Landtag, 38. Sitzung vom 27.03.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 64
nen meinen, dass das Recht der Bürgerinnen und Bürger nur dann erfüllt ist, wenn ein proportionales Verhältniswahlrecht, nämlich ein absolut proportionales Wahlrecht, eingeführt wird.
Ich kann dazu nur sagen: Letzteres gibt es in zwei Staaten dieser Welt, und zwar erstens in den Niederlanden in Bezug auf die Staten-Generaal, wie dort die Bundesversammlung heißt. In den Staten-Generaal sind 15 Parteien vertreten. Es gibt dort viele Ein-Personen-Fraktionen, und es sind viele Fraktionen notwendig, um eine Regierung bilden zu können. Es ist derzeit eine Ausnahme, dass nur zwei Fraktionen eine Regierung bilden können, und selbst diesfalls ist in der zweiten Kammer die Unterstützung von drei, vier anderen Fraktionen notwendig.
In Israel waren gerade Wahlen: Dort sind acht Parteien vertreten, und es gibt zwei Parteienbündnisse, wobei bei den Parteibündnissen wahrscheinlich, wenn man das rechnet, auch so viele Parteien zusammenkommen, wie wir sie im niederländischen Parlament sehen können.
Ich glaube nicht, dass diese Form von Parlamentarismus dazu angetan ist, eine kontinuierliche und nachhaltige Arbeit zu gewährleisten. Aus meiner und aus unserer Sicht wird durch mehrheitsbildende Elemente, wie sie die österreichische Bundesverfassung zulässt, das Arbeiten im Sinne der und für die Bevölkerung wesentlich erleichtert.
Auch in der Kommunalpolitik ist es ein ganz entscheidender Punkt, dass zum Beispiel Infrastrukturprojekte, die Veränderung des Schulsystems hin zu Ganztagsschulen, die Verschiebung in den Kindergärten hin zu verpflichtenden Kindergartenjahren und zum kostenlosen Zugang zu Kindergärten oder der Ausbau der U-Bahn insgesamt sehr langfristige Projekte sind, die sich nicht in einer Regierungsperiode beenden lassen. Denken Sie zum Beispiel nur daran, dass wir für das Geriatriekonzept über 15 Jahren benötigt haben. Niemand hätte das schneller zustande gebracht. Denken Sie daran, dass für die Veränderungen im Spitalswesen von 14 Spitälern auf 7 wesentlich besser ausgestattete Spitäler ein Zeitraum von 15 bis 20 Jahren notwendig ist.
Für all diese Projekte bedarf es der Kontinuität. Stellen Sie sich einmal vor, was geschehen würde, wenn es hier permanente Regierungswechsel gäbe, wenn man zum Beispiel wie in Israel die konservativ-religiösen Gruppierungen auf einmal berücksichtigen müsste oder wenn man etwa wie in den Niederlanden Herrn Wilders berücksichtigen müsste! Da würde je etwas Schönes herauskommen!
Im Übrigen, Herr Gudenus: Wenn Sie von Demokratie reden, dann ist das ein bisserl schwierig im Hinblick darauf, dass heute Abend bei Ihrer Veranstaltung in der Hofburg Herr Wilders auftritt, der immer wieder in menschenverachtender Weise gegenüber Gruppen in den Niederlanden vorgeht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Was hier in diesem Haus in den vergangenen 14 Tagen probiert wurde, dass man nämlich Geschäftsordnungen allein ändern will, das hat die SPÖ 25 Jahre lang – länger habe ich nicht zurückgeschaut – beziehungsweise aber mit hoher Wahrscheinlichkeit 60 Jahre hindurch nie getan! (Zwischenruf von Abg Armin Blind.) Wir haben in den letzten 25 Jahren keinen einzigen Beschluss zur Geschäftsordnung, weder im Gemeinderat noch im Landtag noch für die Landesregierung, für den Magistrat der Stadt Wien oder für die Ausschüsse des Gemeinderates, gefasst, bei dem nicht Einstimmigkeit geherrscht hat! Die parlamentarische Demokratie lebt nämlich davon, dass Einstimmigkeit bei den Spielregeln herrscht, die man sich gibt.
Das wurde durchbrochen durch die Anträge der GRÜNEN, und das ist nicht richtig. Aus dieser Situation sollte man herauskommen! (Abg Dipl-Ing Martin Margulies: Achtung, das Zeitlimit!) Ich habe noch 30 Sekunden! Aus dieser Situation sollte man herauskommen und wieder zu der Vorgangsweise zurückkehren, die gute Übung in diesem Haus war, nämlich dazu, dass wir Geschäftsordnungen gemeinsam diskutieren, und das gilt im Übrigen genauso für das Wahlrecht. Dafür stehen wir, und dafür werden wir im Gemeinderat auch eine Geschäftsordnungskommission beantragen, damit wir die Basis haben, dass man derartige Dinge bereden kann. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Marianne Klicka: Zunächst möchte ich unsere Gäste begrüßen, die zu uns gekommen sind: Es sind Schüler eines Realgymnasiums aus Nordgriechenland. Und ich freue mich, dass sie nicht nur an unserer wunderschönen Stadt interessiert sind, sondern auch an unserem politischen Leben teilnehmen wollen. – Herzlich willkommen in Wien und einen wunderschönen Aufenthalt! (Allgemeiner Beifall.)
Herr StR Juraczka hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet, der ich aber nicht stattgeben kann. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Laut § 39 Abs 5 sind nur der Landeshauptmann und die zuständigen Mitglieder der Landesregierung berechtigt, eine tatsächliche Berichtigung während der Aktuellen Stunde vorzubringen. Für Abgeordnete ist keine tatsächliche Berichtigung möglich. (Abg Mag Wolfgang Jung: Das sieht man, wie alles in der Geschäftsordnung maßgeschneidert ist!)
Wir gehen daher in der Rednerabfolge weiter. Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abg Dr Aigner, und ich erteile ihm das Wort.
Abg Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Es gibt eine ORF-Sendung, die „Treffpunkt Kultur“ heißt. – In Anlehnung daran könnte man heute von einem „Tiefpunkt Parlamentarismus“ sprechen. (Beifall bei der FPÖ und von Abg Ing Isabella Leeb.)
Ich meine, das wäre ganz einfach deshalb die richtige Bezeichnung, weil wir jetzt, knapp bevor die Periode aus ist, immer noch kein … (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Da redet der Richtige!) Herr Kollege Stürzenbecher! Hören Sie mir zuerst zu, bevor Sie dazwischenreden, und wenn Sie das schon tun, dann bitte von der Bank aus und nicht im Gehen! Das ist nämlich auch kein Benehmen, aber da verlange ich wahrscheinlich zu viel. (Beifall bei der FPÖ.)
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