Gemeinderat,
4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll
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mit Mut und Selbstbewusstsein für Gruppen von Menschen einzutreten, die
durch Intoleranz und Dummheit bereits großes Leid ertragen haben, bietet die
Ergänzung eines Textes auf einem Mahnmal. Wie Sie alle wissen dürften, steht
ein prominentes Mahnmal auf einem prominenten Platz. Es ist das Mahnmal von
Alfred Hrdlicka gegen Krieg und Faschismus. Die Stadt Wien, das Kulturamt,
beschreibt aber auf Informationstafeln die Geschichte dieser Zeit, die den Anlass
zu diesem Mahnmal gegeben hat, leider sehr unvollständig. Ich hoffe nicht mit
Absicht, vielleicht aus Schlamperei, vielleicht aus Angst vor gewissen
Bevölkerungskreisen oder warum auch immer wurden dort Bevölkerungsgruppen, die
im Dritten Reich verfolgt und ermordet wurden, einfach verschwiegen. Als
verfolgt wurden angeführt, ich will es Ihnen in Erinnerung rufen: Juden, Polen,
Zigeuner, Behinderte und immerhin Widerstandskämpfer, immerhin eine Gruppe, die
bei der letzten Gedenkfeier bei der Einladung des Herrn Bundespräsidenten in
die Hofburg alle mitsamt keine Erwähnung fanden.
Es ist schon in Ordnung, in erster Linie der Verfolgung der jüdischen
Bevölkerung zu gedenken. Trotzdem sollte immer wieder in Erinnerung gebracht werden,
dass es auch andere Bevölkerungsgruppen gegeben hat, die unschuldig verfolgt
und ermordet wurden. Wie Sie und wir jetzt mittlerweile wissen, fielen auch die
Homosexuellen so wie Menschen, die unter dem Vorwurf der so genannten
Asozialität standen, wie auch die Zeugen Jehovas, die, wie auch Menschen aus
anderen Religionen, den Dienst mit der Waffe verweigerten, darunter. Unter die
Asozialen fielen Lesbierinnen, fielen Kinder aus obdachlosen Familien und
fielen verhaltensauffällige Kinder, die zum Großteil auf den Spiegelgrund
kamen. Die Geschichte von Dr Gross und dem Spiegelgrund, meine sehr geehrte
Damen und Herren insbesondere von der Sozialdemokratie, dürfte Ihnen ja mittlerweile
vertraut sein, trotz der verstaubten Akten, laut Herrn Vizebürgermeister und
Finanzstadtrat Dr Rieder. Ich denke, wir sollten den Staub aus den Gehirnen
entfernen, dann wird sich der Staub aus den Akten verflüchtigen.
Die Stadt Wien hat also dieses Denkmal in einer Zeit errichtet - so hoffe
ich zumindest -, die in ihren Erkenntnissen und Einstellungen Menschen
gegenüber im Positiven vorangeschritten ist und lässt genau diese
Bevölkerungsgruppen unter den Tisch fallen, als würde sie sich ihrer schämen.
Lassen Sie uns das bitte wieder gutmachen, zumindest was die Information
darüber betrifft, und ergänzen Sie den Text auf diesen Tafeln mit der Anführung
auch dieser verfolgten Bevölkerungsgruppen.
Ich ersuche Sie daher, diesem Antrag zuzustimmen, damit wir uns nicht
länger nicht für die Betroffenen, sondern wegen des Verschweigens dieser Betroffenen
schämen müssen! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich möchte noch eine weitere Änderung anführen, betreffend die Bezeichnung
"Zigeuner". Das Bundesgesetzblatt 432 aus dem Jahr 95 hat
für diese Bevölkerungsgruppe eine Bezeichnung festgelegt und die heißt, für
alle, die es noch nicht wissen, "Roma und Sinti". Ich ersuche daher,
auch dieser Gruppe gegenüber den Respekt zu erweisen, der ihr gebührt, und sie
als "Roma und Sinti" in diesem Informationstext zu benennen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GR Josefa Tomsik:
Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Serles. Ich erteile es ihm.
GR Dr Wilfried Serles (Klub der Wiener Freiheitlichen): Frau
Vorsitzende! Meine sehr geehrte Damen und Herren!
Mit den Beschlüssen, die der Wiener Gemeinderat in den nächsten Minuten
fassen wird, wird einerseits der Magistrat ermächtigt, an den Entschädigungsfonds
einen Betrag von umgerechnet rund 512 Millionen S zu überweisen.
Mit den Beschlüssen, die dieser Gemeinderat in den nächsten Minuten fassen
wird, wird auch der Magistrat ermächtigt, die Historikerkommission zu ersuchen,
Befunde bekannt zu geben, die sich auf arisiertes Vermögen beziehen, das sich
im Eigentum der Stadt Wien befindet.
Der Gemeinderat wird auch den Finanzstadtrat ermächtigen, im Ausmaß der
Empfehlung der Schiedskommission nach dem Entschädigungsfürsorgegesetz über
Gemeindewohnungen zu verfügen und an Opfer unentgeltlich zu übereignen.
Mit den Beschlüssen, die dieser Gemeinderat in den nächsten Minuten fällen
wird, wird auch der Magistrat ermächtigt, dem Verein Hakoah ein Grundstück für
einen Sportplatz in Langzeitmiete anzubieten und zusätzlich mehr als
58 Millionen S für die Errichtung eine Sportstätte auszuzahlen.
Diese Beschlüsse sind richtig und angemessen. Sie sind die Konsequenz des
im Parlament von allen Abgeordneten dort einstimmig beschlossenen Entschädigungsfondsgesetzes.
Dieses Entschädigungsfondsgesetz ist Ausdruck der moralischen Verantwortung
dieser Republik, dieser Stadt, für Verluste und Schäden von jüdischen BürgerInnen
und anderen Opfern des Nationalsozialismus. Es gilt das Wort des Bundeskanzler,
dass kein Geld der Welt das ersetzen kann, was Menschen in der NS-Zeit
gewaltsam geraubt worden ist.
Das Entschädigungsfondsgesetz - und darauf lege ich Wert - ist kein
Freikaufen von der Geschichte, wie das eine grüne Abgeordnete im Parlament
formuliert hat, sondern Ausdruck der Verantwortung Österreichs für das
tragische Schicksal von Menschen in der schwierigen Zeit des Nationalsozialismus.
Das Entschädigungsfondsgesetz ist nicht die erste Restitutions- und
Entschädigungsmaßnahme dieser Republik. Zuletzt wurden auf der Grundlage des Versöhnungsfondsgesetzes
Leistungen an ehemalige Sklaven und Zwangsarbeiter des NS-Regimes ausbezahlt.
Mir ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Rahmenvereinbarungen vom
5. Oktober 2000, die
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