Gemeinderat,
4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Mahnmal, sie gehen herum, sie gehen in das Museum hinein und
auf einmal spürt man, welche Ausstrahlung dieser Platz für diese Menschen hat,
von der ich hoffe, dass sie weitergegeben wird, damit für lange Zeit ein
solches Mahnmal ein Mahnmal des Nachdenkens und des Miteinander-ins-Gespräch-Kommens
bleibt.
Das ist geglückt. Dieser Platz vermittelt auch in der
Zusammensetzung der einzelnen Elemente bis hin zur Fußgängerzone diese
Botschaft des Nie-mehr-wieder, die dort vermittelt werden sollte.
Wiesenthal
hat einmal als das größte Anliegen all dieser Überlegungen das Geringerwerden
der Zahl der Gleichgültigen bezeichnet. Da freut es mich - und da komme ich zu
dem, was ich vorher gesagt habe -, dass ich jetzt mit Datum vom 18. Juni
von Dr Lohrmann und von Dr Kienzl eine Umfrage zum Antisemitismus in Österreich
mit dem Grundtenor bekommen habe, dass antisemitische Einstellungen eine rückläufige
Tendenz haben. Jugendliche stehen der Vergangenheitsbewältigung aufgeschlossen
gegenüber.
Meine Damen und Herren! Waren es 1991 noch
24 Prozent - also rund ein Viertel der Bevölkerung -, die dem Satz
"Es wäre für Österreich besser, keine Juden im Land zu haben."
zugestimmt haben, so waren es im April 2001 nur mehr halb so viel, ungefähr
13 Prozent. Der Prozentsatz jener, die diesen Satz vor zehn Jahren, 1991,
abgelehnt haben, ist von 54 Prozent auf 63 Prozent angestiegen. Keine
Angabe haben 1991 22 Prozent und zehn Jahre später 24 Prozent gemacht.
Ich sage das deshalb, weil ich glaube, dass man immer
wieder den Eindruck erhoffen und, wie ich meine, auch erwarten soll, dass das,
was wir in diesen Bereichen tun, auch Erfolg hat, dass es wirksam ist und dass
es nicht, Frau Kollegin, sozusagen umsonst geschieht, dass wir uns alle wie die
Hamster im Drehrad befinden und alle zehn Jahre sagen, es hat sich nichts
geändert. Wenn man den politischen Gestaltungswillen hat, wenn man die
Entschlossenheit hat, sich - ich sage das ausdrücklich dazu - parteiüberschreitend,
wo immer es geht, diesem Thema zu stellen, dann wird es Verbesserungen, dann
wird es Entwicklungen zum Besseren in unserem Land und auch in unserer Stadt
geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Teilen der SPÖ.)
Zu diesem Themenkreis gehört der sorglose, oft habe
ich auch den Eindruck, bewusst missverständliche Umgang mit der Sprache. Ich
will da jetzt nicht alte Dinge aufwärmen, aber sie stehen nun einmal im
geschichtlichen Zusammenhang des Sprachgebrauchs in unserem Land und sind
leider Gottes auch nicht mehr wegzudiskutieren. Worte wie "Straflager"
oder "ordentliche Beschäftigungspolitik" gehören dazu genauso wie
antisemitische Wortspiele mit Vornamen.
Ich meine, meine Damen und Herren, dass es wirklich
unmissverständlich und weit über diesen Saal hinaus zu hören sein sollte, dass
wir in Wien kein Verständnis dafür haben, wenn mit der dunkelsten Zeit unserer
Geschichte sorglos, bewusst falsch oder missbräuchlich umgegangen wird! (Beifall bei der ÖVP, bei der SPÖ und bei
den GRÜNEN.)
Schlampiger Umgang mit der Sprache, meine Damen und
Herren, insinuiert immer auch schlampigen Umgang mit Gedanken.
Es ist aber auch, um zur Jetztzeit zu kommen, in
meinen Augen ein ziemlich unerträglicher Unfug, wenn man plötzlich,
insbesondere im Zusammenhang mit der gegenwärtigen politischen Situation und
mit der jetzigen Bundesregierung, Worte wie "Widerstand",
"Asylgewährung an Künstler", "unmenschliche und rassistische
Gesetze", "O5" und dergleichen hört. Was mich nachdenklich
stimmt, ist, es sind meistens die jüngeren Menschen und Politiker, die diese
Worte verwenden, entweder weil sie den Zusammenhang nicht mehr herstellen,
entweder unbewusst, weil ihnen wirklich etwas nicht bekannt ist, oder, was
schlimmer wäre, was ich aber nicht annehmen möchte, bewusst.
Wissen Sie, was "rassistisch" heißt? Wissen
Sie ehrlich, was "rassistisch heißt", Frau Kollegin? (GR Dr Monika
Vana: Ja! Wissen Sie es auch?) Lassen Sie mich ausreden! Wissen Sie, was
"O5" heißt? (GR Dr Monika Vana: Uns brauchen Sie nicht zu fragen!)
Wenn es im offiziellen Titel eines Festivals geschrieben wird, in der ganzen
Welt verteilt wird, in Broschüren, in Programmen, sind Sie dann wirklich der Meinung,
dass, wenn Menschen, die dieser Organisation angehört haben, ihr Leben gegeben
haben, ihr Leben riskiert haben, ein halbes Jahrhundert danach das lesen, das
ein tolles Gefühl ist, wenn in den Broschüren "O5" steht? In
Österreich braucht es eine "O5" gegen eine - wie immer man zu ihr
steht - legitim zu Stande gekommene Regierung, meine Damen und Herren? - Das
kann niemand in dieser Stadt ernsthaft gutheißen! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich sage Ihnen auch warum und kann nur hoffen, dass
Sie es ernst nehmen, weil ich es nicht polemisch meine: Das sind zwei Teile,
das sind die zweiten Seiten derselbe Münze. Auf der einen Seite stehen die
ganzen Grauslichkeiten, die wir kennen, von Ariel, Beschäftigungspolitik,
Straflager und so weiter, für die es auch Verurteilungen gibt, und auf der
anderen Seite steht O5, Widerstand und alles Weitere. (GR Günter Kenesei: Der Herr Bundeskanzler ist auf der schmalen Seite
der Münze!) Ich will Ihnen gleich Zeitzeugen liefern, die man ernst nehmen
sollte. (GR Günter Kenesei: Dem Herrn Schüssel gehört die Außenseite von der
Münze!) Hören Sie mir zu! (GR Günter Kenesei: Der große Schweiger ist
das!)
Ich sage Ihnen , ich würde mir wünschen, dass das ernst
genommen wird! (GR Günter Kenesei:
Schweigen ist der größte Fehler in der Diskussion!) Ich sage Ihnen, meine Damen
und Herren, dass wir jeder Verdrängung und Verniedlichung der wirklichen
Verbrechen und jeder Verniedlichung und dem Ernstnehmen wirklicher menschlicher
Notsituationen hier nicht Vorschub leisten dürfen durch den sorglosen Umgang
mit einer solchen Sprache! (Beifall bei der
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