Landtag, 25. Sitzung vom 19.10.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 52
des Bürgermeisters, zum anderen die Notkompetenz des Stadtsenates, also die §§ 92 und 98 Wiener Stadtverfassung. Wie das so in der Natur der Sache ist, kann eine Änderung dieser Bestimmungen daher auch nur der Wiener Landtag als Gesetzgeber vornehmen und nicht ich als hier befragter amtsführender Landesrat. Ich bin ja der Vollziehung zuzurechnen, insofern möchte ich gerne der Form halber bemerken: Die vorliegende Anfrage betrifft die Gesetzgebung und ist daher vom Interpellationsrecht nicht umfasst.
Aber jetzt, wo ich schon einmal hier stehe, gerne ein paar Bemerkungen von meiner Seite, zuerst einmal zur derzeitigen Regelung: Es handelt sich bei den in der Wiener Stadtverfassung geregelten Notkompetenzen, einerseits den Stadtsenat betreffend, andererseits den Bürgermeister betreffend, wie Sie wissen, um kein Wiener Spezifikum. Vergleichbare Regelungen gibt es im Gemeinde- und Stadtrecht aller übrigen acht Bundesländer. Die Notwendigkeit solcher Regelungen auf Gemeindeebene ist an sich anerkannt, unumstritten und erforderlich, damit eine Gemeinde rasch Entscheidungen treffen kann. Der Wiener Stadtsenat nach § 98 Wiener Stadtverfassung und der Bürgermeister der Stadt Wien nach § 92 Wiener Stadtverfassung haben für Notsituationen und dringliche Fälle, und zwar nur dann, die Möglichkeit, Entscheidungen zur Abwehr von Krisen, Engpässen und Notsituationen zu treffen.
Von diesem Recht der Notkompetenz wurde während der Energiekrise und der extremen Preisschwankungen an den Energiebörsen Gebrauch gemacht - das ist ja allgemein bekannt -, und zwar genau so, wie von der Wiener Stadtverfassung vorausgesetzt. § 92 - im gegenständlichen Fall, um den es geht - Wiener Stadtverfassung berechtigt den Bürgermeister, bei dringlichen Fällen in Angelegenheiten, die in den Wirkungsbereich eines Gemeinderatsausschusses, des Stadtsenats oder des Gemeinderates fallen, unter seiner Verantwortung Verfügungen zu treffen, wenn die Entscheidung dieser Gemeindeorgane ohne Nachteil für die Sache nicht abgewartet werden kann.
Die Ausübung des Notkompetenzrechts unterliegt nach der geltenden Rechtslage strengen Voraussetzungen, die im Falle der Entscheidung in der Energiemarktkrise selbstverständlich samt und sonders eingehalten worden sind. Der Bürgermeister hat richtig und rechtskonform gehandelt.
Jetzt fragen Sie mich, was ich an Änderungen im Lichte der Untersuchungskommission tun werde. Im Hinblick auf die gestern im Wiener Gemeinderat beendete Untersuchungskommission - ich sage noch einmal: gestern beendete Untersuchungskommission - ist erstens einmal in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass dem Bericht an den Wiener Gemeinderat zur Folge die Untersuchungskommission ein Fehlverhalten bei der Ausübung von Notkompetenzen nicht habe feststellen könne. Allein die Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ werfe, so die Untersuchungskommission weiter, vor allem in der tagungsfreien Zeit Fragen auf. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Es gibt keine tagungsfreie Zeit!) Wie ich informiert worden bin, wird daher, wie übrigens auch schon im Endbericht der Untersuchungskommission angekündigt, zum Zweck der begrifflichen Klärung der unterschiedlichen Definitionen der Zeithorizonte im Zusammenhang mit der nachträglichen Genehmigung der unterschiedlichen Notkompetenzen, die die Wiener Stadtverfassung vorsieht, auf Klubebene eine Arbeitsgruppe eingerichtet, und der Begriff soll präzisiert werden.
Präsident Ernst Woller: Ich danke für die Beantwortung. Die 1. Zusatzfrage wird von Herrn Abg. Wölbitsch gestellt, und ich erteile ihm das Wort.
Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP): Herr Stadtrat, ich finde es ein bissel sonderbar, dass der Stadtrat für Demokratie seine Anfragebeantwortung zuerst mit einer Belehrung beginnt und sich dann anscheinend auch unsere Frage nicht genau durchgelesen hat, denn sie bezieht sich natürlich auf die Vorbereitung, und ich hoffe schon, dass Sie als Regierungsmitglied Gesetzesmaterien vorbereiten und vordiskutieren, so wie Sie es auch immer wieder tun, die dann in diesem Hause meistens beschlossen werden.
Daher vielleicht noch einmal meine Frage oder Zusatzfrage: Sie haben als Rathauskoalition selbst angekündigt, dass sie das überarbeiten wollen. Da gibt es zumindest das Commitment der NEOS, bei der SPÖ bin ich mir auch nach Ihrer Beantwortung jetzt nicht so sicher, aber wenn Sie immer wieder auf Veranstaltungen große Reden für mehr Demokratie schwingen, nehme ich auch an, dass es in Ihrem Interesse ist, hier etwas zu tun. Daher meine Frage: Wird es diese Arbeitsgruppe - oder wie auch immer Sie das als Koalition erarbeiten - geben und wird die Opposition dazu eingeladen werden? Es geht ja schließlich bei einer Untersuchungskommission auch darum, wie mit der Opposition umgegangen wird, weil die Untersuchungskommission natürlich für die Opposition das wichtigste Instrument ist. (Abg. Dr. Andreas Höferl: Wir sind die Gesetzgeber!)
Präsident Ernst Woller: Ich bitte um Beantwortung.
Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: Ich entnehme Ihrer Frage und Ihrer Nachfrage einen gewissen Frust über die Untersuchungskommission und den Fortgang, da kann ich Ihnen jetzt nicht weiterhelfen. Ich kann Ihnen nur sagen, ich nehme Sie sehr, sehr ernst, und in dem Endbericht der Untersuchungskommission ist genau das verankert gewesen, was ich vorhin erzählt habe oder von dem ich vorhin berichtet habe, nämlich die Tatsache, dass es in der Ausübung der Notkompetenz kein Fehlverhalten gab und dass es ganz besonders, was die Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ betrifft, eine Arbeitsgruppe auf Klubebene geben soll. Da beziehe ich sehr gerne noch einmal die Antwort auf die Frage in die Erörterung ein: Die Klubebene ist auch die, die zuständig ist, weil es nämlich dem Landtag obliegt, Vorschläge zu machen. Selbstverständlich werde ich meinen Beitrag dazu leisten, allfällige Vorschläge, die der Landtag macht, dann auch in ligistische Form zu bringen und hier vorzulegen.
Präsident Ernst Woller: Danke. Die 2. Zusatzfrage wird von Herrn Abg. Kowarik gestellt. Ich erteile ihm das Wort.
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