Landtag, 13. Sitzung vom 21.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 35
immer wieder darauf Bezug nehmen und die thematisieren, dass mittlerweile 30 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Wien kein Wahlrecht haben. Ein großer Teil dieser Jungen ist hier geboren, hat kein anderes Zuhause jemals erlebt als Wien, ist hier geboren und hat keine österreichische Staatsbürgerschaft. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Okay, aber sie können es beantragen!)
Sie können es beantragen. Wir haben vorhin von Kollegin Bakos gehört, welche Hürden es gibt, wie dieses ganze Fremdenrecht gestaltet ist, dass man überhaupt in diesen Genuss kommt. (StR Dominik Nepp, MA: Die deutsche Sprache zum Beispiel! - Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich wiederhole das jetzt nur alles, ich gebe Ihnen nur eine Zahl: 2002 gab es in Wien 40.000 WienerInnen, die in Österreich geboren wurden und keine österreichische Staatsbürgerschaft hatten, 2020 sind es knapp 90.000, das entspricht der Größe von ganz Meidling.
Ich will nicht in einer Stadt leben, in der die Größe eines ganzen Bezirkes hier in Österreich geboren ist und nicht mitentscheiden darf, weil sie nicht die Staatsbürgerschaft hat. Da läuft etwas falsch, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Ich könnte jetzt noch viele weitere Zahlen nennen, wie hoch die Einbürgerungsrate 1982 war, weil ja früher angeblich alles besser war - sie war damals viel höher -, oder wie das in anderen Ländern geregelt wurde - wir haben heute in der Debatte schon sehr viel darüber gehört.
Ich könnte über Standort und über Wirtschaft reden (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Bitte nicht!), weil Sie das vorher eingefordert haben, ob das nicht vielleicht auch eine Frage des Standortvorteiles ist, wie denn internationale Fachkräfte in Österreich und in Wien leben können, und so weiter. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Die Rot-Weiß-Rot-Card haben wir gerade reformiert!) Worauf ich aber jetzt eigentlich abschließend eingehen möchte, ist, dass man heute bei den Reden der ÖVP eines gemerkt hat, nämlich dass sie nicht mehr versteht, was Wien ist. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Aus Ihrer Sicht!)
Wien ist: Wenn man auf die Türschilder bei den Klingeln an den Häusern schaut und die Namen liest, dann liest man dort Aslan und Sachslehner, dort liest man dann Ngosso und Weber, da liest man Juraczka und Emmerling, und das alles ist Wien. Hören Sie endlich auf, die Vielfalt dieser großartigen Stadt zu entwerten! Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als nächste Rednerin ist Frau Abg. Hungerländer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
Abg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Vielen Dank. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Vieles wurde gesagt. Ich werde auf einige Vorredner ein bisschen eingehen, zumindest auf die, die sich sachlich geäußert haben, und dann tatsächlich versuchen, einen eigenen sachlichen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten. Ich möchte gerne mit Ihnen beginnen, Frau Kollegin Bakos. Sie haben gesagt, so wahnsinnig schwierig, so wahnsinnig komplex. Pikanterweise stammen die Beispiele, die Sie genannt haben, alle aus Wien. Die Beispiele, die Sie genannt haben, sind aus den Berichten der Volksanwaltschaft und die beziehen sich alle auf die MA 35.
Also ich weiß nicht, was genau Sie uns damit sagen wollen, außer dass es ein Chaos bei der MA 35 gibt und dass das höchst reformbedürftig ist. (Beifall bei der ÖVP.) Und um es ein für alle Mal klarzustellen: Ja, selbstverständlich, eine Selbsterhaltungsfähigkeit mit all ihrer Komplexität, eine Selbsterhaltungsfähigkeit zählt für uns sehr wohl als Zeichen der Integration.
Zum Kollegen Kraus: Sie haben gesagt, Sie vertreten die Perspektive der Menschen, die in Wien leben. Nun, wir vertreten die Perspektive der Menschen, die in Österreich leben, und die sind zu 60 Prozent gegen einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft. Herr Kollege Krauss, das scheinen Sie nicht ganz mitbekommen zu haben.
Wenn wir über die Beantragung der Staatsbürgerschaft für Menschen, die in Wien geboren sind, sprechen, sind die Gründe dafür deutlich vielschichtiger als das, was Sie angegeben haben. Ich verweise auf eine Studie, die soeben von der Stadt Wien durchgeführt und veröffentlicht wurde, und da ist eine Vielzahl von Gründen drinnen. Da ist nicht nur die Einkommenshürde drinnen, sondern da ist ein junger Mann drinnen, der sagt, er beantragt die Staatsbürgerschaft erst nach dem 35. Lebensjahr, denn da kann er nicht mehr zum Heeresdienst eingezogen werden. Das ist ein Grund. Und es gibt Menschen, die sagen, sie möchten die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes nicht aufgeben. (StR Peter Kraus, BSc: Ich habe nicht über die Staatsbürgerschaft, ich habe über das Wahlrecht geredet!) Warum nicht? Da gibt es verschiedene Gründe, sie haben Grundbesitz, vielleicht wollen sie in der Pension wieder zurück, et cetera, et cetera. Es ist deutlich vielschichtiger als das, was Sie uns versuchen zu sagen: Das ist der böse, böse Staat und die böse konservative, altväterische ÖVP, die sagt, es geht nur um das Einkommen und es geht nur um Integration. Nein, es ist ein vielschichtiges Problem, und wir haben diesen Sonderlandtag einberufen, um dieses vielschichte Problem (StR Dominik Nepp, MA: Es bleibt aber immer aktuell!) zu behandeln. (Beifall bei der ÖVP.)
Und Richtung FPÖ fällt mir tatsächlich nicht mehr ein, als zu sagen, ich kann inhaltlich nichts dazu sagen. Offensichtlich sind Sie an der Komplexität der Materie gescheitert, es ist nämlich zum Thema selbst leider überhaupt nichts gekommen. Vielleicht kommt es ja noch, vielleicht hat sich irgendwer mit der Materie auseinandergesetzt - würde mich überraschen. Aber diese 08/15-ÖVP-Spottrede kennen wir schon zur Genüge, und mehr kommt halt nicht, egal, welches Thema hier verhandelt wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Schauen wir es uns inhaltlich ein bisschen an. Ich ziehe für alles, was ich sage, zwei Quellen heran. Als Basis einerseits eine Anfragebeantwortung, die wir bekommen haben - das war eine äußerst komplexe, vielschichtige und sehr lange Anfrage, die sehr gut und ausführlich behandelt wurde -, zweitens die eben er
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