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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 89 von 121

 

Informationsbroschüren erschienen, die atypische Beschäftigung zumindest einmal als Problem darstellen, und, was ich auch anerkenne, in der Regierungserklärung von Bgm Häupl war doch tatsächlich davon die Rede, dass man bei der Schaffung von Arbeitsplätzen in Wien jetzt darauf schauen soll, dass es normale Arbeitsplätze und voll versicherte Arbeitsplätze sind. Das finde ich sehr schön und das freut uns GRÜNE sehr, denn das sagen wir auch schon seit Jahren. Sie wollten nur nie hören, dass das ein Problem ist.

 

Es freut uns, das jetzt zu hören, nur: Information alleine reicht nicht. Wir müssen gemeinsam nicht nur danach trachten, dass Frauen über die Nachteile der Arbeitsplätze, auf denen sie arbeiten, informiert werden, sondern auch darauf achten, dass sie in diese schlecht bezahlten Beschäftigungen nicht hineingedrängt werden, denn das ist die Armutsfalle schlechthin für Frauen.

 

Wenn wir die Lösung dieses Problems nicht schaffen, wenn wir diese so genannte geschlechtsspezifische Segmentierung des Arbeitsmarkts weiterhin zulassen, dann haben wir es eigentlich alle nicht verdient, in diesem Haus über Frauenpolitik zu reden.

 

Nun noch zu einem letzten Punkt, den ich noch gerne erwähnen möchte, bevor ich unsere drei Beschlussanträge einbringe, zu einem Punkt, der mir in Ihren frauenpolitischen Äußerungen und in Ihrem arbeitsmarktpolitischen Programm fehlt, woran ich sehe, dass sich die SPÖ damit ein bisschen schwer tut - die Bundesregierung sowieso, aber Sie auch -, nämlich zur Vorbereitung des Arbeitsmarkts auf die EU-Erweiterung.

 

Jetzt rede ich gar nicht über diese peinliche Performance der SPÖ, die zwar einerseits sagt, sie ist voll für die Erweiterung und sich als Europapartei gibt, andererseits aber diesen siebenjährigen Übergangsfristen für den österreichischen Arbeitsmarkt nach den Beitritten der neuen Länder zustimmt und damit den Menschen in diesen Ländern ein Grundrecht nimmt. Das Grundrecht auf Freizügigkeit am Arbeitsmarkt und auf freien Personenverkehr, das seit 1959 in den Verträgen von Rom der Europäischen Union verankert ist, wird einfach so genommen, missachtet und mit Füßen getreten, weil man sagt, unser Arbeitsmarkt bewältigt das nicht.

 

Jetzt mache ich also Übergangsfristen von sieben Jahren für den Arbeitsmarkt. Gut und schön, aber was mache ich bis dahin? Was nützen mir Übergangsfristen, wenn ich kein arbeitsmarktpolitisches Offensivprogramm habe? - Jedenfalls ist mir diesbezüglich nichts bekannt. Ich habe noch nichts darüber gehört, weder von der Bundesregierung noch von Ihnen hier in Wien, was Sie in den sieben Jahren machen wollen. Sie jammern nur: Wir müssen uns abschotten, wir haben ein Problem, da kommen so viele Pendler und Pendlerinnen. - Sie sagen wenigstens schon "Pendler und Pendlerinnen", aber von den Abgeordneten der Freiheitlichen hört man ja überhaupt ganz schlimme Horrorszenarien, xenophobe Horrorszenarien von einer Völkerwanderung, die auf uns zukommt. (GR Heinz Christian Strache: Arbeiterkammer! ÖGB!) Es handelt sich aber hauptsächlich um Pendler und Pendlerinnen. Und da sagen Sie, wir haben ein arbeitsmarktpolitisches Problem.

 

Ich lese aber in Ihrem Territorialen Beschäftigungspakt nichts von der Vorbereitung auf die EU-Erweiterung. Ich lese aber auch nichts zum Beispiel von einem grenzüberschreitenden Territorialen Beschäftigungspakt. Das wäre doch einmal eine gute stadtaußenpolitische Idee, oder? Ich lese nichts von einer arbeitsmarktpolitischen Offensive für gering qualifizierte Arbeitskräfte oder für jene Branchen und deren Arbeitskräfte, von denen wir jetzt schon wissen - und Ihre eigenen Wirtschaftsforschungsinstitute errechnen das -, dass dort Probleme auftreten werden. Wo ist hier Ihr Einsatz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land? Oder warten Sie vielleicht darauf, dass in sieben Jahren jemand anderer an der Regierung ist und das Problem für Sie löst? - Das will ich für Sie nicht hoffen.

 

Das Thema Erweiterung muss uns aber auch aus frauenpolitischer Perspektive besonders interessieren. Da hat - und das hat mir sehr gefallen - Ihre sozialdemokratische Kollegin Maria Berger letzte Woche im Europäischen Parlament im Ausschuss der Rechte der Frau einen flammenden Appell zumindest an die Europäische Union - ich weiß nicht, ob Sie ihn auch gehört haben - gerichtet: Man darf die Frauen in den Beitrittsländern jetzt nicht alleine lassen. Sie sind besonders betroffen von Armut, von Arbeitslosigkeit, von zum Teil ganz schlimmen Arbeitsbedingungen, und das darf uns hier in Wien, an der Grenze, wenn wir von Stadtaußenpolitik, von Völkerverständigung, von Erweiterung, die wir alle wollen, von Partner- und Partnerinnenschaften reden, nicht kalt lassen. Ich fordere gerade die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie auf, hier Solidarität zu zeigen - ein Wort, das Sie eigentlich verstehen müssten und das uns auch sehr nahe geht und das wir auch verwirklicht haben wollen -, nämlich grenzüberschreitende Solidarität.

 

Da reicht Vernetzung alleine nicht - obwohl ich das natürlich auch anerkenne, weil ich hier Kollegin Lessing sehe, die das Ost-West-Frauennetzwerk ins Leben gerufen hat, das jetzt "Milena" heißt. Das ist eine wunderbare Sache, es ist aber, wie wir alle wissen, völlig unterdotiert und sollte viel höher budgetiert werden. Aber Vernetzung alleine reicht nicht, wir brauchen auch grenzüberschreitende Projekte im Arbeitsmarktbereich, im Frauenbereich, im sozialpolitischen Bereich. Diese grenzüberschreitenden Projekte und auch der Einsatz von EU-Mitteln in diesen Bereichen, das fehlt uns GRÜNEN völlig. Sie machen da viel im Wirtschaftsbereich und im Technologiebereich, im so genannten Know-how-Transfer, nur an grenzüberschreitenden Projekten, Wiener Projekten, da gibt es ein bisschen wenig. Davon würde ich mir mehr wünschen.

 

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