Landtag, 28. Sitzung vom 05.10.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 28
Bereiche, die damit zusammenhängen. Es ist ein Diebstall über Jahre hinweg an Kindern und an ihren Chancen. Die soziale Herkunft und das soziale Milieu, die Bildungsbiographie der Eltern, die Berufsbiographie der Eltern und die Einkommenssituation der Eltern beeinflussen ganz stark die Bildungsmöglichkeiten und den Bildungserfolg der Kinder. Ja selbstverständlich, das ist ja vielfach in Studien dokumentiert. Die Bildung … (Abg. Armin Blind: Sie verwechseln Kausalität mit Korrealität!) Diese sozialen Unterschiede sind viel wesentlicher als die Frage, in welchem Land jemand geboren wurde oder aus welchem Land jemand nach Wien gekommen ist oder welche Sprache oder Sprachen zu Hause gesprochen werden. (Abg. Armin Blind: Keine Ahnung!) Die Unterschiede und Trennlinien verlaufen nicht entlang der Migrationsbiographie, oder sie verlaufen auch entlang der Migrationsbiographie, aber zusätzlich ist extrem wesentlich, welches soziale Milieu verbindet oder trennt. Demgegenüber braucht es eine soziale Durchmischung. Diese soziale Durchmischung zu fördern, ist eine große Herausforderung, und da können Modelle wie die gemeinsame Schule, aber auch eine kooperative Elternarbeit eine Unterstützung sein. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Aber wie gesagt, wo kein politischer Wille, da kein Weg. Und wenn der politische Wille fehlt, dann fehlen auch die Ressourcen und dann wird bewusst und absichtlich ein System der Überforderung auch produziert. Die Streichungen … (Abg. Armin Blind: Was haben Sie bis jetzt …) Ich komme dazu, aber es ist heute schon erwähnt worden, es ist mehrfach erwähnt worden. Ich meine, Sie unterscheiden jetzt schon auch zwischen den GRÜNEN und der Koalitionspartnerin. (Abg. Armin Blind: Lächerlich!) Die Maßnahmen in Wien haben wir schon erwähnt, und wir reden regelmäßig darüber. (Aufregung bei Abg. Armin Blind.) Aber wenn Sie es nicht hören wollen, dann werden Sie es auch nicht hören können!
Die Streichungen im Integrationsbereich, die Streichungen im Integrationstopf, 80 Millionen EUR, haben ja konkrete Auswirkungen. Es ist ja nicht so, dass es Geld ist, was nicht gebraucht wird. Wir brauchen Ressourcen. Es ist heute schon öfter angesprochen worden, wir brauchen mehr Schulsozialarbeit, wir brauchen SchulpsychologInnen, wir brauchen interkulturelle Teams vor Ort, und wir brauchen damit eine Unterstützung der Schüler und Schülerinnen, der Eltern und des Lehrkörpers! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Dabei bräuchte es mehr Ressourcen. Es bräuchte mehr qualifizierte und geschulte Personen an den Schulen, um den Schülerinnen und Schülern die Auseinandersetzung mit den medial und gesellschaftlich omnipräsenten Themen zu ermöglichen (Abg. Mag. Wolfgang Jung: Die müssen erst einmal Lesen und Schreiben lernen! Das ist das Problem!), Diskussionen zu führen, von Charlie Hebdo angefangen über alle anderen Terroranschläge, über Gesetze wie das Burkaverbot, über die Abschiebungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler und darüber, dass manche von ihnen, nämlich die muslimischen Schülerinnen und Schüler, täglich von allen Seiten zu Sündenböcken gemacht werden. Und es braucht auch mehr Ressourcen für das Empowerment für Mädchen und für Frauenförderung - vom Bund gestrichen -, für die geschlechtersensible Burschenarbeit, für alles, was mit Gender zu tun hat, weil tatsächlich die Auseinandersetzung mit Patriarchat und mit konservativen Strukturen innerhalb der eigenen Familie, innerhalb einer Community, innerhalb der Peergroup, innerhalb der Gesellschaft wichtig und notwendig ist. Das ist das, worauf wir seit Jahren bestehen und was wir seit Jahren fordern, und Sie lehnen das ab! (Abg. Armin Blind! Sie sind ja gegen das Kopftuch!) Sie lehnen das ab! Sie würden auch nicht einmal in Betracht ziehen (Abg. Armin Blind: Sie ermöglichen es ja!), sich das Frauenvolksbegehren wahrscheinlich auch nur durchzulesen, geschweige denn zu unterschreiben. (Abg. Armin Blind: Das ist ja eine Lächerlichkeit zum Quadrat!)
Wir warten in Wien nicht darauf, dass etwas auf der Bundesebene passiert. Das haben wir nicht gemacht, die letzten Jahre über auch nicht. Wir haben zum Beispiel unter anderem, und das ist nur ein Beispiel, aber es ist ein sehr wesentliches, seit 2014 das vorbildhafte Netzwerk „Deradikalisierung und Extremismusprävention“, das mittlerweile „Netzwerk für Demokratie, Kultur und Prävention“ heißt. Es ist ein vorbildhaftes Netzwerk. Es hat auf europäischer Ebene hohe Anerkennung, aber auch bundesweit. Wir haben uns mit diesem Netzwerk in die Entwicklung der Bundesstrategie zur Deradikalisierung und Extremismusprävention eingebracht.
Das bringt mich zum dritten Punkt, nämlich zu den Maßnahmen, die gesetzt werden, und der Haltung dahinter, mit der diese Maßnahmen umgesetzt werden. Das Wiener Netzwerk, das ich jetzt angesprochen habe, ist ein breiter Zusammenschluss von bestehenden Einrichtungen, von der MA 10, MA 11, MA 13, MA 17 über den Stadtschulrat, die Schulsozialarbeit, und so weiter, und der Koordination der Kinder- und Jugendanwaltschaft. Wir arbeiten an einer kommunalen Strategie gegen Extremismus und gegen Abwertungsideologien. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, die Abwertungsideologien. Darum geht es nämlich ganz stark, wenn unter Jugendlichen Themen angesprochen werden wie Nationalismus und Nationalismen, Rassismus, Homophobie, Sexismus. All diese Themen, die angesprochen werden, hängen mit Abwertungen zusammen. Und hier möchte ich schon ansprechen, dass Abwertung ein ganz zentrales Element hier in diesem Hohen Haus ist. Wenn wir es nicht schaffen (Aufregung bei Abg. Armin Blind und Abg. Mag. Dietbert Kowarik.), hier anders miteinander umzugehen - ja, ich schau schon Sie an, ich schau schon Sie an! Ich höre auch jedes Mal regelmäßig, wie Sie mit mir sprechen, wie Sie mit mir hier umgehen! (Abg. Armin Blind: Und Ihr Klubobmann?) Ja, aber auf welche Art und Weise, auf welche Art und Weise! Seit drei Jahren erlebe ich hier Abwertung! (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Wie Ihr Klubobmann das macht!) Wie sollen die Schüler und Schülerinnen einen anderen Umgang miteinander erfahren und lernen, wenn hier das von Ihnen vorgelebt wird! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - Aufregung bei Abg. Armin Blind.)
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular