Gemeinderat,
3. Sitzung vom 26.6.2001, Wörtliches Protokoll
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graphen ändern sich. Natürlich ist eine soziale Absicherung notwendig. Aber
daneben muss sehr, sehr verstärkt unsere mitmenschliche und unsere
kommunikative Phantasie walten, denn ein immer größerer Teil des Lebens wird
nach der beruflichen Phase erlebt. Daher muss die Gesellschaft sicherstellen
und auch ermöglichen, dass ältere Mitbürger ein aktives Leben, ein Leben der
persönlichen Selbstentfaltung, ein interessantes, ein erlebnisreiches Leben führen
können. Sie wollen nicht zum alten Eisen gehören und sie wollen auch nicht
einen erzwungenen Ruhestand und sie wollen nicht das Objekt der Betreuung sein,
sondern sie wollen anerkannt, ernst genommen werden in ihrer Persönlichkeit,
mit ihrer Kompetenz, mit ihrem Wissen und mit ihrem Können, aber auch mit dem
Wunsch, sich weiter zu entwickeln und ihrer Fähigkeit, für die Gemeinschaft
wichtige Leistungen zu erbringen und Verantwortung tragen zu können.
Ich muss Ihnen sagen, gerade als Volksanwältin bin ich in diesen sechs
Jahren fast täglich damit konfrontiert worden. Das ist natürlich auch mit ein
Grund, dass ich mich als Wiener Gemeinderätin gerade für diese Gruppe besonders
engagieren möchte. Da gibt es eine ganze Reihe von Themen, die ich jetzt gar nicht
alle anführen kann, weil wir ja heute das Problem nicht lösen werden. Frau GR
Dr Pilz, ich kann alles unterschreiben, was Sie gestern im Pflegebereich gesagt
haben, in der Palliativmedizin über Kultur des Alterns. Dazu gehören natürlich
das Sterben, die Sterbebegleitung, die Hospizbewegung. Ich muss sagen, der
Vorschlag von Bundesminister Bartenstein, hier Karenzurlaub für die
Sterbebegleitung zu bekommen, halte ich für sehr bemerkenswert und auch sehr
diskussionswürdig. (GR Dr Sigrid Pilz:
Wenn er bezahlt wird!) Ich hoffe, dass es hier zu einer Diskussion kommen
wird. (GR Dr Sigrid Pilz: Er muss bezahlt
werden!) Darüber kann man reden. Aber grundsätzlich einmal ist es überhaupt
mutig, dass ein Politiker so eine Idee in der Öffentlichkeit bringt, weil das
bisher nicht der Fall war. Das ist schon etwas Bemerkenswertes und ich freue
mich darüber, dass er das getan hat.
Ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass es, wenn nicht relativ rasch
Entscheidungen vorbereitet werden, nachhaltig negative Auswirkungen auf die
Gesellschaft und natürlich dann auch auf uns haben wird. Es hat mich schon sehr
erstaunt, dass in der Regierungserklärung des Herrn Bürgermeisters, die ja sehr
breit angelegt ist, diese eminent wichtige Frage, nämlich die Kultur des späten
Lebens, überhaupt nicht vorkommt.
Anfang Jänner, ich glaube am 3. Jänner, hat in der "Wiener
Zeitung" der Hamburger Gesellschaftsforscher Prof Opuschovski mit dem
Jahreswechsel das "Jahrhundert der Senioren" ausgerufen, weil er eben
meint, dass das so wichtig sei. Wir wissen genau, durch die medizinischen
Fortschritte, durch ein Gott sei Dank verändertes Gesundheitsbewusstsein, durch
mehr Bildung, durch höheren Lebensstandard werden die Menschen in der
westlichen Welt mindestens ein Drittel ihres Lebens als Ältere verbringen.
Darauf muss sich Politik, darauf müssen sich Wirtschaft und Gesellschaft, aber
natürlich auch die Betroffenen einstellen. Hier ist auch ein Klima zu schaffen
und dieses Klima fehlt mir derzeit. Es ist dieses Thema auch in großen Teilen
der Politik, in der Wirtschaft und auch in den Medien noch gar nicht
angekommen. Wir werden alle, davon bin ich überzeugt, damit zu tun haben und
wir werden dieses Thema gemeinsam weiterbringen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich jung war, es liegt ja doch
einige Jahre zurück, hat man gesagt, es gibt drei Generationen. In der
Zwischenzeit sind es auf jeden Fall vier Generationen und diese selbstbewusste
Generation zwischen der zweiten und der vierten ist eben die so genannte "gewonnene"
Generation. Als Beispiel: Die Oma, mit dem Auto in der dritten Spur stehend,
mit dem Polizisten streitend, das Enkelkind abholend, sei stellvertretend für
das Bild dieser "gewonnenen" Generation.
Ich selbst, muss ich sagen, zähle mich auch zu dieser
"gewonnenen" Generation. Wenn ich so herumschaue, dann sehe ich auch
einige von Ihnen, die sich zu dieser "gewonnenen" Generation zählen
können. Ich finde, dass das auch sehr, sehr positiv ist, und ich hoffe sehr,
dass wir durch gezielte Aufklärungsarbeit die Vorurteile, die es durchaus da
oder dort gibt, und die Diskriminierungen abbauen können. Ich bin überzeugt,
dass Alterskultur darin besteht, über die Lobbytätigkeit der
Pensionistenvereinigungen, die sehr wichtig ist, hinaus publizistisches
Bewusstsein zu wecken, um eben Handlungen zu aktivieren. Dieses Bewusstsein und
Klima - ich sage es noch einmal - muss geschaffen werden.
Jetzt gibt es ein Bundesseniorengesetz. Das ist ein erster Ansatz, wo eben
der österreichische Seniorenbeirat eingeladen ist, überall dort, wo
Seniorenprobleme besprochen werden, auch mitzureden. Es heißt, der
Bundesseniorenrat ist sozusagen ein Sozialpartner. Das ist sicher gut, aber in
Wien gibt es einen Landesseniorenrat, auch etwas Positives, nur ist es mir zu
wenig. Es steht für mich außer Frage, dass wir ein Landesseniorengesetz
brauchen. Da gibt es schon eine Reihe von Initiativen in anderen Bundesländern.
Ich meine, wir in Wien haben die Aufgabe, hier durchaus eine Vorreiterposition
und eine Vorbildfunktion einzunehmen.
Daher bringen wir einen Beschlussantrag ein, mein Kollege Prof Strobl und
ich:
" Frau VBgm Laska möge als Amtsführende Stadträtin veranlassen, dass
ein Wiener Seniorengesetz die Mitsprache der Senioren und die Förderung der
Seniorenarbeit gesetzlich regelt. Dieses zu schaffende Wiener Seniorengesetz
soll folgende Zwecke erfüllen: Gesetzliche Verankerung der Rechte und
Zusammensetzung des Wiener Landesseniorenbeirats, Förderung der Seniorenarbeit,
Information der Wiener Senioren."
In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung
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