Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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eine reine
organisatorische Frage. Wie meiner Meinung nach das Beispiel der Bundestheater
und Bundesmuseen bewiesen hat, fahren diese damit sehr gut. Ich denke mir, dass
das letztendlich gar nicht eine kulturpolitische, sondern eine organisatorische
Frage ist. Wir werden das, glaube ich, mit aller zu Gebote stehenden
Sensibilität behandeln. Das Gesetz wird selbstverständlich ganz normal zur
Begutachtung ausgeschickt, aber ich stehe für jede Debatte und für jede
Anregung gerne zur Verfügung.
Kollege
Salcher, wie gesagt, ich glaube, die Hausaufgaben, die Sie mir da auf
liebevolle Art und Weise sozusagen zugeschanzt haben (GR Dr Andreas Salcher: Höfliche Fragen!), übernehme ich gerne, sie
wären aber zu einem guten Teil schon an den Peter Marboe zu richten gewesen.
Ich habe jedoch überhaupt keine Scheu, das alles aufzugreifen und weiter zu
betreiben, es ist auch notwendig.
Zur Kollegin
Unterreiner kann ich nur sagen, ich stehe für jede Debatte zur Verfügung,
insbesondere auch über die Architektur, aber für viele Dinge, die sie da
sozusagen als Beiträge und Beschlussanträge übergeben hat, muss ich sagen, sind
wir schlicht und einfach nicht zuständig. Für die Albertina, für die Freilufttheater
und für die Musikschulen sind wir nur höchst bedingt zuständig, aber wir werden
uns das sicher gerne anschauen.
Meine Damen
und Herren! Lassen Sie mich nur noch ein Thema sagen, weil das auch
angesprochen wurde und mir wichtig ist. Das ist das Thema der Integrationspolitik,
die aus meiner Sicht nicht nur auf einer sachpolitischen, pragmatischen Ebene
betrieben werden sollte, sondern auch und vor allem auf einer kulturellen. Es
geht darum, dass man Menschen anderer Ethnien, die hier in Wien ansässig sind,
die Möglichkeit auf symbolische Repräsentanz ihrer Kulturen einräumen kann.
Das Recht zu
erzählen, ist mehr als nur ein sprachlicher Akt, hat ein Philosoph einmal
gesagt, und wir können nicht ständig unsere eigene große Kulturerzählung von
Mozart und Schubert, von Freud und Wittgenstein, von Klimt und Schiele wiederholen,
ohne auch unsere Mitbürger, die von anderen kulturellen Zusammenhängen geprägt
sind, zu Wort kommen zu lassen. Ob es notwendig ist, ein solches auf Dialog
setzendes Unternehmen, eine neue Infrastruktur, sprich ein Haus der Kultur und
der Welt zu schaffen, oder ob das besser im Rahmen eines kuratorischen Auftrags
oder unter stärkerer Einbindung von bestehenden Festivals und Institutionen
stattfinden soll, das wird noch ausreichend zu prüfen sein.
Auf jeden Fall
dürfen wir nicht das Fremde zum Inbegriff für die absonderlichsten Abweichungen
werden lassen, die dem Eigenen seine Identität verleihen, wie der afrikanische
Theoretiker Mudimbi einmal geschrieben hat, sondern wir müssen dieses Fremde
zum selbstverständlichen Bestandteil des Kulturangebots machen und so dazu
beitragen, dass Vorurteile, die auf Nichtwissen gründen, abgebaut werden. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen
und Herren! Ein weiterer Punkt, der mir vor allem im Hinblick auf die
Osterweiterung wichtig erscheint, ist der Ausbau des work flows zwischen Wien
und den benachbarten großen Städten. Ich glaube, hier wurde eine historische
Chance bislang nicht genügend wahrgenommen, Wien als bevorzugten Ansprechpartner
zu positionieren und zu profilieren. Kulturell gesehen sind uns heute noch
London, New York und Paris näher als Budapest, Prag, Warschau und Moskau. Das
mag mit einer Westfixierung von Medien und Öffentlichkeit zu tun haben, kann
aber kein Grund für die Kulturpolitik sein, diesen Zustand einfach
fortzuschreiben.
Im Gegenteil,
ich glaube, wir sind gefordert, einen multilateralen Gedankenaustausch in Gang
zu bringen, der nicht den Muff der amtlichen Kulturbegegnungsinitiativen
verbreiten soll.
Ein
Polenschwerpunkt bei der Frankfurter Buchmesse lenkt das allgemeine Interesse
für die berühmten Warhol'schen 15 Minuten auf eine mehr oder minder fremde
Literaturszene, die dann umso gründlicher wieder vergessen wird. Nein, hier müssen
wir kreativer denken. Sei es, dass die junge Wiener Elektronikszene zu einem
Internet-Konzert mit Kollegen aus Tschechien, Polen, Ungarn zusammengeschlossen
wird, sei es, dass junge Fotografen, Designer, Musiker, Autoren - quasi nach
dem Vorbild der Stadtschreiber - als Wiener Stadtkünstler verpflichtet werden,
um hier über einen längeren Zeitraum multimediale Projekte zu entwickeln. Der
Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Zum Schluss,
meine Damen und Herren, noch ein letzter Ansatz. Wien zehrt, vor allem
touristisch, sehr stark noch von seinen großen Kulturtraditionen, von Mozart
und dem Drei-Mäderl-Haus, seit einiger Zeit auch von der wohlschmeckenden Dekadenz
des Fine de Siècle, von Freud, Schiele, Klimt, Kokoschka, den Wiener
Werkstätten. Das ist auch gut so und wir sind stolz darauf, dass uns dieser
kulturelle Reichtum zu einer der Welthauptstädte der Kultur gemacht hat, obwohl
wir nur etwa über ein Zehntel der Einwohner New Yorks verfügen.
Aber ich
glaube, es ist hoch an der Zeit, neue Traditionen zu bilden, Wien für die
Zukunftskompetenzen eines zusammenwachsenden Europas fit zu machen, das
vielleicht mehr auf junge dynamische Kräfte setzt, als auf das Weinlaub der
Vergangenheit.
Wir haben die
kreativen Impulse hier in unserer Stadt. Wir haben vorhin schon von der
Elektronikszene gesprochen, die mittlerweile zum weltweiten Kanon der Popavantgarde
zählt. Ich möchte auch auf unsere jungen und reiferen Filmemacher, Filmemacherinnen
wie Barbara Albert, Michael Haneke hinweisen, auf Künstler wie Peter Kogler und
Architekten wie Aichinger oder Knechtl, um nur einige zu nennen, um zu
dokumentieren, die künstlerische Energie ist da.
Was noch fehlt, ist
der optimale Transfer, der Impact, der diese Kunst auf eine Höhe heben kann, wo
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