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Landtag, 42. Sitzung vom 28.01.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 41 von 72

 

hat aber erkannt, dass eine stabile Mehrheit für den Austritt aus Großbritannien votiert und jetzt nach den drei Jahren plus eins, es hätte eigentlich schon längst erledigt sein sollen, treten die Briten aus der Europäischen Union aus.

 

Ich finde es nicht gut, oder ich sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Das lachende Auge, weil in letzter Konsequenz ein direktdemokratischer Mehrheitsentscheid gegen den Wunsch der Europäischen Union umgesetzt wurde, das weinende Auge deshalb, weil ich die Briten gerne als starken Partner mit drinnen gehabt hätte, um eine Reformkulisse zu errichten, Druck auf die Europäische Union auszuüben, sich zu verändern.

 

Warum spreche ich von Druck? Genau nach diesem Referendum gab es eine Situation der Nervosität. Ja, man hat seitens der Kommission im Jahr 2016 fünf Vorschläge erarbeitet, wie es mit der Europäischen Union weitergehen könnte. Da gab es fünf Szenarien aus dem sogenannten Weißbuch der EU-Kommission. Szenario Nummer 1 war, man wurschtelt so weiter wie bislang. Die Variante 2: Man reduziert sich auf den Binnenmarkt. Die Variante 3: Man hat etwas wie eine Allianz der Willigen, also Staaten, die sich in Gemeinschaften zusammenschließen und gemeinsam in gewissen Bereichen tiefer kooperieren, was weiß ich, zum Beispiel in speziellen Bereichen das Baltikum, osteuropäische Staaten in Bereichen, die sie entsprechend interessierten, Mitteleuropa, Südeuropa, was auch immer. Diese Möglichkeit wäre ebenfalls nach diesem Denkmodell der Kommission möglich. Dann gab es das Szenario Nummer 4, auf das sich die vormalige Bundesregierung festgelegt hat, das nämlich heißt, man hat weniger an Kompetenzen im supranationalen Bereich und schaufelt Kompetenzen zurück in die Parlamente und in Richtung mehr Demokratie, mehr Subsidiarität. Das wäre das Szenario, das wir weiter anstreben. Das Szenario Nummer 5 wäre halt die totale Vergemeinschaftung.

 

Warum erwähne ich das? Weil diese Reformdiskussion seit dem Jahr 2016 in Diskussion ist und die europäischen Institutionen es bis heute, vier Jahre später, nicht geschafft haben, auch nur die kleinste Antwort darauf zu geben, da die Bruchlinien in diesem europäischen Einigungswerk in der aktuellen Konzeption einfach viel zu stark sind, weil es viel zu viele unterschiedliche Meinungslagen gibt. Es gibt die, die sagen, ob das jetzt Merkel-Macron-Kurs ist, wir brauchen mehr an Zentralismus, wir brauchen mehr an Kompetenzen für Brüssel, und diejenigen, hauptsächlich in den Staaten Osteuropas, die sagen, sie wollen wieder mehr Kompetenzen in ihre Länder zurück haben.

 

Es ist etwas sehr Wichtiges, hier aufeinander zuzugehen. Man hat den Briten im Prinzip damit gezeigt, dass man nicht in der Lage ist, auch auf andere Meinungen einzugehen, auch die Meinung der Briten vielleicht entsprechend zu verstehen, etwas Gemeinsames zu finden, anstatt das Trennende zu kultivieren, dass die Briten dann im Jahr 2019 bei den Wahlen ins britische Unterhaus entsprechend festgehalten haben, dass die Brexiteers, also die, die aus der Europäischen Union herauswollen, auch mit einer entsprechenden Mehrheit ausgestattet werden.

 

Und gerade in dieser sensiblen Phase, in der die Briten aussteigen wollen, hat man es auch nicht unterlassen, Teilen der europäischen Völkerfamilie quasi einen Fußtritt zu verpassen, im Konkreten den Ungarn und den Polen, die beide mit einem Art. 7-Verfahren konfrontiert sind, an dessen Ende es stehen kann, dass sie ihrer Rolle im Europäischen Rat verlustig gehen, nicht mehr abstimmen zu können, was de facto der Ausschluss aus der Europäischen Union wäre.

 

Und jetzt behaupte ich, dass Europa nicht nur aus den Merkels und Macrons besteht, sondern Europa auch besteht aus den Orbáns, aus den Kaczyńskis, aus den Salvinis, aus den Le Pens, die Parteien, die die Mehrheit in ihrer Bevölkerung entweder schon haben oder am Weg dort hin sind, und die keine Zerstörer sind und die keine schlechten Politiker sind, die nur mehr an Kompetenzen wieder zurück für ihre Staaten wollen. Und das ist ein gutes und richtiges Ansinnen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Und den Freunden Macrons, die auch hier sitzen, kann ich auch nur mitteilen, dieser Herr, ein Vertreter der französischen und internationalen Bankenlandschaft, hatte seine Chance. Jetzt demonstrieren die Gilets jaunes, die Gelbwesten, jetzt demonstriert die französische Bevölkerung gegen ihn, auf Grund seiner Pensionsreform. Die Agrarwirtschaft demonstriert gegen ihn, und er hat längst die Mehrheit verloren. Das ist der falsche Kurs. Schauen sie nach Italien, ein Matteo Salvini, der mehr und mehr an Stimmen erhält - na, wenn er da und dort nicht mehr als 50 Prozent erreicht, heißt es schon, das war ein Misserfolg. Mitnichten! Und dieser Weg ist ein Weg, der für die Zukunft Europas ein guter wäre.

 

Wenn Sie sich anschauen, welche großen Bruchlinien dieses Europa gerade hat, wird man nicht umhinkommen, darauf Antworten zu finden, trotz aller Wichtigkeit, dass man auch über Bakterien, Bienen, Spermienanzahl und Ähnliches eine Debatte führt, und zwischendurch eine Turnübung macht. Die großen Fragen Europas sind, wie gehe ich mit dem Thema Migration um, die in Wahrheit eine illegale Migration ist. Und all diejenigen, die sagen, dass Asyl etwas Wichtiges ist - da gebe ich Ihnen recht -, nur Sie müssen berücksichtigen, dass zwei Drittel jener Personen, die nach Europa kommen, nach intensivsten Prüfverfahren weder den Status eines Genfer Konventionsflüchtlings haben noch den eines subsidiär Schutzberechtigten haben und trotzdem in einer überwiegenden Zahl - ich würde sagen, mehr als 95 Prozent - in Europa verbleiben. Und das sehen wenige Menschen ein.

 

Die Europäische Kommission hat es ja selbst gedacht, wir haben es vorher schon vielfach gesagt: Warum nicht in den Regionen selbst sichere Zonen schaffen, anstatt Tür und Tor offenzuhalten, alle Häfen wieder aufzumachen, all denen, die glauben, nach Europa kommen zu können, mit falschen Versprechen, Tausenden von Euros an irgendwelche Schlepper, und die dann hier bei uns für Probleme sorgen, die sie in der Hauptstadt Europas, in Brüssel oder in Straßburg, sehen können. In beiden Städten herrscht nämlich rund um das

 

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