit dem Begriff "integer"
und mit dem Lateinischen "ratio", "Vernunft", zu tun.
Leider aber hat der Integrationsvertrag der Bundesregierung mit integer oder
mit Verstand genauso wenig zu tun, wie die FPÖ mit Regierungsfähigkeit, nämlich
nichts. (Beifall bei der SPÖ.)
Diesem Vertrag
fehlt erstens die Grundlage jeden Vertrags, nämlich Rechte und Pflichten. In
Wirklichkeit bürdet er den ausländischen Staatsbürgern in Österreich ausschließlich
Pflichten auf. Ich meine, einfacher und ehrlicher wäre es von dieser Bundesregierung
gewesen, den Inhalt des Vertrags auf zwei Worte zu verkürzen, nämlich
"schleicht euch".
Und das
Machwerk selbst hätte man aufrichtigerweise nennen sollen "Ausländer-raus-Memorandum"
oder "Bleibt-daham-Dekret".
Es wäre nur
gerecht, dass diese von Menschenfeindlichkeit strotzende Regelung irgendwann
einmal denen auf den Kopf fällt, die sie erfunden haben.
Sehr geehrte
Damen und Herren! Wien ist anders. Wir setzen auf das Miteinander und wir
setzen auf Freiwilligkeit. Uns braucht die Bundesregierung nichts vorzumachen.
Wir wissen, wie man funktionierende Integrationspolitik betreibt. Der Beweis
sind die Zustände in anderen Millionenstädten. Gettos und Slums sind ebenso
Realität, wie fehlende Sicherheit in diesen anderen Millionenstädten. Dass das
bei uns nicht so ist, ist das Ergebnis harter, mühevoller Arbeit und einer
Politik, die auf das Miteinander setzt.
Mehr als
23 000 Migrantinnen und Migranten haben in den letzten vier Jahren an den
Deutschkursen des Wiener Integrationsfonds teilgenommen, und zwar freiwillig,
denn die zugewanderten Menschen in Österreich wissen sehr wohl, was sie benötigen,
um hier Erfolg haben zu können.
Die
Bundesregierung setzt aber auf zwingende Deutschkurse, die sie, nämlich die
Bundesregierung, gar nicht bezahlen will. Das ist nicht nur eine staatsrechtliche
Frechheit, sondern auch völlig absurd. Mit denselben Argumenten könnte die
Regierung von jedem Linkshänder verpflichtend verlangen, dass sie sich auf
eigene Kosten auf Rechtshänder umschulen lassen, oder, was näher liegt, eine
verpflichtende Deutschprüfung für alle.
Es wäre ja nur
im Sinne des Prinzips lebensbegleitender Weiterbildung, wenn in ganz Österreich
eine Alphabetisierungskampagne gestartet wird, und zwar ebenfalls mit
verpflichtenden Deutschprüfungen. Ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer
legen, dass jeder hier in Österreich geborene Abgeordnete diese Prüfung besteht.
Faktum ist,
die FPÖ will keine Ausländer, und die ÖVP macht bei diesem Spiel trotz heftiger
Kritik ihres Wirtschaftsbunds mit. So einfach ist die Sache. Alle netten
Umschreibungen und Verschönerungen der Lage gehen aber an der Realität vorbei.
Österreich ist
für potenzielle Zuwanderer zu einem unattraktiven Land geworden. Gut
ausgebildete Zuwanderungswillige suchen sich natürlich Länder aus, in denen sie
willkommen sind. Für diese negativen Entwicklungen auf Kosten der Zukunft Österreichs
ist einzig und allein die Bundesregierung verantwortlich.
Ich will meine Rede
nicht mit trüben Aussichten beenden, die die ÖVP und FPÖ auf Bundesebene bescheren,
sondern mit einem weitaus lebendigeren und angenehmen Thema: die Wiener Märkte.
Sie sind nicht nur ein bedeutender Nahversorgungsfaktor für die Bevölkerung
Wiens, sondern auch ein beliebter Treffpunkt und Kommunikationsfaktor. Bester
Beweis
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