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Landtag, 14. Sitzung vom 23.06.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 74 von 83

 

die meisten Großdemonstrationen gegen die Covid-Maßnahmen in Wien stattgefunden, und die dort gesetzten Maßnahmen wurden dann natürlich beim Verwaltungsgericht Wien bekämpft.

 

Zu diesen Verfahren kamen zusätzlich sehr viele Entschädigungsverfahren nach dem Epidemiegesetz hinzu, in welchen Unternehmen Entschädigungen vom Bund fordern. Es handelt sich um Entgeltfortzahlungen, die die Unternehmen leisten müssen, wenn ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgesondert werden, und der Bund muss für diese Zeit dann Entschädigungen zahlen. Auch darüber ist Streit entstanden. Es gibt in diesen Verfahren sehr viele verschiedene Konstellationen, und in Summe geht es um sehr hohe Beträge, weil natürlich große Unternehmen diese Entschädigungen für sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einklagen.

 

Das Verwaltungsgericht Wien sah sich im Berichtsjahr auch mit neuen Zuständigkeiten konfrontiert. Der Bundesgesetzgeber hat das Epidemiegesetz insofern geändert, als er den Rechtsschutz gegen Absonderung neu geregelt hat. Die Rechtsmittel sind ja früher an das Bezirksgericht gegangen, wenn man sich gegen die Absonderung wehren wollte. Das war noch die sehr alte Rechtslage. Seit Oktober 2021 sind jedoch Gesamtbeschwerden gegen Absonderungen an das Verwaltungsgericht Wien möglich. Das hat durchaus eine deutliche Zusatzbelastung bedeutet, denn über aufrechte Absonderungen - und wir haben auch solche Beschwerden bekommen - muss binnen einer Woche entschieden werden, weil es sich ja um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme handelt.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die erschwerten Arbeitsbedingungen bestehen aber nicht alleine in diesen zusätzlichen Verfahren, sondern auch in der Art und Weise, wie wir unseren Beruf ausüben. Erlauben Sie mir daher bitte einen kurzen Einblick in unseren Arbeitsalltag am Gericht.

 

Die unmittelbare Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung ist das Kernstück des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens und ist auf Grund menschenrechtlicher Mindeststandards und insbesondere auf Grund des Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention betreffend das faire Verfahren geboten. Die meisten Verhandlungen mussten als Präsenzverhandlungen bei Einhaltung aller Corona-Schutzmaßnahmen unter erschwerten Bedingungen abgehalten werden. So waren während der Verhandlungen durchgehend Gesichtsmasken zu tragen, was zu Ermüdungszuständen führt. Ungünstige Verhandlungsbedingungen hinter spiegelnden und Plexiglasscheiben sowie die auf Grund der Gesichtsmasken schwer erkennbare Mimik etwa der Zeugen erfordern erhöhte Konzentration und erschweren den Arbeitsalltag ungemein.

 

Viele Verhandlungen mussten aus Quarantänegründen, wenn sie angesetzt waren, wieder vertagt werden, weil Verfahrensbeteiligte erkrankt sind. Diese Vertagungen führten nicht nur zur Verfahrensverlängerung, sondern bedeuten für unser Kanzleipersonal einen beträchtlichen Zusatzaufwand, denn es muss wieder ein neuer Termin organisiert werden, es muss ein neuer Verhandlungssaal organisiert werden, die Termine müssen zwischen allen Beteiligten koordiniert werden, und die Ladungen müssen alle neu ausgefertigt werden.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der geschilderten schwierigen Arbeitsbedingungen auch im Jahr 2021 ist es als eine sensationelle Leistung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verwaltungsgerichtes Wien zu sehen, dass im Jahr 2021 mehr Akten erledigt werden konnten. Es waren gut 17.700 und somit deutlich mehr als in den Jahren zuvor, und die Bewältigung dieser Arbeit ist einzig und allein auf den unermüdlichen Einsatz aller Bediensteten des Verwaltungsgerichtes Wien zurückzuführen. Trotz dieser unglaublichen Leistung ist es auf Grund des noch höheren Einganges dazu gekommen, dass der Stand an offenen Verfahren zum Jahresende weiter angewachsen ist.

 

Gestatten Sie mir daher bitte, dass ich an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verwaltungsgerichts Wien für ihren täglichen Einsatz in diesem zweiten sehr anstrengenden Pandemiejahr meinen allerherzlichsten Dank ausspreche. Auf Grund des herausragenden Engagements und des wirklich großen Durchhaltevermögens der Bediensteten ist es uns gelungen, den Dienstbetrieb während der Gesundheitskrise aus meiner Sicht bestens aufrechtzuerhalten und den Rechtsschutz zu jeder Zeit zu garantieren. (Allgemeiner Beifall.)

 

In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch bei Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ausdrücklich bedanken für die rasche Schaffung der gesetzlichen Grundlagen zur Ermöglichung des Homeoffice, und zwar nicht nur für das nichtrichterliche Personal, sondern auch - und das war das grundlegend Neue - für das richterliche Personal. Das ist bei unserem Gericht sehr gut angekommen. Es hat neue flexible Arbeitszeitmodelle möglich gemacht und hat damit nennenswert zu unserem hohen Output bei den Leistungszahlen beigetragen. Erfreulich ist überdies, dass die auf Seite 8 des Berichts erwähnte Personalbedarfsprüfung des Amtes der Landesregierung für mehr Kanzleipersonal mittlerweile beendet ist. Auch das ist heute schon gesagt worden: Wir haben zehn Kanzleidienstposten für unser Gericht zusätzlich im Dienstpostenplan dazubekommen. Natürlich ist es so, wie Abg. Kowarik richtig gesagt hat, dass wir zehn neue Dienstposten haben und vier Dienstposten bisher im Überstand bereits im Haus waren. Trotzdem ist das eine Errungenschaft, denn ich musste jedes Jahr für diese vier Dienstposten budgetär verhandeln, nunmehr sind auch diese vier Dienstposten im Dienstpostenplan enthalten. Das heißt, es sind tatsächlich sechs neue Personen ins Haus gekommen, aber zehn zusätzliche Dienstposten, und mittlerweile sind all diese Posten zur Gänze besetzt.

 

Jetzt habe ich sehr lange über die Pandemie und ihre Auswirkungen gesprochen, es gibt aber doch auch noch andere Punkte, die einer besonderen Erwähnung wert sind.

 

Zum einen konnten fünf Bedienstete des Fachverwaltungsdienstes an unserem Gericht ihr Ausbildungsjahr zur Landesrechtspflegerin beziehungsweise zum Landesrechtspfleger erfolgreich abschließen. Sie wurden mit

 

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