Landtag, 33. Sitzung vom 23.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 20
Vielleicht werfen wir auch jetzt einmal kurz einen Blick aus der Kategorie „Was bisher geschah.“ auf eine kleine „timeline“, wie es zum EU-Renaturierungsgesetz kam und wo es derzeit steht.
Im Juni 2022 hat die Kommission die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur das erste Mal veröffentlicht. Es gab dann im November 2022 die einheitliche Stellungnahme durch die Landeshauptleutekonferenz, die sich gegen den Entwurf ausgesprochen hat. Sie alle haben davon dann wahrscheinlich das erste Mal am 1. Februar 2023 erfahren, als diese Stellungnahme dem Europa-Ausschuss auch zur Kenntnis gebracht wurde. Damals, am 1. Februar 2023, haben die GRÜNEN als Einzige gegen diese negative Stellungnahme gestimmt. Alle Parteien haben für die negative Haltung gestimmt. Die Konsequenz ist eindeutig, ich werde das heute noch ein paar Mal betonen: Eine einheitliche, einstimmige, negative Stellungnahme unter den neun Landeshauptleuten bedeutet, dass sich die Ministerin auf europäischer Ebene enthalten muss oder gegen das Vorhaben stimmen muss. Sie ist in ihrem Abstimmungsverhalten dann gebunden.
Am 12. Juli kommt das Ganze ins Europäische Parlament. Eine sehr knappe Mehrheit spricht sich für das Gesetz aus: 336 zu 300 - SPÖ, GRÜNE, NEOS und Othmar Karas dafür, ÖVP, außer Karas, und FPÖ dagegen. In weiterer Folge - Sie kennen das - gibt es dann die Trilogverhandlungen auf europäischer Ebene, wo man versucht, auf die Bedenken einzugehen. Auch diese sind am 29. November 2023 dann abgeschlossen. Auf sehr, sehr viele Punkte, die wahrscheinlich auch heute wieder in der Debatte fallen werden, wurde eingegangen, es wurde nachgebessert. Am 29. November billigt dann der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments den Kompromiss, die Abänderung. Im Februar 2024 kommt die abgeschwächte oder die Kompromissversion des Renaturierungsgesetzes ins Europäische Parlament. Es gibt eine bisschen deutlichere Mehrheit: 329 dafür 275 dagegen. Bei den österreichischen Abgeordneten wieder SPÖ dafür, GRÜNE dafür, NEOS dafür, Karas dafür, ÖVP ohne Karas dagegen, FPÖ auch dagegen.
Jetzt könnte man eigentlich glauben, gut, an dieser Stelle ist es klar, auf die Bedenken wurde gehört, es wurde inhaltlich etwas substanziell verändert. Das ist seit Februar 2024 klar. Am 3. April treten die Landeshauptleute wieder zusammen und beschließen dort die gleichlautende negative Stellungnahme vom letzten Jahr und bleiben bei ihrem Nein, und damit ist das Renaturierungsgesetz weiterhin blockiert, sehr geehrte Damen und Herren.
Ich möchte jetzt aber ein bisschen genauer hinschauen, denn es gibt neun Landeshauptleute von zwei Parteien. Ich möchte eigentlich mit der ÖVP beginnen, weil mir in den letzten Wochen und Monaten wirklich aufgefallen ist, dass die ÖVP permanent Informationen rund um das Renaturierungsgesetz verbreitet, die einfach nicht stimmen, die falsch sind. Ich gebe Ihnen drei konkrete Beispiele.
Erstens die Außernutzungsstellungen: Johanna Mikl-Leitner hat es im Juli 2023, glaube ich, das letzte Mal gesagt. Ich werde jetzt Johanna Mikl-Leitner immer ein bisschen als Zeugin aufrufen, sie ist halt unsere Landesnachbarin. Nirgendwo in diesem Gesetz steht irgendetwas über Außernutzungsstellungen. Es ist sogar so, dass die Mitgliedstaaten, in Österreich in weiterer Folge die Länder, weil sie dafür zuständig sind, selbst planen sollen, wo sie denn überhaupt renaturieren wollen und wo nicht. Dass die EU jetzt Außernutzungsstellungen vorschreibt, ist also einfach inhaltlich falsch, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Der zweite Punkt, auch mehrfach von der ÖVP gekommen: Enteignungen, es würde um Enteignungen gehen. Auch Enteignungen stehen nicht in diesem Gesetz (Abg. Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Na geh! Man weiß, wie es gemeint ist!), das ist nicht im EU-Gesetz drinnen. (Zwischenruf von Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc und Abg. Mag. Dietbert Kowarik.) Da fühlen sich jetzt gleich mehrere angesprochen. Man weiß, wie es gemeint ist. Es ist nichts von Enteignungen drinnen. Es wundert mich schon immer, dass die Leute, die bei Autobahnen und bei Straßenbau überhaupt kein Problem mit Enteignungen haben, wenn es um die Natur geht, auf einmal ein Problem mit Enteignungen haben. (Abg. Mag. Heidemarie Sequenz: Wiener Neustadt! - Abg. Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Wie schaut es mit ... aus?) Eines sage ich Ihnen schon: Wenn Sie enteignen und betonieren wollen, kann man das nicht essen, aber Enteignung, landwirtschaftliche Flächen und Renaturierung, das ist das, was wir in Zukunft brauchen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ende April hat die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner dann, glaube ich, in der „ZIB“, wenn ich mich richtig erinnere, auch noch etwas vollkommen Absurdes gesagt. Sie hat nämlich gesagt, das Renaturierungsgesetz schade der Landwirtschaft, und man müsse dann den Regenwald abholzen, wenn man dann dort mehr produzieren muss, weil man dann irgendwie Lebensmittel importieren muss. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist aus zwei Gründen vollkommen falsch. Erstens, die Bedenken hinsichtlich der Landwirtschaft. Auf die ist in diesem Gesetzentwurf mehr als nur eingegangen wurden. (Abg. Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Das ist nicht richtig!) Es ist richtig! Der umstrittene Indikator für vielfältige Landschaftselemente - ich nehme einmal an, das ist das, was Sie meinen. Oder meinen Sie etwas anderes? (Zwischenruf von Abg. Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc.) Okay. Also dieser umstrittene Indikator ist nicht mehr verpflichtend. Das ist einmal das Erste.
Zweitens, es wurde sogar eine Notbremse für den Fall, dass es Probleme mit der Lebensmittelsicherheit gäbe, eingebaut, dass die Kommission dieses EU-Renaturierungsgesetz aussetzen muss. Es ist also sogar extra eine Notbremse eingebaut. Als zweiten Grund möchte ich schon noch betonen: Wenn wir bei immer mehr Tieren, auch Bestäubern - und Sie wissen, dass die Landwirtschaft von dieser Biodiversität extrem abhängig ist -, diese Biodiversitätskrise haben, dann ist nicht die Rettung der Natur, sondern die Zerstörung der Natur das Problem für die Landwirtschaft, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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