Gemeinderat,
5. Sitzung vom 21.9.2001, Wörtliches Protokoll
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sind Dinge, die
mehrmals gesagt werden, deshalb richtig, aber ich glaube, in diesem Fall ist es
so -, der 11. September hat tatsächlich die Welt verändert. Wir alle
wissen aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht, in welche Richtung. Wir
bemerken erst heute konkret, aber noch immer nicht in den einzelnen Facetten,
die Vorzeichen einer weltweiten Entwicklung, die zweifelsohne Wien genauso wie
den Rest der Welt treffen werden.
Es sind in den
letzten Tagen viele Superlative strapaziert worden. Es war vom schlimmsten
Terroranschlag des Jahrhunderts die Rede, vom Undenkbaren, vom Unvorstellbarsten,
vom Unfassbarsten. Ich glaube, das ist nur allzu verständlich angesichts der
Bilder, die wir letztendlich alle gemeinsam gesehen haben. Wer live die
Ermordung Tausender Unschuldiger mitverfolgt, der kann nicht gefasst und ruhig
bleiben, der hat Emotion! Wir haben erkennen müssen, dass wir tatsächlich vor
einer bisher unbekannten und völlig neuen Dimension der Gewalt stehen und sind
verständlicherweise angesichts dieser Bilder über diese Terroranschläge, die so
vielen Menschen das Leben gekostet haben, die auf der ganzen Welt Trauer und
Entsetzen ausgelöst haben, die aber auch - das spüren wir bereits - Angst vor
einer völlig neuen Art der Bedrohung gemacht haben, erschüttert. Wir fühlen
hier mit den Opfern und Angehörigen!
Aber wir sind
alle auch in Sorge, welche Folgewirkungen diese entsetzliche Katastrophe haben
könnte. Es ist bei den einen vom Krieg die Rede. Es ist vom Heiligen Krieg die
Rede. Es ist von Racheakten gegen Menschen anderen Glaubens bereits die Rede,
aber auch von einer weltwirtschaftlichen Rezession. Das alles sind Dinge, von
denen wir auch in Wien betroffen sein könnten, wenn wir nicht gemeinsam die entsprechenden
Maßnahmen setzen.
Zweifelsohne
war der Dienstag der vergangenen Woche ein schwarzer Tag der Weltgeschichte. Jetzt,
elf Tage nach diesem Terror, können wir das Ausmaß der Katastrophe und die
Auswirkungen dieses Anschlags, wie ich meine, doch besser abschätzen. Es ist
die größte zivile Katastrophe der Neuzeit. Das Ausmaß der Brutalität des
Terrors ist, glaube ich, in unser aller Köpfen derart platzgreifend, dass sich
derzeit kaum Entfaltungsmöglichkeiten und andere Emotionen zulassen.
Viele, uns
vorher bedeutende Dinge, wie Konzerte, Veranstaltungen, Feste, wurden abgesagt
oder verschoben. Ich glaube, das war richtig und nahezu verständlich, weil im
Schatten dieser Tragödie unsere alltäglichen Probleme manchmal banal erscheinen.
Ich denke aber auch, dass sich inzwischen nicht nur der Staub in New York etwas
gelegt hat, auch wir sind nach dieser Schrecksekunde nun durchaus in der Lage,
gemeinsam wieder etwas klarer zu sehen. Wir sollten genau dieses klarere Sehen
auch für eine intensive Diskussion in der Zukunft nutzen.
Wir sehen die
Supermacht der Welt, die derzeit nach wie vor ratlos ist, wie sie mit dieser
Frage umgeht, aber überlegt und möglicherweise zu einem Gegenschlag ausholt.
Wir sehen auf der anderen Seite fliehende Menschen aus ihren Regionen, die
wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit möglicherweise unschuldige Opfer werden
könnten. Wir sehen Bilder von verzweifelten Menschen, die ihre Liebsten bei
diesem Terrorattentat verloren haben. Wir sehen bereits die einen oder anderen
Kriegsgewinner, die ihr eigenes Süppchen kochen. Und wir sehen letztlich auch
die Bereitschaft vieler Menschen, quer über alle Kulturen und über Nationen
hinweg, auf Seiten der Freiheit Stellung zu beziehen.
Ich glaube,
daher sollte dieser 11. September ein Tag werden, aus dem die richtigen
Lehren für die Zukunft gezogen werden. Die Lehren können nicht allein aus
militärischen Aktionen bestehen. Gewalt und militärische Aktionen - das ist
heute durchaus mehrmals gesagt worden und ich bin sehr froh darüber - können
vielleicht Anführer, Förderer von Terror schwächen oder ausschalten, können
auch Bedürfnisse nach Rache befriedigen, können aber in der Regel nicht die
Ursachen politischer Wahnvorstellungen beseitigen, die religiöse, soziale oder
politische Wurzeln haben und mit denen man anders umgehen muss! Eine Kette der
Gewalt, die droht, könnte durchaus die Sicherheit mehr gefährden als ihr nutzen.
Ich glaube, wir brauchen dringend ein Umdenken in der Sicherheitspolitik, damit
diesen geänderten Bedrohungsszenarien Rechnungen getragen oder begegnet werden
kann, denn was in den USA geschehen ist, das kann auch an anderen Orten der
Welt, in anderen Zentren politischer, militärischer, wirtschaftlicher Macht
letztendlich geschehen.
Zu einer neuen
Gesamtstrategie gegen den Terror, der neue Größenordnungen erreicht und neue
Bedrohungen geschaffen hat, gehört auch die intensive Erforschung der Ursachen.
Darin liegt, wie ich meine, noch ein weites Feld vor uns. Es liegt vor uns das
Feld der Finanzierung des Terrors, aber auch die vielfältigen Möglichkeiten zum
Abbau von Konflikten. Hier könnte, glaube ich, Österreich durchaus an eine sehr
gute Tradition einer aktiven Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik
anschließen und einen wichtigen und wesentlichen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis,
zur größeren Toleranz und zum Abbau von Gewalt und Gewaltbereitschaft leisten.
An erster Stelle
sollte hier auch innenpolitisch nicht eine rüstungspolitische Debatte stehen,
denn es war - wir sollten uns dessen bewusst sein - die militärisch mächtigste
Nation der Welt, die sich gegen diese Art von Terror verwundbar gezeigt hat. Es
sind hier eine Vielzahl von Maßnahmen notwendig. Ich glaube auch, dass die
Antwort für uns nicht darin bestehen kann, ungefragt die Neutralität aufzugeben
und sich letztendlich einem Militärbündnis anzuschließen. Es ist richtig und es
ist heute auch richtigerweise schon mehrmals gesagt worden, gegenüber dem
Terror sind wir nicht neutral. Aber ob wir besser geschützt sind auf der einen
Seite und ob unser aktiver Beitrag hier
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