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Landtag, 25. Sitzung vom 19.10.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 52

 

werden, und zwar bitte einem Realitäts-Check aus dem Jahr 2023 und nicht aus dem Jahr 1899, wenn es geht. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 

Ja, die Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut, keine Frage, aber nicht ein vermeintliches Verscherbeln ist hier das Problem, worüber wir sprechen sollten, sondern vor allen Dingen ein veraltetes, ein nicht mehr zeitgemäßes, nicht ins 21. Jahrhundert passendes Staatsbürgerschaftsrecht. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Ellensohn, und ich erteile es ihm.

 

10.40.26

Abg. David Ellensohn (GRÜNE)|: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

 

Das Staatsbürgerschaftsrecht hat es ja nicht seit Hunderten von Jahren gegeben, das ist ja eigentlich ein relativ neues Konzept in der Menschheitsgeschichte, das sich erst durch die Nationalstaatenherausbildung etabliert hat, im 19. Jahrhundert in die Gesetzestexte gekommen ist, dann ein Rechtsbündel bedeutet hat, so etwas wie Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichheit bei der politischen Beteiligung, Gleichheit beim Zugang zur Grundsicherheit oder zur Bildung. Das war kein linearer Prozess, denn Frauen und Gleichberechtigung hat schon eine Spur länger gedauert, bis alleine das Wahlrecht gekommen ist. Dann hat es bei den Rechten immer wieder Rückschläge gegeben, vor allem, wie die Zuwanderung überall ein bisschen mehr geworden ist und die Menschen sich halt mehr durch die verschiedenen Länder bewegt haben.

 

Jetzt haben wir in Österreich in diesem Jahrhundert in dem Bereich nahezu ausschließlich bei Gesetzen Verschärfungen, und zwar egal, ob die SPÖ mit der ÖVP regiert hat oder die ÖVP mit der FPÖ. Aktuell haben wir gerade die erste Regierung in dem Jahrhundert, die keine Verschlechterungen gebracht hat in diesem Bereich. Das klingt ja eh wenig, denn keine Verschlechterung ist immer die Unterkante bei allem, aber das muss man ja fast schon als Erfolg feiern.

 

Ich erinnere nur, die SPÖ und das Fremdenrechtspaket 2011, eine Verschärfung nach der anderen beschlossen, Kabinett Kanzler Faymann. Es ist schön, wenn wir heute andere Mehrheiten finden. Es ist ganz einfach: Wenn in einem Staatsgebiet viele Leute wohnen und ganz, ganz viele keine Rechte haben, dann ist es irgendwann einmal keine Demokratie mehr. (StR Dominik Nepp, MA - in Richtung ÖVP: Das ist Ihr Koalitionspartner!) Mit welchem Recht kann man Menschen von Teilhabe ausschließen, wenn sie viele, viele Jahre in einem Land leben, da arbeiten und sonst nichts anstellen und, und, und? Wie soll das gehen? Wieso kann man das verteidigen? Da gibt es einen Satz dazu: Wenn man den Zugang zur Staatsbürgerschaft für ansässige EinwanderInnen nicht öffnet, dann verwandelt sich irgendwann unsere Demokratie zu einer Tyrannei von denen, die alles bestimmen dürfen, und einem großen Teil der Bevölkerung - in Wien mittlerweile ein Drittel -, die nicht mitbestimmen dürfen. Es hat eh eine wahnsinnige Dynamik und es schaut so aus - sagen wir einmal so -, in der progressiven Hälfte sehen das eh alle anders. Da wird es dringend notwendig sein, dass wir in dieser Frage einen Schulterschluss zusammenbringen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich möchte es einmal mit ein paar Zahlen belegen. Ich habe da einen sehr schönen Folder im grünen Archiv ausgegraben, der ist 31 Jahre alt, 1992. (Der Redner hält den angesprochenen Folder in die Höhe.) Da hatten wir rund um Verkehrspolitik die Idee, eine Volksbefragung in Wien zu machen. Erstens schaut er noch relativ upgedatet, modern aus, würde ich sagen, aber inhaltlich: Freie Fahrt für Bim und Bus, grüne Welle für Straßenbahn und Bus überall oder 24-Stunden-Betrieb auf den wichtigsten Verkehrsachsen. Da steht sogar die U-Bahn schon drinnen, die dann viel später gekommen ist, verkürzte Intervalle, flächendeckendes Radverkehrsnetz. Leider liest sich manches so - ich weiß ja, wie das die zehn Jahre in der Regierung war -, dass wir es noch immer fordern könnten. Wir sind also für weniger Dienstwagen für die SpitzenbeamtInnen, und so weiter, und so weiter. Das war 1992. Damals mussten wir dafür 56.000 und ein paar Unterschriften sammeln. Damals haben in Wien 1,5 Millionen Menschen gewohnt.

 

Jetzt möchten wir wieder gerne eine Volksbefragung machen, „Zu Hause zu Teuer“, weil die Wohnungen zu teuer sind. Da haben wir eine Menge Forderungen drinnen, ein paar, die wir hier drinnen ändern könnten, zum Beispiel hätten wir gerne eine Leerstandsabgabe. Das hat unser Wohnsprecher Georg Prack schon öfter ausgeführt. Jetzt müssen wir wie viele Unterschriften sammeln? - Wieder 56.000, gleich viele Unterschiften wie 1992. Jetzt kommt aber die andere Zahl: Heute wohnen wieder 2 Millionen Menschen in Wien. Vor 30 Jahren waren es fast genau 1, 5 Millionen. Es wohnt also ein Drittel mehr Leute hier, 500.000 Menschen mehr. (Abg. Maximilian Krauss, MA: Das sind 25 Prozent!) Und wenn man jetzt sagen könnte, es sind einfach die Gleichen geblieben, müsstest du schon sagen, es sind 500.000 Menschen mehr, und kein einziger Mensch davon darf das unterschreiben, als ob es egal wäre, was die Miete oder Energiekosten zahlen, als ob es die nicht interessieren würde. Diese Demokratie funktioniert nicht, wenn so viele Leute draußen sind. Wenn wir nicht schaffen, die Rechte zum Mitbestimmen von der Staatsbürgerschaft zu entkoppeln, dann muss man eben den Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtern und das besser machen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Jetzt formuliere ich es nicht in erster Linie als Kritik: Der Auftrag in Wien wäre dann halt - denn die Gesetze sind größtenteils woanders zu beschließen -, dass die MA 35 so aufgestellt ist, dass wenigstens dort alles so schnell wie möglich abgewickelt wird, denn auch dort verzögert sich das für viele Leute. Alle Menschen, die in Wien sind, sollen in Wien mitbestimmten dürfen. Alle Menschen, die hier wohnen, sollten das Recht haben, ihre Gesellschaft mitzugestalten. Deswegen braucht es Fortschritte beim Staatsbürgerschaftsrecht und Verbesserungen bei der MA 35. Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abg. Taborsky, und ich erteile ihm das Wort. Bitte.

 

10.45.48

Abg. Hannes Taborsky (ÖVP)|: Ich muss da jetzt ein bisschen einen Kontrapunkt zu meinem Vorredner setzen,

 

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