Landtag, 29. Sitzung vom 25.01.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 31
Kindern das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Kleidung zu verbieten, die mit der Verhüllung des Hauptes verbunden ist („Kopftuchverbot“). In der nachfolgenden Vereinbarung über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 wurde diese Bestimmung entfernt. Der EuGH entschied nun vor kurzem in einem Fall aus Belgien und stellte klar, dass ein solches Verbot des Tragens weltanschaulich oder religiös geprägter Kleidung innerhalb einer öffentlichen Verwaltung im Sinne der Durchsetzung einer „Politik der strikten Neutralität“ für alle Beschäftigten gemäß EU-Recht als „sachlich gerechtfertigt“ gelte. Wird das Land Wien dieser Entscheidung des EuGH im Kindergartenbereich folgen und das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Kleidung verbieten?]
Ich ersuche um Beantwortung.
Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Schönen guten Morgen! Wie Sie in der Anfrage selber anführen, betraf die Bestimmung in Art. 3 der 15a-Vereinbarung über die Kindergärten zwischen Bund und Ländern, die für 2018/19 bis 2021/22 beschlossen worden ist, das Tragen von Kopftüchern bei Kindern. Die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 28.11.2023, auf die Sie sich beziehen, bezieht sich dagegen auf Beschäftigte und nicht auf Kinder. Somit ist die Entscheidung nicht vergleichbar, weil sie sich auf einen anderen Adressatenkreis bezieht. Diese Entscheidung hat damit keine unmittelbaren, aber auch keine mittelbaren Auswirkungen auf die Bestimmungen der 15a-Vereinbarung.
Darüber hinaus muss man sagen, dass die Entscheidung des EuGH eine Entscheidung für den Bereich der öffentlichen Verwaltung ist, allerdings der elementarpädagogische Bereich nicht die öffentliche Verwaltung im engeren Sinn ist. Dies vor allem auch deshalb, weil viele Kindergärten dem privaten Bereich zuzuordnen sind, aber auch die Stadt als Betreiberin der Kindergärten nicht in dieser Funktion, wie sie vom EuGH dargestellt wurde, auftritt.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass es in der Bildungsarbeit in Kindergärten und Kindergruppen Grundlagendokumente gibt, auf deren Grundlage sowohl private als auch städtische Kindergärten, Kindergruppen, Horte, aber auch Tageseltern Grundsätze zu befolgen haben, nämlich Grundsätze in einem Wertekatalog. Diese sind festgehalten im Werte- und Orientierungsleitfaden „Werte leben, Werte bilden - Wertebildung in der frühen Kindheit“. Diese sind für alle privaten und städtischen Kindergärten verbindlich und verpflichtend.
Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass der EuGH ausgesprochen hat, dass im vorliegenden Fall keine Diskriminierung vorliege, da eine solche Regel im Hinblick auf diesen Kontext nur unter Berücksichtigung der verschiedenen Betroffenenrechte und -belange geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Das war die Grundvoraussetzung des EuGH für diese Entscheidung. Entsprechend der Entscheidung des EuGH wäre ein Verbot betreffend das Tragen eines Kopftuchs oder jeder anderen sichtbaren Zeichen religiöser Überzeugung am Arbeitsplatz allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal anzuwenden, und es dürfte dabei nicht zwischen den Religionen unterschieden werden. Das ist auch eine weitere Ausführung des EuGH.
Dementsprechend - zusammengefasst - hat diese Entscheidung keine Auswirkungen auf Österreich, auf die Kindergärten oder die 15a-Vereinbarung.
Präsident Ernst Woller: Danke für die Beantwortung. Die 1. Zusatzfrage wird von Abg. Berger gestellt. Ich erteile ihm das Wort.
Abg. Stefan Berger (FPÖ): Guten Morgen, Herr Landesrat!
Sie haben sehr viel gesagt, was de facto eigentlich nicht gefragt wurde, sondern vielmehr zielt diese mündliche Anfrage ja darauf ab, ob Sie sich als Landesrat für Wien eben eine entsprechende analoge Anwendung insbesondere für den Elementarbereich hier in Wien vorstellen könnten. Es ist sehr wohl so, dass wir auch hier in diesem Haus immer wieder sehr lebendige Diskussionen erleben, in denen insbesondere auch Redner oder auch Antragsteller Ihrer Fraktion hier in diesem Sitzungssaal - da ist es ja sehr angenehm, da ist es gut beheizt, insbesondere in Jahreszeiten wie diesen - sich dann solidarisch zeigen mit Frauen im Iran, die das Kopftuch ablegen, und man Anträge dazu beschließt und sich mit ihnen solidarisch zeigt und das unterstützt. Aber insbesondere im Bereich des Kopftuchtragens zeigen Sie sich insbesondere auch in Ihrem Verantwortungsbereich leider Gottes immer sehr tatenlos, und leider - wie Sie auch heute hier wieder geschildert haben - tun Sie so, als ob Sie hier keinerlei Möglichkeiten hätten.
Deswegen meine Frage: Ist es nicht gewissermaßen auch etwas heuchlerisch, hier Anträge zu beschließen und sich solidarisch mit Frauen zu zeigen, die das Kopftuch ablegen wollen, sich aber gleichzeitig in Ihrem Verantwortungsbereich vollkommen handlungsunfähig zu zeigen?
Präsident Ernst Woller: Danke für die Frage. Ich ersuche um Beantwortung.
Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Das Gegenteil von dem, was Sie ausführen, ist der Fall, denn das Prinzip meiner Politik ist der Rechtsstaat, die Anerkennung von Entscheidungen von Höchstgerichten und das Fördern der liberalen Demokratie. Dementsprechend bin ich selbstverständlich solidarisch und unterstützend gegenüber den Menschen, die im Iran für mehr Freiheitsrechte kämpfen, vor allem den Frauen, die unseren größten Respekt dafür verdient haben, nämlich ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Gleichzeitig bin ich in Österreich auf den Grundlagen des Rechtsstaates auch den Höchstgerichten verantwortlich, die hier eine Bestimmung, die durch das Mitwirken Ihrer Partei in Österreich einmal entstanden ist, aufgehoben haben. Dementsprechend bringen Sie hier einen verfassungswidrigen Vorschlag vor, den ich natürlich nicht aufnehme, denn meine Politik basiert auf den Grundlagen des Rechtsstaates und der Verfassung und auf dem Achten von Höchstgerichten. Dementsprechend bin ich gegen Ihren Vorschlag. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Präsident Ernst Woller: Danke. Die 2. Zusatzfrage wird von Frau Abg. Bakos gestellt. Ich erteile ihr das Wort.
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