Gemeinderat,
7. Sitzung vom 20.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 125
kurse für Tausende
von MigrantInnen vor, gepaart mit einer Reihe von Sanktionen für den Fall, dass
jemand die Kurse verweigert beziehungsweise nicht erfolgreich absolviert. Sie reduzieren
Menschen darauf, eine bestimmte Sprache zu sprechen, was in Zeiten fallender
Grenzen und globaler Mobilität völlig absurd ist, ganz abgesehen davon, dass
Sie flankierend zu diesem Integrationsvertrag, den Sie so nett "Integrationsvereinbarung"
nennen, keinerlei Schritte in Richtung effektiver Integrationspolitik, die
wirklich den Betroffenen zugute kommt, setzen.
Es gibt keine
Initiativen zum Abbau von Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Frage der
Familienzusammenführung ist weiterhin ungelöst und eine weitere Verschärfung
ist durch eine Absenkung der Quote für das Jahr 2002 zu erwarten. Von einem
"Wohnbürgerschafts"-Konzept ist nicht einmal in Ansätzen etwas zu
sehen, und auch das Antidiskriminierungsgesetz liegt auf Eis.
Noch dazu muss
ich, wenn ich mir die Vorbereitungen zu diesem Integrationsvertrag anschaue,
feststellen, dass nicht einmal noch klar ist, wer die vorgesehenen Kurse
überhaupt anbieten soll, wer sie in ausreichender Menge anbieten soll, wer sie
bezahlen soll und was mit Menschen passiert, die sich diese Kurse überhaupt
nicht leisten sollen - das war wieder ein Freud'scher Versprecher! -, nicht
leisten können. - Im Sinne der Bundesregierung wahrscheinlich: nicht leisten
sollen. (Zwischenruf des GR Gerhard
Pfeiffer.)
Dieser
Integrationsvertrag ist ein Fehlkonzept. Sie wissen das und wir haben verschiedentlich
und schon oft und nachhaltig - und werden das immer wieder tun - die Abkehr von
diesem Modell verlangt. Wir werden das auch heute tun und wir stellen daher
folgenden Beschlussantrag:
"Der Wiener
Gemeinderat fordert die Bundesregierung dazu auf, den Vorschlag für einen
Integrationsvertrag umgehend zurückzuziehen und einen ernsthaft vorbereitenden
und breit angelegten Meinungsbildungsprozess für eine sinnvolle Integrationspolitik
in Österreich anzusetzen. Dazu ist nach dem Vorbild der 'Unabhängigen
Kommission Zuwanderung', besser bekannt als 'Süssmuth-Kommission', die im
Auftrag der deutschen Regierung Vorschläge für eine Zuwanderungs- und Integrationspolitik
für die Bundesrepublik Deutschland erarbeitet hat, auch in Österreich eine
entsprechende Kommission aus ExpertInnen und PolitikerInnen einzurichten, mit
der Aufgabe, bis Ende 2002 Vorschläge für eine sinnvolle Zuwanderungs- und
Integrationspolitik in Österreich zu erarbeiten."
In formeller Hinsicht
beantragen wir die sofortige Abstimmung dieses Antrags und hoffen auf Ihre Zustimmung.
- Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender
GR Günther Reiter: Zum Wort
gemeldet ist Herr GR Dr Ulm. Ich erteile es ihm.
GR Dr Wolfgang
Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Damen und
Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin!
An der Spitze
dieser Geschäftsgruppe steht die Integration und mit der Integration möchte ich
auch beginnen - allerdings nicht mit dem noch kontrover-sielleren Thema der
Integration von Ausländern in Wien, sondern mit der Integration von Behinderten
in Wien. Es geht dabei um einen Punkt, wo Integration eigentlich leichter
erfolgen könnte, wo Integrationsmaßnahmen nur von der Gemeinde Wien abhängig
sind, wo wir nur bestimmte Auflagen erfüllen müssten und einen wesentlichen
Beitrag zur Integration leisten könnten. Ich spreche damit das
Behinderteneinstellungsgesetz und die Art und den Umfang der Erfüllung dieses
Behinderteneinstellungsgesetzes durch die Gemeinde Wien an. Leider Gottes
erfüllt die Gemeinde Wien das Einstellungserfordernis in diesem Zusammenhang
nicht, und ich glaube, dass das der richtige Zeitpunkt ist, dieses wesentliche
Problem hier vordringlich anzusprechen.
Es gibt in der
Gemeinde Wien 92 000 Bedienstete. - Das muss man sich einmal vorstellen -
keine ganz uninteressante Zahl! - Insgesamt hat Wien als Land und Gemeinde
92 340 Beschäftigte. Davon wären auf Grund des Behinderteneinstellungsgesetzes
3 606 Pflichtstellen vorgesehen; tatsächlich besetzt die Gemeinde
Wien aber nur 2 654 Stellen. Wir können daher dieses
Behinderteneinstellungsgesetz nur zu 73,6 Prozent erfüllen, was aus mehreren
Gründen traurig ist: in erster Linie traurig, was die Integration der Behinderten
betrifft, aber auch deshalb, weil wir gezwungen sind, Ausgleichstaxen in der
Höhe von vielen Millionen S zu bezahlen. Im Jahr 1997 waren es über
15 Millionen S, im Jahr 1998 über 11 Millionen S, und diese
Ausgleichstaxen werden in den Folgejahren sicherlich mehr werden, weil es der
Gemeinde Wien nicht gelungen ist, die Einstellungsquote zu erfüllen, und eine
schlechtere Einstellungsquote erzielt worden ist, als für jene Jahre, für die
die Ausgleichstaxe bereits vorgeschrieben worden ist.
Sehr geehrte
Damen und Herren von der SPÖ! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Diese mangelhafte Integration
in einem Bereich, den Sie ganz alleine erfüllen könnten, haben Sie auch ganz
alleine zu verantworten! (Beifall bei der
ÖVP.)
Aber ein noch viel
traurigeres Kapitel ist die Integration von Ausländern. Sehr geehrte Damen und
Herren von der SPÖ! Ihre Integrationspolitik ist herzlos, polemisch und
gefährlich! (Beifall bei der ÖVP.)
Nicht weniger als das! - Dass sie herzlos ist, erkennt man daran, wie Sie in
der Wohnungsfrage mit unseren ausländischen Mitbürgern umgehen. Es ist noch gar
nicht allzu lange her, da hat der Bürgermeister erklärt: Na, selbstverständlich
sind wir dazu verpflichtet, allen Wienern - seien es jetzt inländische oder
ausländische - ein menschenwürdiges Dach über dem Kopf zu ermöglichen und
sicherzustellen. - Aus unserer Forderung heraus, Gemeindewohnungen zumindest
schrittweise zu öffnen, ist das Zugeständnis gekommen, zumindest
Notstandswohnungen zur Verfügung zu stellen.
2 000 Notstandswohnungen, davon
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