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Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 68

 

werten alten Ortskerne eigentlich von dieser Höhenbeschränkung ausgenommen werden. Denken Sie etwa an den alten Ortskern von Stammersdorf, wo die Häuser sozusagen direkt aneinander anschließen. Dort kommt das zum Beispiel nicht zum Tragen. Was bedeutet das? - Dass in diesen Gegenden mit geschlossener Bauweise diese Höhenbeschränkung nicht zum Tragen kommt und dort diese wahnsinnig überdimensionierten Dachausbauten weiterhin möglich sind. Daher mein Antrag, dass die geschlossene Bauweise in diese Höhenbeschränkung inkludiert wird.

 

Nun zum vierten und wahrscheinlich wichtigsten Antrag, Kollege Prack hat ihn schon einmoderiert: Streichung der wirtschaftlichen Abbruchsreife in der Wiener Bauordnung. Wir haben schon gehört: Der Abriss von Gründerzeithäusern ist ein sehr lukratives Geschäft in Wien, weil stattdessen immer ein sehr teures Gebäude mit freifinanzierten Wohnungen an diese Stelle rückt, was sich nur ganz wenige Menschen leisten können, womit man aber wirklich fette Gewinne machen kann.

 

In diesem Sinn ist schon relativ viel passiert. 2018 gab es unter Rot-Grün bereits eine Bauordnungsnovelle, die den Abbruch von Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, erschwert. Das heißt, diese Objekte müssen, wenn sie nicht in einer Schutzzone liegen, begutachtet werden. Es ist eine Stellungnahme der MA 19 erforderlich, ob im Hinblick auf diese Bauwerke für den Erhalt des jeweiligen Ortsbildes ein öffentliches Interesse besteht. Doch selbst wenn ein solches Objekt als schützenswert erachtet wird, gibt es in der Praxis noch immer ein - wie ich es bezeichnen möchte - Schlupfloch, wenn nämlich ein Bauwerber auf diese wirtschaftliche Abbruchreife plädiert.

 

Wir wissen, wie viel Missbrauch damit getrieben wird: Ich habe es selbst erlebt in der Donaufelder Straße, wo das Dach eines Hauses mutwillig beschädigt wurde, bis es so kaputt war und es so lange hineingeregnet hat, dass es gar keine andere Möglichkeit mehr gab. Und ich werde dann später noch ein anderes Gebäude erwähnen, wo das gerade derzeit aktuell ist.

 

Ein weiteres Beispiel: Es gab den Fall in der Krieglergasse im 3. Bezirk nahe dem Kunsthaus. Dort wurde ein Ende des 19. Jahrhunderts errichtetes Gebäude in einer Schutzzone in einem Gründerzeitensemble von einer Immobilienfirma erworben, und zwar wahrscheinlich schon mit dem Vorsatz, auf diese wirtschaftliche Abbruchreife zu plädieren. Zwei Jahre später wurde dieses Objekt dann im Beirat des Altstadterhaltungsfonds diskutiert, und man war damals bereit, nicht nur einen Teilbetrag, sondern 100 Prozent der für die Sanierung nötigen Summe aufzubringen. Das waren fast 800.000 EUR, geschätzte Damen und Herren! Fast 800.000 EUR hätte man dafür locker gemacht, um dieses Gebäude zu erhalten. Wissen Sie, was der Investor gesagt hat? - Nein, das will ich nicht.

 

Das heißt: So präpotent kann man sich wirklich nur verhalten, wenn man weiß, dass man auf diese wirtschaftliche Abbruchsreife zurückfallen kann. Das ist wirklich sehr schockierend: Dieses Gebäude wurde zwei Jahre später tatsächlich abgerissen!

 

Daher fordern wir in unserem vierten und letzten Antrag, dass die wirtschaftliche Abbruchreife als mögliche Voraussetzung für die Erlangung einer Abbruchsgenehmigung von Bauwerken in Schutzzonen und Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden, ersatzlos entfällt. Es genügt vollkommen, wenn die technische Abbruchreife, die bisher besteht, bleibt.

 

Ich bin überzeugt, dass hier eine Änderung notwendig wird. Ich weiß noch aus der Bezirkspolitik, dass das in allen Bezirken permanent ein Thema ist. In Hietzing gab es sogar eine Resolution, die mit großer Mehrheit eine Zustimmung fand - auch die SPÖ hat zugestimmt, Frau Stadträtin -, in der genau diese Streichung der wirtschaftlichen Abbruchsreife gefordert wird. Auch dazu gab es natürlich einen Anlassfall. Es geht um ein auch sehr schützenswertes Gebäude in der Hofwiesengasse 29, von dem mir BürgerInnen Fotos geschickt haben. Dieses ist unbewohnt, die Fenster stehen offen, es regnet hinein, und man arbeitet gezielt genau auf diese Situation hin, dass man dann sagen kann: Was soll man denn jetzt noch machen? Man kann es nur mehr abreißen! Es gibt eine Stellungnahme der MA 19, in der die Schutzwürdigkeit festgehalten wurde, aber die neuen Eigentümer plädieren auf diese wirtschaftliche Abbruchreife, und die letztentscheidende Instanz ist natürlich die Frau Stadträtin.

 

Wir appellieren wirklich eindringlich an Sie: Stoppen Sie diesen Missbrauch in dieser ganz konkreten Situation und generell! Und alle hier sind eingeladen, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

 

Präsident Ernst Woller: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre die Verhandlung für geschlossen und erteile der Berichterstatterin, Frau VBgm.in Gaál, das Schlusswort.

 

16.18.30

Berichterstatterin Lhptm-Stv.in Kathrin Gaál|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

GR Marcus Schober hat es ja bereits gesagt: Die Bauordnung für Wien ist definitiv nie etwas Abgeschlossenes. Wir sind wirklich sehr darum bemüht, den gesellschaftlichen Entwicklungen, den sozialen Entwicklungen, aber auch anderen Entwicklungen immer Rechnung zu tragen.

 

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle, wirklich ehrlich gemeint, sehr herzlich danken für diese sachliche Debatte mit sehr vielen interessanten Aspekten, die wir ganz sicher im kommenden Jahr bei der Enquete zur Bauordnung 2023 diskutieren werden. Zu dieser Enquete möchte ich jetzt schon Sie alle, natürlich auch die Parteien der Opposition, sehr herzlich einladen.

 

Auf zwei Aspekte möchte ich ganz kurz eingehen. Herr Kollege Kowarik! Zu Ihrer Kritik bezüglich der fehlenden Übergangsfristen beziehungsweise Übergangsregelungen: Für Bauwerberinnen und Bauwerber, die bereits länger planen und Anträge bereits gestellt haben, gelten natürlich die bisherigen Bestimmungen, darüber sind wir uns ja einig. Mit einer weiteren Übergangsregelung würde man aber Gefahr laufen, lieber Herr Kollege Kowarik, dass eine Antragsflut ausgelöst wird, nämlich von Leuten, die sich noch in die alte Rechtslage retten

 

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