Landtag, 34. Sitzung vom 19.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 79
Landes und des Bundes, das betrifft alle Bereiche des sozialen und gesellschaftlichen Lebens. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft schlägt vor, wie aus dem Bericht ersichtlich ist - wie eigentlich auch am Vormittag erwähnt wurde -, die Überprüfung von Gesetzesvorhaben in Bezug auf das Kindeswohl. Ebenso sei ein Kinderrechte-Mainstreaming empfehlenswert, da es dieses in Wien noch nicht gibt. Deswegen fordern wir GRÜNE auch seit Jahren, dass das Land Wien sich zu den Kinderrechten auch formell bekennt und auch die Kinderrechte in die Landesverfassung aufnimmt.
Zweitens, Partizipation: Viele junge Menschen möchten sich aktiv in unserer Gesellschaft engagieren, auch politisch, sei es in der Bezirksgemeinde, auf Landes-, Bundes- oder Europa-Ebene. Ich kann immer und immer wieder nur das sagen, was ich in diesem Haus bereits 1.000 Mal gesagt habe: Nicht die Jugend ist politikverdrossen, sondern die Politik ist jugendverdrossen. Jungen Menschen wird nicht die Möglichkeit gegeben, sich aktiv in unserer Gesellschaft zu engagieren und sich zu beteiligen. Wir müssen jungen Menschen die Möglichkeit zur Verfügung stellen, durch die sie sich nicht nur gehört fühlen, sondern auch wirklich gehört werden. Bei der letzten Wien-Wahl beispielsweise waren 72.000 Jugendliche, die in Wien geboren wurden, hier arbeiten, hier in die Schule gehen, nicht wahlberechtigt. Denken wir allen Ernstes, dass sie sich, indem sie kein vollständiger Teil dieser Gesellschaft sind, zu unserer Gesellschaft auch zugehörig fühlen wollen? Wenn wir sie als Gesellschaft ausschließen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie nicht Teil von uns sein möchten.
Aus dem Bericht der Anwaltschaft geht auch hervor - was auch sehr spannend ist -, dass ein Drittel der in Wien geborenen Kinder per Geburt nicht automatisch die Staatsbürgerschaft besitzt und somit mit Sekunde 1 ihres Lebens bereits in eine Schublade gesteckt wird. Viele kommen aus dieser Schublade auch gar nicht mehr heraus - das steht im Bericht auch ausführlich drin -, weil sie erst Jahre, nachdem sie aus dem Elternhaus ausgezogen sind, Anträge für eine Staatsbürgerschaft beispielsweise einbringen können, weil die Existenzmittel im Elternhaus unzureichend sind. Da frage ich mich: Was können diese Kinder und Jugendlichen dafür, dass ihre Eltern in der Vergangenheit Fehlentscheidungen getroffen haben? Die Anwaltschaft empfiehlt, was wir begrüßen, die Information zum Thema Staatsbürgerschaft in kindergerechter Sprache und den leichteren Zugang für in Österreich geborene Kinder. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Beim dritten Punkt, und das wird Kollegin Bakos nicht wundern, möchte ich auf die Kinder- und Jugendstrategie eingehen. Wir haben es bereits heute Vormittag intensiv diskutiert und werden es auch jetzt hoffentlich intensiv diskutieren. Die Maßnahmen der Strategie sind hier im Gemeinderat beschlossen worden und müssen bis 2025, also bis nächstes Jahr, umgesetzt werden. Bis dahin ist aber immer noch ein langer Weg. Die Frau Kollegin hat gemeint, ein Großteil ist umgesetzt worden oder ist in Umsetzung. Das stimmt. Ich schaue mir aber jene an, die umgesetzt wurden, und da sind leider nur 40 Prozent umgesetzt.
Die Anwaltschaft hat die Aufgabe, die Umsetzung der Maßnahmen zu überprüfen und jährlich in ihren Berichten darüber zu berichten. Dort kritisiert sie, wie wir, dass die Umsetzung schleppend vorangeht. Als Vergleich habe ich Ihnen die Berichte der letzten Jahre mitgebracht. Im Bericht von 2021 steht drinnen - Zitat: Die MA 13 teilt der Anwaltschaft mit, dass 4 von 193 Maßnahmen umgesetzt wurden. Zum Umsetzungsstand der restlichen 189 Maßnahmen hat die Kinder- und Jugendanwaltschaft keine Informationen. Im Bericht des nächsten Jahres steht drinnen: Die fehlende Kommunikation der Dienststellen mit der Anwaltschaft und die Intransparenz über den Umsetzungsstand wird kritisiert. Und im Bericht dieses Jahr steht drinnen, dass Empfehlungen der Anwaltschaft nicht umgesetzt werden, ebenso, dass die Projekte nicht, wie geplant, partizipativ mit Kindern und Jugendlichen umgesetzt werden sollen, obwohl das im Gemeinderat beschlossen wurde. Für die Umsetzung der Wiener Kinder- und Jugendstrategie wird ein Monitoringsystem eingesetzt. Kinder und Jugendliche müssen überprüfen können, welche Maßnahmen umgesetzt werden und ob die Ziele tatsächlich verfolgt werden. Das steht in der Strategie drinnen. Was wir hier haben, sind Berichte und das ist der Link, den die Kollegin angesprochen hat, den man anklicken kann, die letzte Aktualisierung ist noch vom Dezember. Das heißt, man kann nicht aktuelle Maßnahmen beziehungsweise Umsetzungsstände sehen, das gibt es nicht. Wie in der Aktuellen Stunde auch von mir erklärt, weiß niemand so genau, welche der Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurden, weil - Betonung auf das Wort „tatsächlich“ - der letzte Umsetzungsstand eben ein halbes Jahr her ist. Ebenso wissen wir nicht, wie die Maßnahmen umgesetzt wurden. Sie können einfach behaupten, dass sie umgesetzt sind und wir müssen Ihnen das eigentlich nur glauben.
Ich möchte aber auch auf einen vierten Punkt eingehen, der in dem Bericht nicht genannt wird, den ich aber dennoch als lobenswert empfinde, denn am Montag findet der Tag der offenen Tür statt. Einige GemeinderätInnen aus diesem Haus sind auch eingeladen, um als Politikerinnen und Politiker gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen zu plaudern und eben in Workshops mit ihnen über Politik niederschwellig zu reden und Politik auch greifbar zu machen. Auch diesem Projekt gebührt ein großes Lob meinerseits. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Sehr geehrte Damen und Herren, neben all dem Lob und der Bewunderung für die weisungsungebundene Kinder- und Jugendanwaltschaft, die auf die Finger der Stadtregierung schaut, muss ich hier auch nötige Kritik ausüben. Dies besonders an dem Bewerbungsprozess, da wir erst am 1. Juli, das heißt, bald, einen neuen Kinder- und Jugendanwalt bekommen werden. Dieser Prozess ist unserer Meinung nach nicht so verlaufen, wie wir es uns als Opposition gewünscht hätten. Im zuständigen Bildungs- und Jugendausschuss haben wir unzählige KandidatInnen mit Fachkompetenz und Führungskompetenz und Erfahrung gesehen und erlebt, die sich vor dem Ausschuss auch sehr gut bewiesen haben. Uns ist da als Opposition geschlossen bis heute nicht so ganz bekannt, nach welchen Kriterien der künftige, jetzt von der Stadtregierung,
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