Landtag, 50. Sitzung vom 28.09.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 15
(Beginn um 9.02 Uhr.)
Präsident Ernst Woller: Einen schönen guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren. Die 50. Sitzung des Wiener Landtages ist eröffnet.
Entschuldigt sind ganztägig Herr StR Peter Hanke und die Abgeordneten Aigner, Berger-Krotsch, Hobek, Kunrath, Maresch, Matiasek, Schinner-Krendl, Meinhard-Schiebel, Niegl, Elisabeth Schmidt und Schuster. Zeitweise entschuldigt ist Herr Abg. Hursky bis 10.45 Uhr, Herr Abg. Irschik ab 12 Uhr, Frau Abg. Straubinger bis 11 Uhr und Herr Abg. Wiederkehr von 10 bis 11.30 Uhr.
Vom ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien wurde ein Verlangen auf Einberufung einer Sitzung des Landtages zum Thema „Leistung muss sich wieder lohnen, Verfassungsbruch beenden, Zuwanderung Sozialsystem stoppen - Wien braucht eine Mindestsicherungsreform!“ eingebracht. In Entsprechung des § 120 Abs. 4 der Wiener Stadtverfassung in Zusammenhalt mit 8 § der Geschäftsordnung des Landtages für Wien wurde zu dieser Sitzung eingeladen. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass in Sitzungen des Landtages auf Verlangen keine Geschäftsstücke verhandelt werden. Der Entfall von Fragestunde, Aktueller Stunde und dringlicher Initiativen ist in der Fraktionsvereinbarung festgeschrieben.
Wir kommen nun zur Besprechung des Verlangens. Ich eröffne die Debatte. Zur Begründung hat sich Herr StR Dr. Wölbitsch zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm, wobei ich bemerke, dass seine Gesamtredezeit zehn Minuten beträgt. Bitte, Herr Stadtrat.
StR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Österreich ist ein wunderschönes Land und Wien auch eine wunderschöne Stadt, wunderschön auch, weil wir in diesem Land und auch in dieser Stadt ein sehr stabiles Sozialsystem haben. Aber dieses Sozialsystem ist natürlich nicht vom Himmel gefallen, sondern es hat sehr viele Menschen gegeben, Millionen von Österreicherinnen und Österreichern, die über die letzten Jahrzehnte dieses System über ihre Arbeit, über ihr Engagement, über ihren Fleiß aufgebaut haben und dafür gesorgt haben, dass wir jetzt auch so ein System haben, wo wir Gott sei Dank Menschen unterstützen können, wenn sie sich nicht mehr selbst helfen können. An diese Menschen muss man natürlich auch immer denken, wenn man über das Sozialsystem spricht, denn ein Sozialsystem hat auf der einen Seite Menschen, die Leistungen aus diesem System heraus beziehen, aber auf der anderen Seite gibt es natürlich auch jene Menschen, die mit ihrer Arbeit, mit ihrem Einsatz, mit ihrem Steuergeld dieses System finanzieren. Dieses Sozialsystem und auch die Mindestsicherung stehen natürlich jetzt in der Corona-Krise vor einer wichtigen Prüfung. Und die Frage, die wir uns stellen, ist: Wird dieses System in der jetzigen Form den Herausforderungen gerecht werden, wird jeder Cent an der richtigen Stelle sein, und vor allem, ist dieses System überhaupt noch gerecht in Wien?
Um diese Fragen zu diskutieren, haben wir diesen Sonderlandtag einberufen, weil es natürlich gerade jetzt, zum Zeitpunkt der Corona-Krise, sehr wichtig ist, darüber zu diskutieren, wie belastbar das Sozialsystem ist, so wie wir es in Wien im Moment haben. Ich habe letzte Woche einen Unternehmer getroffen, oder eine Unternehmerfamilie, die ein Gasthaus betreibt und auch Zimmer vermietet. Und die haben mir erzählt, sie haben im Lockdown zwei Mitarbeiter, zwei EU-Bürger verloren, weil die in ihre Heimatländer zurückgegangen sind, und haben dann natürlich Arbeitskräfte gesucht. Das Geschäft ist schwierig, herausfordernd, aber trotzdem haben sie zwei neue Arbeitskräfte gesucht und mir auch von ihren Erfahrungen berichtet. Und das stimmt mich schon ein wenig nachdenklich, denn sie haben gesagt, sie haben unterschiedliche Bewerber dann gehabt, Leute, die auch vom AMS gekommen sind, die gesagt haben, sie wollen eigentlich nur diesen Bewerbungstermin und brauchen nur eine Unterschrift, dass sie da waren, aber eigentlich wollen sie gar keinen Job. Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund, die ganz offen gesagt haben, eigentlich könnten sie über Mindestsicherung und auch ein bisschen Schwarzarbeit mehr verdienen als jetzt in einem offiziellem Job, und warum sollen sie sich das überhaupt antun. - Ja, in der Gastronomie, in der Hotellerie, das sind herausfordernde Berufe, sie sind auch sehr anstrengend und auch sehr intensiv, gar keine Frage. - Das Unternehmen hätte auch etwas über Kollektivvertrag bezahlt. Aber geendet hat das Ganze dann, dass sie keine Mitarbeiter gefunden haben, sondern als Familie zusammengehalten und das Ganze jetzt über die Krise allein und selbst gestemmt haben. So eine Geschichte ist ja kein Einzelfall. Vielleicht auch noch von unverdächtigerer Stelle. Der Sepp Schellhorn, bekannterweise NEOS-Abgeordneter, hat ja auch einmal gesagt, dass er Ähnliches erlebt hat in seinem Betrieb, nämlich, dass er einem Flüchtling einen Job gegeben und den angestellt hat, und der ihm aber irgendwann einmal erzählt hat, er bricht jetzt alles ab und geht nach Wien, weil es in Wien über die Mindestsicherung und über das Sozialsystem eigentlich leichter oder auch möglich ist, zumindest gleich viel oder sogar mehr zu verdienen.
Sehr geehrte Damen und Herren, daher sind wir von der ÖVP auch der Meinung, dass die Wiener Mindestsicherung in ihrer jetzigen Form - und wir haben das ja schon oft gesagt, wir debattieren das mittlerweile seit zwei, drei Jahren, oder sogar noch länger - weder gerecht noch wirksam ist. Das belegen auch klar die Zahlen. Wien hat sich in den letzten zehn Jahren von Rot-Grün zum Sozialmagneten entwickelt, anstatt dessen wir nicht Wirtschaftsmotor geworden sind, wir sind ein Sozialmagnet, aber nicht Wirtschaftsmotor geworden. Seit Sie 2010 das Ruder übernommen haben, ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher um über 60 Prozent gestiegen, die Ausgaben für die Mindestsicherung über 120 Prozent. 2019 gab Wien täglich rund 1,8 Millionen EUR für die Mindestsicherung aus, und obwohl in Wien nur 20 Prozent der Einwohner leben, leben hier 60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher Österreichs. Mehr als die Hälfte davon sind Nichtösterreicher, ein Drittel davon sind Flüchtlinge. Die durchschnittliche Bezugsdauer liegt mit 9,5 Monaten deutlich über jener der anderen Bundesländer. Nur 7 Prozent der Mindestsicherungsbezieher
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