Gemeinderat,
3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll
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sich hingestellt hat
und gesagt hat, es kommt für ihn gar nicht in Frage, dass Tschechien der EU
betritt, solange Temelin droht: Klass, eigentlich. Typisch für den
Landeshauptmann von Kärnten: Einfach ehrlich, einfach Jörg.
Und das hätte
ich mir vielleicht in diesem Fall auch gedacht, wenn es in Kärnten nicht den
22. Mai gegeben hätte. Was ist an diesem 22. Mai in Kärnten passiert?
- Am 22. Mai hat die Kärntner Landesregierung beschlossen, 49 Prozent
der Kärntner Energieholding an die RWE, an die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke,
zu verkaufen, meine Damen und Herren. Und wer ist das? - Jetzt könnte man
sagen: Eine klasse G’schichte, es ist ein großer, schöner, der größte Konzern,
der größte Energiekonzern Deutschlands, hervorragend, damit sichere ich die
Kärntner Energiewirtschaft.
Aber, meine
Damen und Herren, man muss sich das anschauen: Was tun die? - Und sie sagen es
ganz deutlich in der Erklärung, was die RWE möchte, die mit diesen 49 Prozent
der Kärntner Energieholding auch 31 Prozent der KELAG erworben hat. Sie
sagen: Vornehmlich werden sie diese Unternehmensbeteiligung nutzen, für
Österreich, für Südeuropa, für Slowenien, für Kroatien, für Bosnien-Herzegowina
und für Mazedonien als Atomstromdrehscheibe zu fungieren.
Was hat also
Kärntens Landeshauptmann für eine atomfreie Zone in Europa getan? Was hat er
geholfen, dass wir nicht von Atomkraftwerken bedroht sind? - Das gerade
Gegenteil: Er hat dafür gesorgt, dass Kärnten die Atomdrehscheibe Europas wird.
Und dafür sagen wir herzlich "Danke schön". Das ist eine Politik, die
wir verurteilen! (Beifall bei der SPÖ.)
Und was noch
viel schlimmer dabei ist: Woher bezieht die RWE hauptsächlich den Atomstrom? -
Vornehmlich aus Tschechien, dort, wo eben Temelin eröffnet werden soll, meine Damen
und Herren.
Wenn ich mir
jetzt ansehe, wie die Bundespolitik auf die Umweltpolitik dieser Stadt wirkt,
so bin ich sehr dankbar, und die Sozialdemokratische Fraktion ist sehr dankbar,
dass die Frau Umweltstadträtin bereits in den ersten Tagen ihrer Amtszeit sehr
klar und deutlich zu einigen Dingen Stellung genommen hat.
Da gibt es die
Vorlage eben jenes Ministers Molterer bezüglich des Umweltmanagementgesetzes.
Und hier, meine Damen und Herren, kann wirklich gesagt werden, dass der Bock
zum Gärtner gemacht wird. Was ist das? - Nach der Vorlage und nach den Vorstellungen
des Umweltministers sollen jene Betriebe, die die EMAS-Zertifikation erworben
haben - das ist eine Zertifikation, die kriegt man in zirka drei Monaten, da
legt man sich fest und verpflichtet man sich, besondere, über die gesetzlichen
Normen hinausgehende Umweltauflagen zu erfüllen und darüber hinaus zu wirken -,
das Recht bekommen, wie es der Herr Minister ausgedrückt hat, nicht durch den
Behördendschungel des Umweltministeriums und der Umweltbehörden laufen zu
müssen. Und was bedeutet das im Detail? - Es bedeutet, dass diese Betriebe, die
diese Zertifikation erreichen, wenn sie eine Betriebserweiterung planen, diese
lediglich im Gemeindeamt anschlagen müssen. Es würde bedeuten, sie geben das im
Magistratischen Bezirksamt der Gewerbebehörde bekannt. Und wenn innerhalb von
14 Tagen niemand dagegen Einspruch erhebt, dann ist das bewilligt. Das
betrifft vor allem die Rechte des Staates, die Anrainer zu schützen, aber das
betrifft auch die Rechte, meine Damen und Herren, der Anrainer selber. Man muss
sich das auf der Zunge zergehen lassen. Einmal umweltpolitisch brav zu sein als
Unternehmer, bedeutet den Persilschein, ad infinitum die behördlichen Auflagen,
sage ich jetzt einmal vorsichtig, zu umgehen, bedeutet, dass ich den
Persilschein bekomme, Betriebserweiterungen zu machen, ohne dass ein behördliches
Verfahren oder nur ein eingeschränktes behördliches Verfahren notwendig ist.
Das bedeutet,
meine Damen und Herren: Dieser Manager, der dann in diesem Betrieb arbeitet,
ersetzt den Abfall- und Abwasserbeauftragten, ersetzt den Chemikalienbeauftragten.
Es bedeutet, dass ich nicht mehr Emissionswerte angeben muss. Es bedeutet, dass
Anrainerschutz nicht mehr gegeben ist. Und es bedeutet vor allem auch, dass die
Rechte der Behörde eingeschränkt werden.
Und das ist
etwas, was wir als Stadt Wien - wie die Umweltstadträtin bereits mitgeteilt hat
- beeinspruchen werden, soweit es in unserer Macht liegt. Das ist etwas, was in
die Richtung weist, dass Umweltauflagen unterhöhlt werden, dass Rechte der
Anrainer abgeschwächt werden und dass die Industrie gegenüber den Schwächeren,
nämlich der Anrainer, wesentlich mehr Rechte erhält. Und das ist ein Weg, meine
Damen und Herren, den wir nicht mit Ihnen werden gehen können. (Beifall bei
der SPÖ.)
Und der dritte
Punkt, der mir nicht nur schleierhaft ist, sondern wo Umweltpolitik und
Ernährungssicherheit pervertiert wird, sind die Planungen zur Agentur für
Lebensmittelsicherheit.
Man muss sich
vorstellen, meine Damen und Herren: Europa, aber nicht nur Europa, ist von
Phänomenen wie Maul- und Klauenseuche, wie BSE in diesen letzten Wochen und
Monaten heimgesucht worden. Indizien dafür, dass in der Produktion und in der
Landwirtschaft offensichtlich nicht alles in Ordnung ist, Indizien dafür, dass
mehr Kontrolle notwendig ist. Und gerade in dieser sensiblen Zeit, wo die
österreichische und die Wiener Lebensmittelkontrolle, die Gesetze, die wir in
Österreich haben, in Wirklichkeit dafür verantwortlich sind, dass wir nicht mit
diesen Problemen zu kämpfen haben, gerade in dieser Zeit, wo man eigentlich
lernen müsste, dass man diese Vorschriften verschärfen müsste, gerade in der
Zeit kommt Molterer und will die Agentur für Lebensmittelsicherheit planen und
vorschlagen, die nichts anderes bedeutet, als dass die Kontrolltätigkeit der
produzierenden Agrarindustrie überantwortet wird. Also diejenigen, die uns
europaweit vorgeführt haben, dass sie nicht in der Lage sind, Konsumentenrechte
und
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