Gemeinderat,
7. Sitzung vom 20.11.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 125
tive
Arbeitsmarktpolitik, die nicht nur auf konjunkturelle Schwankungen reagiert,
wie Sie es jetzt tun, sondern die vorausschaut und Probleme erkennt und
bekämpft oder zu bekämpfen versucht, bevor sie entstehen, beziehungsweise gar
nicht erst entstehen lässt - so ist der korrekte Ausdruck.
Das bringt
mich zu einem Bereich, der mir in Ihrem Budget völlig fehlt, der mir in Ihrem
Territorialen Beschäftigungspakt völlig fehlt, der mir im WAFF-Kuratorium
völlig fehlt, zu dem ich immer nur Lippenbekenntnisse höre, aber keine Taten
sehe, und das ist die Vorbereitung des Wiener Arbeitsmarkts auf die Erweiterung
der Europäischen Union. Sie reden darüber ständig - ich lese viele
Presseaussendungen, ich sehe viel fern -, Sie sprechen davon, dass man sich
vorbereiten muss, allein es passiert nichts! - Wie hat StR Rieder es gestern
ausgedrückt, als er die Bundesregierung wegen ihrer Vetopolitik kritisiert hat?
- Er hat der Bundesregierung, zu Recht natürlich, "multilinguales
Verhalten" in Sachen Erweiterung vorgeworfen. Ich werfe es auch Ihnen vor,
meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Multilinguales Verhalten in
Sachen EU-Erweiterung! Sie reden einerseits für die EU-Erweiterung, Sie sagen,
Sie können es nicht schnell genug erwarten, Sie freuen sich, das Ganze ist ein
großes Friedens- und Stabilitätsprojekt und alles ist wunderbar; aber
andererseits stimmen Sie Übergangsfristen bei Freizügigkeitsregelungen zu, Sie
stimmen einer Abschottung des Arbeitsmarkts von sieben Jahren zu, obwohl Sie
genau wissen, dass diese langen Übergangsfristen überhaupt nicht notwendig
sind. Das zeigen Ihre eigenen Studien, die Sie selbst auf Ihren eigenen
Konferenzen präsentieren, zuletzt am 8. November bei der großen "PREPARITY
- ready to enlarge"-Konferenz, wo Sie eine Studie präsentiert haben,
wonach mittlerweile all die Horrorszenarien - ich nenne sie einmal so -, die da
auch von den Freiheitlichen kolportiert werden, in Richtung Völkerwanderung
nach einem EU-Beitritt längst widerlegt sind. Die neuesten Studien zeigen:
Zirka 9 000 Menschen werden nach dem EU-Beitritt aus den fünf mittel-
und osteuropäischen Beitrittsländern nach Wien zuwandern; zirka 6 000
davon Migranten und Migrantinnen und zirka 3 000 davon Pendler und
Pendlerinnen.
Da frage ich mich, meine
Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Wo liegt das Problem in einer der
reichsten Städte der Welt, sich rechtzeitig auf diese Veränderungen am
Arbeitsmarkt vorzubereiten, statt diesen Arbeitsmarkt abzuschotten und den
Menschen damit ein Grundrecht zu nehmen: das Grundrecht auf
Personenfreizügigkeit, das seit 1957 in den Verträgen von Rom verankert ist? -
Aus Wiener Sicht und auch aus grüner Sicht gibt es dafür keinen Grund, und ich
freue mich, dass Ihr SPÖ-Europasprecher Einem und auch StR Rieder in jüngsten
Aussendungen angekündigt haben, jetzt am Arbeitsmarkt aktiv zu werden, denn man
müsse ja danach trachten - und das freut mich, weil das neu ist in Ihrer
Positionierung -, diese sieben Jahre Übergangsfrist zu verkürzen und nicht die
gesamte Übergangsfrist auszuschöpfen, und zu schauen, dass wir den Arbeitsmarkt
so vorbereiten, dass die Frist möglichst kurz ist und dass eben die Wiener
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht zu den Verlierern und Verliererinnen
der EU-Erweiterung zählen. - Da sage ich einfach: Ja, dann tun wir es doch!
Warum kündigen Sie etwas an und machen es dann nicht? - Ich finde es in Ihrem
Budget nicht, ich finde es in Ihrem Territorialen Beschäftigungspakt nicht. Ich
höre nur Ankündigungspolitik. Die Kunde hör ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube.
Deshalb
bringen wir heute den Antrag auf Umsetzung eines arbeitsmarktpolitischen
Aktionsprogramms der Stadt Wien zur Vorbereitung auf die EU-Erweiterung ein. -
Ich darf Ihnen den Antrag übergeben.
Dieser Antrag
besteht im Wesentlichen aus drei Schwerpunkten:
"Der
Magistrat der Stadt Wien möge unverzüglich mit den Vorarbeiten beginnen, damit
Wien einen grenzüberschreitenden Territorialen Beschäftigungspakt mit den an
Ostösterreich angrenzenden Regionen, insbesondere Bratislava, Sopron und Znaim,
abschließen kann."
Der zweite
Punkt ist: "Die Umsetzung von Gender Mainstreaming soll vom Magistrat der
Stadt Wien auch im Bereich der Erweiterungsvorbereitung umgesetzt werden.
Insbesondere sollen Arbeitsmarktanalysen von Branchen mit gleichzeitig hohem
Frauenanteil und hohem Migrationspotenzial, beispielsweise Gastronomie und
Handel, erstellt und grenzüberschreitende Frauennetzwerke, zum Beispiel
'Milena', verstärkt werden.
Die Ergebnisse
dieser Analysen sind bei den Qualifizierungsmaßnahmen der Stadt Wien speziell
für niedrig qualifizierte ArbeitnehmerInnen unter besonderer Berücksichtigung
atypischer und ungesicherter Beschäftigungsverhältnisse zu beachten."
Der dritte
Punkt: "Auch die Wien zur Verfügung stehenden EU-Fördermittel sollen
verstärkt zur Vorbereitung des Wiener Arbeitsmarkts auf die EU-Erweiterung
eingesetzt werden."
Ich denke mir,
meine Damen und Herren, das wäre einmal ein Zeichen verstärkter
Stadtaußenpolitik, die sich nicht nur damit befasst, die technischen
Anpassungen des Acquis communautaire in Vorbereitung auf die Erweiterung zu
unterstützen und nicht nur Kooperationen im Wirtschaftsbereich oder im
Technologiebereich eingeht, wie es die Stadt Wien derzeit tut, sondern sich
auch einmal um Bereiche kümmert, die wirklich den Betroffenen zugute kommen,
auch den betroffenen Frauen.
Ich komme zum
letzten Punkt - now to something completely different -, zur
Integrationspolitik und auch wieder zu einem Beispiel für verfehlte
Integrationspolitik, nämlich zum Integrationsvertrag.
Dieser
Integrationsvertrag, den die Bundesregierung plant, sieht bekanntlich
verpflichtende Deutsch-
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