Landtag, 33. Sitzung vom 23.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 20
(Beginn um 9.02 Uhr.)
Präsident Ernst Woller: Einen schönen guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich ersuche Sie, die Plätze einzunehmen, die Türen zu schließen und die Zwischengespräche einzustellen.
Die 33. Sitzung des Wiener Landtages ist eröffnet.
Ganztägig entschuldigt sind Abg. Greco, Abg. Huemer, Abg. Korosec, Abg. Ludwig-Faymann, Abg. Spielmann, Abg. Taborsky und Amtsf. StR Peter Hanke.
Zeitweise entschuldigt sind Abg. Hursky von 9 Uhr bis 11 Uhr, Abg. Novak ab 14.30 Uhr, Abg. Schmid ab 19 Uhr, Abg. Schober von 9 Uhr bis 11 Uhr und Abg. Schulz ab 13 Uhr.
Vom Grünen Klub im Rathaus wurde ein Verlangen auf Einberufung einer Sitzung des Landtages zum Thema „Das Land Wien hat im Rahmen der Länderstellungnahme nach Art. 23d B-VG die Chance, sich für gesunde Ökosysteme und damit für eine intakte Natur als unsere Lebensgrundlage zu entschieden. - Wir brauchen ein starkes EU-Renaturierungsgesetz jetzt.“ eingebracht. (Abg. Peter L. Eppinger: Bravo!) - Ein schwieriger Satz! In Entsprechung des § 120 Abs. 4 der Wiener Stadtverfassung in Zusammenhalt mit § 8 der Geschäftsordnung des Landtages für Wien wurde zu dieser Sitzung eingeladen. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass in Sitzungen des Landtages auf Verlangen keine Geschäftsstücke behandelt werden. Der Entfall von Fragestunde, Aktueller Stunde und dringlichen Initiativen ist in der Fraktionsvereinbarung festgeschrieben.
Bevor wir zur Erledigung der Tagesordnung kommen, gebe ich gemäß § 15 Abs. 2 der Geschäftsordnung bekannt, dass von Landtagsabgeordneten des ÖVP Klubs der Bundeshauptstadt Wien drei und des Grünen Klubs im Rathaus zwei schriftliche Anfragen eingelangt sind.
Wir kommen nun zur Besprechung des Verlangens. Ich eröffne die Debatte. Zur Begründung und als Erstredner hat sich StR Peter Kraus zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm, wobei ich bemerke, dass seine Gesamtredezeit 30 Minuten beträgt.
StR Peter Kraus, BSc: Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Herr Landesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben den heutigen Sonderlandtag einberufen, weil ein ganz zentrales europäisches Gesetz derzeit und in den letzten Wochen - Sie haben die Debatten, glaube ich, alle verfolgt - auf der Kippe steht, weil es in Europa aktuell keine qualifizierte Mehrheit hat. Es geht um das EU-Renaturierungsgesetz. Bevor ich jetzt dann auch auf die inhaltlichen Punkte dieses Gesetzes und warum es so wichtig ist, zu sprechen komme, lassen Sie mich noch einmal betonen, warum wir diesen Sonderlandtag heute einberufen haben. Dieser Landtag ist heute die Gelegenheit für alle Parteien, Farbe in Sachen Renaturierung zu bekennen, denn es geht darum, die Blockade der Landeshauptleute, der Landeshauptleutestellungnahme bei diesem so wichtigen Gesetz endlich zu durchbrechen und der Renaturierung den Weg frei zu machen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich möchte auf ein paar inhaltliche Punkte kommen, denn was sich hinter diesem vielleicht sperrigen Namen EU-Renaturierungsgesetz, Nature Restauration Law, verbirgt, ist ein extrem wichtiges Vorhaben der Europäische Union. Das Gesetz ist ein zentraler Bestandteil des Green New Deals der Europäische Union, der ja von mehreren Fraktionen und der Kommission und der Mehrheit der Mitgliedstaaten breit getragen wird. Es ist ein wichtiger Meilenstein und weltweit das erste Renaturierungsgesetz zur Bekämpfung der Biodiversitätskrise und der Klimakreise. Diese zwei Krisen - die Klimakrise auf der einen Seite, die Artenkrise auf der anderen Seite - hängen nicht nur ursächlich zusammen und bedingen sich - man spricht von einer Zwillingskrise -, sondern sie müssen auch gemeinsam bekämpft werden. Da aktiv zu werden, heißt also nichts anderes, als dass wir unsere Lebensgrundlagen in Europa retten und sichern, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Eine intakte Natur, die auch ausreichend Platz in Europa, in unseren Ländern, in unseren Städten hat, ist Grundvoraussetzung für eine gute Lebensqualität, ist Grundvoraussetzung für unsere Generationen und für die nächsten Generationen, damit wir alle gesund und sicher auf diesem Kontinent leben können. Es geht um die Rettung der Natur. Laut Europäischer Umweltagentur sind 81 Prozent der Habitate, also der Lebensräume, in schlechtem oder in sehr schlechtem Zustand. Mehr als eine Millionen Arten sind vom Aussterben bedroht, und das bedroht eben nicht nur die Grundlage unserer Existenz, die Natur, in der wir alle leben, das bedroht auch ernsthaft unsere Ernährung, es bedroht die Landwirtschaft, es bedroht unser Trinkwasser, also alles das, was wir für ein gesundes Leben brauchen. Das sind die Gründe, warum wir alle ein Interesse an Naturschutz haben sollten, sehr geehrte Damen und Herren. Alle! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Es gibt auch eine Reihe von internationalen Verpflichtungen - lassen Sie es mich vielleicht einmal von hier ableiten -, die auch Österreich, die auch die Europäische Union eingegangen sind, von denen wir die Renaturierung ableiten können. Das Kunming-Montreal-Abkommen sagt, dass wir das Artensterben global bis 2030 aufhalten, dass 30 Prozent der Ökosysteme wiederherzustellen sind. Wir haben im IPCC-Weltklimarat die Festlegung, dass 30 bis 50 Prozent der kohlenstoffreichen Ökosysteme, das sind Moore und Wälder, renaturiert werden sollen. Warum ist das so wichtig? Das bindet auch CO2. Sie sehen wieder, auch die Renaturierung und der Klimaschutz hängen zusammen. Die CO2-Speicherung, die davon ausgeht, ist auch fest in den Klimazielen der EU verankert, und zwar im Ausmaß von rund 10 Prozent der notwendigen Emissionsminderungen. Das alles sind die Gründe, warum sich auch 170 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Appell an die Politik, an uns alle, gewandt haben. Sehr geehrte Damen und Herren, diesem Appell sollten wir folgen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Warum aber besprechen wir dies alles eigentlich heute im Wiener Landtag? Das ist ja schon eine Frage, die man, glaube ich, stellen muss. (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Ja, wir sind dagegen!) Das EU-Renaturierungsgesetz - das haben Sie, glaube ich, die letzten Tage auch mitbekommen - hat ja aktuell unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine Mehrheit.
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