Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Tschirf aber auch!) Na ja, wir müssen ja darauf antworten. Ich gebe aber zu: Der Kollege
Chorherr hat ihn noch übertroffen, denn der gibt sich nicht mit dem kleinen
Österreich ab. Der hat überhaupt gleich über die große Weltpolitik hier
referiert. Ich habe auch kein Problem damit, ich interessiere mich sehr für
globale Zusammenhänge. Ich würde dann nur vorschlagen - im Kulturausschuss kann
man das ja machen -: Stellen wir wirklich, alle Parteien gemeinsam, einen
Antrag, so etwas wie einen Weltsicherheitsrat des Wiener Gemeinderats
einzuberufen, wo dann alle Gemeinderäte, die sich wenig ausgelastet fühlen, die
Möglichkeit haben, sich dort zu Wort zu melden. Und da können wir über Afghanistan
diskutieren, da können wir über Mexiko diskutieren, da können wir über die neue
Weltwirtschaftsordnung reden, da können wir über die Abrüstungsproblematik
reden. Also, ich sehe da schon Zustimmung von den GRÜNEN. Ich werde versuchen,
hier einen gemeinsamen Antrag auf Einsetzung eines Weltsicherheitsrates im
Wiener Gemeinderat einzubringen, damit sich alle diskussionsfreudigen Kollegen
dort einbringen können.
Dann würde ich
aber nur eines bitten: Dass die Kollegen, die dann noch immer meinen, hier im Nationalrat
zu sein, jedes Mal, wenn sie bundespolitische Themen anschneiden,
10 Prozent ihrer Gage an den Nationalrat überweisen. Dann ist die Frage
des österreichischen Budgetdefizits nämlich sehr schnell gelöst.
Sie haben auch
bereits in Ihren öffentlichen Stellungnahmen des öfteren zum Thema der
Bundessituation im Kulturbereich Stellung genommen. Jetzt sage ich einmal dazu:
In der Kulturpolitik Opposition zu betreiben, ist an sich schwierig. Das haben
auch die Oppositionsparteien in der letzten Periode gesehen, denn bei der
Kultur geht es prinzipiell einmal darum, etwas zu ermöglichen, etwas
durchzusetzen, Chancen aufzuzeigen, hier und da vielleicht Spielregeln zu
diskutieren. Daher ist es gar nicht einfach, eine intelligente
Oppositionspolitik zu machen. Es ist einfach, eine fundamentalistische
Oppositionspolitik zu machen, wie das die Freiheitlichen vorgeführt haben. Aber
eine intelligente Oppositionspolitik zu machen, ist nicht einfach. Ich sage
allerdings dazu: Eine intelligente Oppositionspolitik erfordert auch eine
intelligente Regierungspolitik, weil sonst ist das Ganze ja irgendwie nicht
sehr fair.
Ich glaube
daher, im Sinne einer intelligenten Regierungspolitik ist ein Match, "Wien
gegen den Bund" zu provozieren, einfach nicht sinnvoll. Alle großen
Kulturprojekte sind in einer Verwobenheit gemeinsame Projekte zwischen der
Stadt Wien und dem Bund. (Amtsf StR Mag
Dr Andreas Mailath-Pokorny: Ich warte seit eineinhalb Monaten auf Antwort vom
Bund!)
Na ja, Herr Stadtrat, da muss ich nur sagen, nicht ich habe gesagt, Wien
wird im Kulturbereich ein Gegenmodell zum Bund werden. Sie haben das gesagt,
Herr Stadtrat! Sie haben das öffentlich gesagt. Daher kann ich das auch
zitieren. Sie haben dafür auch kein Lob bekommen. Das "profil" ist ja
nun einmal nicht wirklich jene Zeitung oder jenes Magazin, das die Verteidigung
der Bundesregierung als oberste Redaktionslinie erhoben hat. Aber sogar das
"profil" schreibt über Sie: "Das Asylangebot Mailath-Pokornys
wirkt lächerlich und übertrieben."
Ich meine, als Politiker einem Kollegen gegenüber würde ich nie solche
Worte in den Mund nehmen, aber mir sei es gestattet, das zu ... (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Haben Sie den Artikel gelesen?) Ich habe den Artikel gelesen,
selbstverständlich. Ich habe auch den ... (Amtsf
StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Ich glaube es Ihnen!) Ich kann jetzt
nicht einen ganzen Artikel zitieren, aber ich habe jetzt einmal zum Thema
"Asyl" etwas gesagt.
Da würde ich Sie um etwas bitten. Sie sind ja, glaube ich, ein Mann, dem
Semantik sehr wichtig ist und der auch den nötigen Hintergrund hat. Das gestehe
ich Ihnen alles auch zu, aber ich glaube, mit dem Begriff "Asyl" muss
man ein bisschen vorsichtig umgehen. Ich möchte daran erinnern, nämlich gerade im
Kulturbereich, dass es nicht viel mehr als zehn Jahre her ist, dass in einem
Umkreis von wenigen 100 Kilometern von Österreich tatsächlich Künstler an
Leib und Leben verfolgt wurden. Ich sage nur Solschenizyn, ich sage nur Havel,
ich sage nur Biermann, die emigrieren mussten. Da ging es wirklich um Asyl, das
möchte ich auch sagen, weil sie vom totalitären System des Kommunismus verfolgt
wurden. Es hat damals schon eines anderen Mutes bedurft, in der DDR gegen eine
kommunistische Regierung mit einer Geheimpolizei zu protestieren.
Es gibt aber auch heute noch Künstler, die verfolgt werden. Das ist
überhaupt keine Frage. Ein Todesurteil gegen Salman Rushdie vom islamischen
Fundamentalismus. Da ist, glaube ich, der Begriff "Asyl" wirklich
gerechtfertigt. Aber sind wir uns ehrlich, ob man eine demokratisch gewählte
österreichische Bundesregierung ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger
mag, das hat mit Asyl, mit Vertreibung, mit Schutz wenig zu tun. Es gehört auch
zur politischen und demokratischen Kultur, diese beiden Begriffe klar und
deutlich auseinander zu halten. (Beifall
bei der ÖVP.)
Das Publikum und die Künstler in Wien haben das Recht auf eine intelligente
Kulturdebatte. Wir sind bereit, unseren Beitrag dazu zu leisten und wir sind
auch hoffnungsfroh, Ihren Beitrag zu hören.
Wir haben das übrigens auch, was den Bund betrifft, gegenüber dem Vorgänger
auf Bundesebene, dem Staatssekretär Wittmann, getan. Sie können in Reden von
mir und auch von Peter Marboe nachlesen, dass wir Staatssekretär Wittmann gegen
ungerechtfertigte Angriffe der Öffentlichkeit, aber auch der Politik immer in
Schutz genommen haben, weil wir erkannt haben, dass das für Wien und den Bund,
egal wie die politischen Zusammenhänge sind und egal was es für ideologische
Auffassungsunterschiede gibt, notwendig ist.
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