Gemeinderat,
3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Informationsbroschüren
erschienen, die atypische Beschäftigung zumindest einmal als Problem darstellen,
und, was ich auch anerkenne, in der Regierungserklärung von Bgm Häupl war doch
tatsächlich davon die Rede, dass man bei der Schaffung von Arbeitsplätzen in
Wien jetzt darauf schauen soll, dass es normale Arbeitsplätze und voll
versicherte Arbeitsplätze sind. Das finde ich sehr schön und das freut uns
GRÜNE sehr, denn das sagen wir auch schon seit Jahren. Sie wollten nur nie
hören, dass das ein Problem ist.
Es freut uns,
das jetzt zu hören, nur: Information alleine reicht nicht. Wir müssen gemeinsam
nicht nur danach trachten, dass Frauen über die Nachteile der Arbeitsplätze,
auf denen sie arbeiten, informiert werden, sondern auch darauf achten, dass sie
in diese schlecht bezahlten Beschäftigungen nicht hineingedrängt werden, denn
das ist die Armutsfalle schlechthin für Frauen.
Wenn wir die
Lösung dieses Problems nicht schaffen, wenn wir diese so genannte
geschlechtsspezifische Segmentierung des Arbeitsmarkts weiterhin zulassen, dann
haben wir es eigentlich alle nicht verdient, in diesem Haus über Frauenpolitik
zu reden.
Nun noch zu
einem letzten Punkt, den ich noch gerne erwähnen möchte, bevor ich unsere drei
Beschlussanträge einbringe, zu einem Punkt, der mir in Ihren frauenpolitischen
Äußerungen und in Ihrem arbeitsmarktpolitischen Programm fehlt, woran ich sehe,
dass sich die SPÖ damit ein bisschen schwer tut - die Bundesregierung sowieso,
aber Sie auch -, nämlich zur Vorbereitung des Arbeitsmarkts auf die
EU-Erweiterung.
Jetzt rede ich
gar nicht über diese peinliche Performance der SPÖ, die zwar einerseits sagt,
sie ist voll für die Erweiterung und sich als Europapartei gibt, andererseits
aber diesen siebenjährigen Übergangsfristen für den österreichischen Arbeitsmarkt
nach den Beitritten der neuen Länder zustimmt und damit den Menschen in diesen
Ländern ein Grundrecht nimmt. Das Grundrecht auf Freizügigkeit am Arbeitsmarkt
und auf freien Personenverkehr, das seit 1959 in den Verträgen von Rom der
Europäischen Union verankert ist, wird einfach so genommen, missachtet und mit
Füßen getreten, weil man sagt, unser Arbeitsmarkt bewältigt das nicht.
Jetzt mache
ich also Übergangsfristen von sieben Jahren für den Arbeitsmarkt. Gut und
schön, aber was mache ich bis dahin? Was nützen mir Übergangsfristen, wenn ich
kein arbeitsmarktpolitisches Offensivprogramm habe? - Jedenfalls ist mir
diesbezüglich nichts bekannt. Ich habe noch nichts darüber gehört, weder von
der Bundesregierung noch von Ihnen hier in Wien, was Sie in den sieben Jahren
machen wollen. Sie jammern nur: Wir müssen uns abschotten, wir haben ein
Problem, da kommen so viele Pendler und Pendlerinnen. - Sie sagen wenigstens
schon "Pendler und Pendlerinnen", aber von den Abgeordneten der
Freiheitlichen hört man ja überhaupt ganz schlimme Horrorszenarien, xenophobe
Horrorszenarien von einer Völkerwanderung, die auf uns zukommt. (GR Heinz Christian Strache: Arbeiterkammer!
ÖGB!) Es handelt sich aber hauptsächlich um Pendler und Pendlerinnen. Und
da sagen Sie, wir haben ein arbeitsmarktpolitisches Problem.
Ich lese aber
in Ihrem Territorialen Beschäftigungspakt nichts von der Vorbereitung auf die
EU-Erweiterung. Ich lese aber auch nichts zum Beispiel von einem
grenzüberschreitenden Territorialen Beschäftigungspakt. Das wäre doch einmal
eine gute stadtaußenpolitische Idee, oder? Ich lese nichts von einer
arbeitsmarktpolitischen Offensive für gering qualifizierte Arbeitskräfte oder
für jene Branchen und deren Arbeitskräfte, von denen wir jetzt schon wissen -
und Ihre eigenen Wirtschaftsforschungsinstitute errechnen das -, dass dort
Probleme auftreten werden. Wo ist hier Ihr Einsatz für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in diesem Land? Oder warten Sie vielleicht darauf, dass in
sieben Jahren jemand anderer an der Regierung ist und das Problem für Sie löst?
- Das will ich für Sie nicht hoffen.
Das Thema
Erweiterung muss uns aber auch aus frauenpolitischer Perspektive besonders
interessieren. Da hat - und das hat mir sehr gefallen - Ihre sozialdemokratische
Kollegin Maria Berger letzte Woche im Europäischen Parlament im Ausschuss der
Rechte der Frau einen flammenden Appell zumindest an die Europäische Union -
ich weiß nicht, ob Sie ihn auch gehört haben - gerichtet: Man darf die Frauen
in den Beitrittsländern jetzt nicht alleine lassen. Sie sind besonders
betroffen von Armut, von Arbeitslosigkeit, von zum Teil ganz schlimmen
Arbeitsbedingungen, und das darf uns hier in Wien, an der Grenze, wenn wir von
Stadtaußenpolitik, von Völkerverständigung, von Erweiterung, die wir alle
wollen, von Partner- und Partnerinnenschaften reden, nicht kalt lassen. Ich
fordere gerade die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie auf, hier
Solidarität zu zeigen - ein Wort, das Sie eigentlich verstehen müssten und das
uns auch sehr nahe geht und das wir auch verwirklicht haben wollen -, nämlich
grenzüberschreitende Solidarität.
Da reicht Vernetzung
alleine nicht - obwohl ich das natürlich auch anerkenne, weil ich hier Kollegin
Lessing sehe, die das Ost-West-Frauennetzwerk ins Leben gerufen hat, das jetzt
"Milena" heißt. Das ist eine wunderbare Sache, es ist aber, wie wir
alle wissen, völlig unterdotiert und sollte viel höher budgetiert werden. Aber
Vernetzung alleine reicht nicht, wir brauchen auch grenzüberschreitende
Projekte im Arbeitsmarktbereich, im Frauenbereich, im sozialpolitischen
Bereich. Diese grenzüberschreitenden Projekte und auch der Einsatz von
EU-Mitteln in diesen Bereichen, das fehlt uns GRÜNEN völlig. Sie machen da viel
im Wirtschaftsbereich und im Technologiebereich, im so genannten
Know-how-Transfer, nur an grenzüberschreitenden Projekten, Wiener Projekten, da
gibt es ein bisschen wenig. Davon würde ich mir mehr wünschen.
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