Landtag, 14. Sitzung vom 03.03.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 62
wir, dass diese Zahl auf fast 1.800 EUR pro Jahr, pro erwerbstätigen Wiener steigen würde, würden wir nicht gegensteuern. Und da den Kopf in den Sand zu stecken, wie Sie das tun, Frau Kollegin Hebein, ist einfach unseriös, da jedes Sozialsystem nur so gut ist, soweit es finanzierbar ist. Das sollte über alle ideologischen Barrieren hinweg auch Ihnen klar sein.
Was mir bei dieser Problemanalyse am heutigen Tag zum Thema Mindestsicherung viel zur kurz kommt, meine Damen und Herren, ist das Aufteilen in zwei Problemstellungen. Nämlich als Erstes mit der Einsicht des Herrn Bürgermeisters vorausgehend, dahin, dass es Missbrauch gibt. Kollege Nepp hat es auch schon angesprochen, da gibt es im Rohbericht des Rechnungshofes Phantomkinder, das heißt, schulpflichtige Kinder, für die Leistungen bezogen werden, die allerdings in keiner Schule auffindbar sind, von keinem Beamten dieser Stadt je persönlich gesehen wurden und man deren Existenz ganz schlicht und einfach im höchsten Maße anzweifeln muss. Da gibt es das Thema, dass beispielsweise in Wien die Mindestsicherung auch nicht wie vom Nationalrat im Juni 2010 eigentlich angedacht 12 Mal, sondern 14 Mal ausgezahlt wird. Das ist eine politische Entscheidung, aber auch die, denke ich, ist angesichts der Kosten jedenfalls zu hinterfragen.
Und die zweite Problemstellung, völlig abseits dessen, dass es Missbrauch gibt, der dringend abzustellen ist, ist die Frage der Neugestaltung der Mindestsicherung, damit sie genau das ist, was Bgm Häupl sie heute hier von dieser Stelle auch genannt, oder von dieser Stelle da hinten auch genannt hat, nämlich das letzte Netz, das es auch sein soll. Wir bekennen uns dazu, aber als Trampolin und nicht als Hängematte, meine Damen und Herren. Das ist der wesentliche Unterschied. Als Hilfe, um wieder ins Erwerbsleben zurückzukommen, und nicht als Entweder-oder-Entscheidung, wie es leider Gottes immer wieder wahrgenommen wird. Und das kann es nicht sein, das ist nämlich auch ungerecht denen gegenüber, die es zu finanzieren haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich möchte daher zum wiederholten Mal, aber nicht weniger dringlich, unseren Antrag zur Reform der Bedarfsorientierten Mindestsicherung einbringen, mit den bekannten Themen, nämlich einer einheitlichen Obergrenze von 1.500 EUR bei Mehr-Personen-Haushalten. Das ist nicht inhuman, meine Damen und Herren, 1.500 EUR netto kommen durchaus einem Meridianeinkommen in Österreich gleich, und man weiß ja sehr wohl, unter dem Thema „Kinder sind nicht gleich viel wert“, und so weiter, dass Kinderbeihilfe hier selbstverständlich „add on“ dazukommt. Das heißt, als letztes Netz ist es durchaus sinnhaft, vernünftig, was darüber hinausgeht, sollte durch eigener Hände Fleiß erarbeitet werden, wie ich meine.
Genauso fordern wir in diesem Antrag, dass diese Mindestsicherung erst an Personen ausgezahlt wird, die drei Jahre in das System eingezahlt haben, meine Damen und Herren, subsidiär Schutzberechtigte in der Grundversorgung verbleiben und man von Geld auf Sachleistungen umzusteigen hat in vielen Bereichen. - Das zu diesem Antrag. (Beifall bei der ÖVP.)
Einen zweiten Antrag möchten wir in diesem Zusammenhang aber ebenfalls einbringen, weil es auch hier Unklarheit gibt, wie die Stadtregierung oder wie die rot-grüne Koalition sich in einem ganz wesentlichen Thema, das uns natürlich auch auf bundespolitischer Ebene beschäftigt, verhält, nämlich bezüglich des aktuellen Fremdenrechtspaketes, meine Damen und Herren. Es ist ja nicht das erste Mal, denken wir nur an den Asylgipfel im Frühjahr 2016, dass es irgendwie das seltsame Match Rot-Schwarz gegen Rot-Grün gibt, Bund gegen Land. Die GRÜNEN halten es aus, wir halten es aus, es besteht nur die Gefahr, dass die Roten irgendwann in dieser Doppelstellung schizophren werden. Soll so sein, ich finde es nur eigenartig, dass man jetzt gerade von Seiten Wiener SPÖ-Abgeordneter ein gemeinsames Regierungsprogramm torpediert, das gerade einmal vor exakt einem Monat unter Ägide des neuen Bundeskanzlers Kern initiiert wurde, wo Kern darauf bestanden hat, dass alle unterschreiben. Tja, klar, von uns stellt dieses Fremdenrechtspaket keiner in Abrede, wie ich gehört habe, tut es die Wiener SPÖ, unter anderem die Abgeordnete Jurtmas, die ja lange Zeit auch hier (Abg. Dr. Jennifer Kickert: Yilmaz!) - Entschuldigung, es war nicht Absicht - jedenfalls ganz vehement. Auch das ist für uns Grund zur Besorgnis, denn auch dieses Fremdenrechtspaket hat ganz unmittelbare Auswirkungen auf die Stadt Wien und auf die weitere Entwicklung, auch was unsere Kosten für die Mindestsicherung betrifft. - Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Prof. Harry Kopietz: Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, darf ich der guten Ordnung halber für das Protokoll eine Richtigstellung vornehmen. Am Beginn des Landtages wurde Herr Abg. Meidlinger als entschuldigt gemeldet, der Abg. Meidlinger ist aber schon den ganzen Tag da und bleibt auch bis zum Schluss.
Zu Wort gelangt Frau Abg. Hebein. - Bitte, Frau Abgeordnete.
Abg. Birgit Hebein (GRÜNE): Werter Herr Vorsitzender! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen!
Ich beginne einmal so: Wir verhandeln jetzt hier in Wien schon den fünften Monat irrsinnig intensiv für ein neues Modell. Intensiv deswegen, weil es schon lange nicht mehr darum geht, welche monetäre Leistungen Menschen in Not erhalten sollen, sondern auch, wo können wir Brücken bauen hin zu anderen Organisationen, wie schafft man Arbeit, Beschäftigung und Ausbildung für MindestsicherungsbezieherInnen, vor allem jugendliche - da habe ich ja schon sehr oft betont, dass die Sorge groß ist, dass diese sich in der Mindestsicherung verfestigen -, wie schafft man Perspektiven und Brücken in den Bildungsbereich und zu anderen Institutionen.
Das halte ich für enorm wichtig, weil wir ja mit der Mindestsicherung nicht nur eine soziale Absicherung schaffen wollen, sondern auch Perspektiven. Und ich sehe darin eine Chance, eine Chance vielleicht ein Stück weit wegzukommen von diesem Neiddiskurs, von diesem
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