Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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die Wirtschaftsforscher haben der österreichischen
Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Der einzige Unterschied ist
nur, die Schülerinnen und Schüler müssen die Konsequenzen für schlechte
Zeugnisse immer selber tragen. Für Ihr schlechtes Zeugnis müssen leider die
Österreicherinnen und Österreicher die Konsequenzen tragen, aber wir alle hoffen,
dass wir das nicht lange tun müssen.
Abschließend möchte ich den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Stadt Wien danken, die letztendlich mitgeholfen haben, dieses
Budget umzusetzen und derartig positiv zu gestalten. - Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzende GR Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächste Rednerin ist Frau StR Dipl Ing Dr
Rothauer gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
StR Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Herr
Berichterstatter! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wie die Vorredner aus meiner Fraktion schon ausgeführt
haben, gibt es für uns natürlich keinen Anlass, diesen Rechnungsabschluss zu
kritisieren. Wir stehen vielmehr zu dem, was wir im letzten Jahr, nämlich der
abgelaufenen Koalitionsregierung, geleistet haben. Bei aller Spekulation, die
der Kollege Margulies angestellt hat, ob nun das wirtschaftliche Ergebnis
wirklich so gut ist, wie es sich darstellt und ob es andere, vielleicht
realistischere Ansätze bezüglich der Einnahmensituation gegeben hätte, wo dann
der Saldo anders ausgesehen hätte, ist Tatsache, dass in der Ära der
Mitregierung der ÖVP sehr gut gewirtschaftet wurde, und dass der Abgang
geringer war, nämlich so gering wie noch nie. Wenn Sie sich die Zeitreihen der
Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre ansehen, so ist sehr wichtig, dass der
Schuldenstand gesenkt wurde.
Herr VBgm Rieder hat selber angeführt, dass im Jahr
1995 eine ganz andere Situation war als heute. Er hat ehrlichkeitshalber
dazugesagt, dass wir nicht die Schulden halbiert haben, weil das auch mit der
Ausgliederung des Wiener Wohnen zusammenhängt, aber dass der Schuldenstand sehr
stark zurückgegangen ist. Das ist natürlich zugleich die Periode, wo die ÖVP in
der Regierung mitgewirkt hat. Das alles geschah bei einer Rekordhöhe an
ausgeschütteten Wirtschaftsförderungsmittel.
Im Jahr 1996, meine sehr geehrten Damen und Herren,
als die ÖVP in die Regierung eingetreten ist, betrug die Höhe der
Wirtschaftsförderung insgesamt 1,2 Milliarden S. Im Jahr 2000, über
das wir heute debattieren, waren es 1,95 Milliarden S, im Übrigen
wesentlich mehr als veranschlagt war. Das heißt, dass in der Zeit der
Koalitionsregierung die für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung gestellten
Mittel um 62,5 Prozent angestiegen sind.
Aber nicht nur das Ausmaß der Wirtschaftsförderung
ist ein Gradmesser für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, sondern auch die
Wirtschaftskompetenz, die die Regierung aufzubringen im Stande ist. Da hat
gerade die ÖVP in hohem Maße ihre Wirtschaftskompetenz bewiesen und dies auch
eingebracht. Wie düster es um die Wirtschaftskompetenz in der Zukunft aussehen
mag, beweisen zwei Äußerungen, die in der letzten Zeit gefallen sind, nämlich
die des Wirtschaftstadtrats über die momentane Situation des Wirtschaftsstandorts
und die des Verkehrsstadtrats, der eben erst seine Regierungstätigkeit begonnen
hat. Wir ahnen und befürchten hier ganz Schlimmes.
Ich fange einmal bei der
Ankündigung des Verkehrsstadtrats an, der als Gegenmaßnahme zum täglichen
Verkehrsstau oder Verkehrsgau angekündigt hat, er wolle in den
Spitzenverkehrszeiten die Lkw von der Tangente verbannen. Hier wird nicht nur
der Gärtner zum Bock gemacht, meine Damen und Herren, sondern es wird auch die
stadtwirtschaftliche Dimension in beunruhigender Weise von einem Stadtregierungsmitglied
völlig verkannt, und zwar in gefährlichem Maße verkannt. Die Wiener Wirtschaft
ist nämlich die Hauptleittragende an dieser Verkehrsmisere und an den
verkehrspolitischen Versäumnissen. Bei 50 Millionen S Schaden pro Stunde
Verkehrsstau kann der Wirtschaft wohl nicht unterstellt werden, dass sie
mutwillig und unverantwortlich für ein zusätzliches Verkehrsaufkommen sorgt.
Nicht die vollbeladenen Lkw, meine Damen und Herren, sondern die zu einem
Viertel besetzten Pkw sind jene, die eher an einem mutwilligen
Verkehrsaufkommen beteiligt sind, noch dazu Pkw-Lenker, für die es vielleicht
für ihren eigenen Transport sehr wohl eine Alternative gäbe. Warentransporte
zählen nämlich weltweit unbestritten zum notwendigen Verkehr. Das ist sowohl in
der Fachdiskussion als auch in der politischen Diskussion unbestritten. Wir
haben dieses Bekenntnis auch im noch immer gültigen Verkehrskonzept für die
Stadt Wien und das findet überall in diesem Maße Anerkennung.
Verkehrsinfrastruktur ist auch einer der wichtigsten
Standortfaktoren für einen Wirtschaftsstandort. Verlust an Standortqualität ist
nicht nur ein Problem für die örtliche Wirtschaft, sondern vor allem auch ein
Problem im Wettbewerb der Metropolen und in der internationalen Auseinandersetzung
um Betriebsansiedlungen. Ich sage es mit einem drastischen Slogan: "Wer
den Wirtschaftsverkehr einbremst, bremst die Wirtschaft aus!" (Beifall bei der ÖVP.)
Noch siedeln sich
laut Austrian Business Agency mehr als 50 Prozent der ausländischen
Ansiedler in Wien an. Wien hat damit alle anderen Bundesländer gemeinsam
überholt. Ich glaube, es müsste uns sehr daran gelegen sein, dass sich daran in
der nächsten Zeit nichts ändert, sondern dass wir hier sogar noch besser
werden. Wenn aber jetzt zu einer so erschreckenden und den Wirtschaftsstandort
abwertenden oder dem Wirtschaftsstandort schadenden Ankündigung des
Verkehrsstadtrats noch die Warnung des Wirtschaftsstadtrats hinzukommt, wie
schlecht der Wirtschaftsstandort Wien sich entwickelt hätte, mache ich mir
ernste Sorgen. (VBgm Dr Sepp Rieder: Ist
das das WIFO gewesen oder bin ich es gewesen?)
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