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Landtag, 33. Sitzung vom 19.12.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 46

 

haben an der Tatsache, dass sozusagen der große Konzern weniger Steuern zahlt als der Portier, nichts geändert. - Ich weiß nicht, ob Sie das wollten, geschehen ist es jedenfalls nicht, und die vollmundige Ankündigung des Finanzministers ist verpufft.

 

Bleibt mir die aktuelle Lage in der Europäischen Union, und ich komme zum Brexit: Ich versuche, jetzt einmal herunterzubrechen, was das heißt. Ich habe nämlich inzwischen wirklich die Befürchtung, dass es rund um die Frage Brexit zu einer sehr schwierigen Situation beziehungsweise zu einer Katastrophe - ich weiß nicht, ob man das nicht doch so bezeichnen sollte - kommen wird.

 

Ich sage jetzt, weil auch das heute gesagt wurde: Ich bin nicht dafür, dass sich die Europäische Union in die Frage des Vereinigten Königreichs einmischt, wie dieses mit seiner eigenen Volksabstimmung umgeht. Das ist, quasi subsidiär, eine innenpolitische Frage. Wir haben einen Vertragsentwurf, den die 27 Staaten gemacht haben. Dieser liegt auf dem Tisch, das Vereinigte Königreich kennt ihn, und das Vereinigte Königreich muss jetzt darüber entscheiden, wie es vorgeht. Ob das Vereinigte Königreich noch eine Volksabstimmung machen soll oder nicht, das will ich jetzt gar nicht beurteilen, aber es wird einen Weg geben müssen, denn wenn es diesen Weg nicht gibt, wird es zu einem Hard Brexit kommen, und dieser wird primär den Bürgerinnen und Bürgern des Vereinigten Königreichs, aber jedenfalls auch uns schaden.

 

Deswegen kann ich Sie beruhigen: Wien wird nicht sofort wahnsinnig darunter leiden, das ist richtig. Aber schön wird es nicht sein, und es werden Österreicherinnen und Österreicher darunter leiden, die jetzt im Vereinigten Königreich leben. Daher werden wir unser Augenmerk darauf legen müssen, den Schaden möglichst zu minimieren. Das hat nichts mit Einmischen zu tun. Aber der gute Ratschlag, den wir unseren FreundInnen in Großbritannien beziehungsweise im Vereinigten Königreich geben sollten, lautet: Kinder, denkt nach, ob das eine gescheite Idee ist!

 

Das hat nichts mit Bevormundung zu tun, das möchte ich Ihnen sagen, sondern das ist solidarisch, und ich glaube, es ist auch gut, wenn man so vorgeht, denn die Regionen Europas stehen wesentlich im Vordergrund und sind ja das, was uns verbindet. Ich habe nach wie vor eine tiefe Verbindung zur Region Großlondon und zur Stadt Großlondon. Sie ist eine beschwesterte Stadt, und wir wünschen ihr alles Gute! Das kann ich aber bei der Umsetzung des Brexit genauso wenig sehen wie in Nordirland.

 

Ich hab zwar verfolgt, aber nicht verstanden, was zum Thema Wohnen gesagt wurde. Richtig ist, dass die Wohnpolitik der Stadt Wien international geachtet wird, und auch ich glaube, dass sie richtig ist und dass man sie ausbauen und verstärken muss. Das haben wir uns vorgenommen. Und man muss diese Wohnpolitik auch dementsprechend europäisch bewerben, was wir auch tun werden. Das haben wir auf einem Kongress in Wien jetzt getan, und das werden wir auch international tun, und das soll man sich nicht schlechtreden lassen. - Das zu der Aussage dazu, denn das hier ist ja bekanntlich keine Wahlkampfveranstaltung.

 

Ich komme damit zur Frage zurück, was wir unter dem Begriff Europäische Union verstehen und was die entsprechende Idee ist. Ein Redner hat heute, wenn ich mich nicht täusche, quasi zur Rückkehr zur wirtschaftlichen Union und zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aufgefordert. Meine Damen und Herren! Das ist nicht die Idee der Europäischen Union! Die Idee der Europäischen Union entstand aus der Idee der Montanunion, und die Montanunion war primär kein Wirtschaftsprojekt, sondern die Montanunion war primär ein Friedensprojekt. Das ist das Grundverständnis der Europäischen Union.

 

Hören wir deshalb auf, Europa ausschließlich als ein Europa von Wirtschaftsbeziehungen, Handelsbeziehungen, Zollbeziehungen und Konzernen zu begreifen. Es geht um das Europa der Menschen, und damit bin ich wieder dort, wohin wir gehören, nämlich zum Europa, das schützt. Ein Europa, das schützt, schützt seine Menschen, und es schützt sie unter anderem durch den Ausbau der sozialen Säule und nicht durch eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft, so wichtig diese Wirtschaftsbeziehungen sein können, das ist aber nicht der Gedanke der Europäischen Union.

 

Der Abg. Stefan Schennach hat heute darauf hingewiesen, dass die europäische Idee ihre Wurzeln bei Stefan Zweig findet. Und das ist richtig. Sie findet ihre Wurzeln auch bei Sir Winston Spencer Churchill, bei Jean-Baptiste Schuman und Simone Weil. Das sind wesentliche Figuren, Personen im Zentrum der Europäischen Union, und diese repräsentieren in einem guten Ausmaß die Idee der Europäischen Union.

 

Meine Damen und Herren, das ist etwas, was wir uns immer vor Augen rufen sollten, der Dichter spricht: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“ Und das gilt natürlich auch für die Europäische Union. Diese ist immer wieder neu zu erobern, neu zu gestalten, neu zu entwickeln, und das tut man am besten, indem man den ursprünglich geplanten Prozess der ständigen Vertiefung fortsetzt und nicht den Irrweg der Zerspragelung der Union geht.

 

Dafür tragen wir alle eine Verantwortung und die möchte ich hier in Erinnerung rufen. Das ist das, was wir an einem Europatag im Wiener Landtag bedenken sollten: Wir tragen alle miteinander eine Verantwortung für Europa, und so sollten wir - ich weiß, mir wird man nicht unbedingt folgen - uns den Appell zu Herzen nehmen, den kommenden Wahlkampf zur Wahl zum Europäischen Parlament vernünftig, rational, nicht hassgeprägt und jedenfalls ohne Fake News zu führen.

 

Herr Abg. Jung, wir kennen uns jetzt doch schon einige Zeit und Sie waren Stellvertretender Vorsitzender, Sie sind ja formal noch Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für europäische und internationale Angelegenheiten. Ich möchte mich als Vorsitzender dieses Ausschusses bei Ihnen ausdrücklich für Ihre Arbeit, die Sie dort geleistet haben, bedanken. Das ist jetzt nicht nur so dahin gesagt. Sie waren halt ein Oppositionspolitiker, und ich gebe zu, ich werde nicht jede

 

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