Landtag, 36. Sitzung vom 15.01.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 26
(Beginn um 10.00 Uhr)
Präsident Prof Harry Kopietz: Einen schönen guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die 36. Sitzung des Wiener Landtages ist eröffnet.
Vor neun Tagen wurden in Paris bei Terrorangriffen Menschen ermordet. (Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.) Diese Verbrechen haben außerordentliches menschliches Leid verursacht und sind auf das Schärfste zu verurteilen! Unser Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der Opfer sowie den Verletzten.
Die Terrorattentate von Paris waren verbrecherische Attentate auf Demokratie und Toleranz, auf Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit, sie haben die Menschlichkeit mit Füßen getreten und den Rechtsstaat beziehungsweise sozusagen alle Säulen unserer Gesellschaft angegriffen.
Es gibt viele Reaktionen, wie solchen Taten zu begegnen ist, aber etwas sollten vor allem wir hier im Wiener Landtag bedenken: Wir dürfen Angriffe auf die Meinungsfreiheit nicht mit der Einschränkung von Grundrechten oder Meinungsfreiheiten beantworten. Wer die Morde dieser Fanatiker nutzt, um gegen Menschen mit islamischem Glauben oder gegen Flüchtlinge zu hetzen, wer pauschal gesellschaftlichen Gruppen Meinungsfreiheit und Rechtsansprüche aberkennen möchte, spielt den Tätern in die Hände. Deshalb warne ich vor Demagogen, die jetzt noch mehr Angst und Hass schüren wollen!
Wir treten für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen und Religionen, für eine freie und offene Gesellschaft ein. Gemeinsam können wir die Spirale aus Hass durchbrechen.
Was können wir tun? – Mehr Sicherheit und mehr Polizeipräsenz sind der eine Weg. Das allein reicht aber bei Weitem nicht und hat auch seine Grenzen, wie das Attentat in Paris gezeigt hat. Die beiden Angreifer auf die Redaktion waren polizeibekannt. Einer saß sogar kurze Zeit im Gefängnis.
Die Gründe für religiösen Fundamentalismus sind vor allem in fehlender Bildung und den entsprechenden Konsequenzen zu suchen, also in hoher Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlten Jobs. – Viel effektiver und vor allem verträglicher für unsere Gesellschaft ist es daher, terroristische Karrieren von vornherein zu unterbinden. Wir müssen Familien von Problemjugendlichen unterstützen und diesen Jugendlichen bessere Bildung und Chancen bieten. Auf jeden Fall müssen wir ihnen andere Perspektiven bieten, als mit der Waffe in der Hand Menschen und das eigene Land anzugreifen.
Ob Christen, Juden, Muslime oder Atheisten: Wir dürfen uns vom Terror nicht in Angst versetzen oder uns gegeneinander aufbringen lassen! Die Antwort muss Solidarität sein. Die Antwort auf Gewalt muss Rechtsstaatlichkeit, die Antwort auf religiösen Fundamentalismus muss ein säkularer Staat, die Antwort auf Ausgrenzung müssen Integration und Miteinander sein.
Wir stehen für Meinungsfreiheit, Demokratie, Vielfalt und ein friedliches Miteinander. Wir sind ein offenes und freies Land, in dem es keinen Platz für Ressentiments gegen Flüchtlinge und gegen Religionen gibt. Wir sind eine Demokratie, eine wehrhafte Demokratie, und wir werden mit den einer Demokratie zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zulassen, dass in unsere Gesellschaft ein Keil getrieben wird! Unsere Toleranz und Offenheit sind stärker als Gewalt oder Hass Einzelner.
Ich darf Sie nun ersuchen, eine Minute der Opfer der Attentate von Paris zu gedenken. (Die Abgeordneten verharren still in einer Trauerminute.)
Danke.
Ich darf Sie gleich bitten, stehen zu bleiben.
Vorgestern wurde bekannt, dass Abgeordneter zum Landtag in Ruhe Robert Parzer verstorben ist.
Robert Parzer war von 2001 bis 2010 für die ÖVP als Mitglied des Gemeinderates und Landtages tätig. Er war Mitglied im Gemeinderatsausschuss für Umwelt und auf Grund seiner militärischen Ausbildung auch als Wehrsprecher der ÖVP tätig. Robert Parzer war Betriebsrat und ÖAAB-Obmann-Stellvertreter in der Creditanstalt. Er engagierte sich in der Bezirkspolitik und war Obmann in Eßling. In den Jahren 1998 bis 2011 war Parzer auch ÖVP-Bezirksparteiobmann der Donaustadt. Er war auch in dieser Funktion ein über die Parteigrenzen hinweg anerkannter Mandatar der ÖVP.
Unser Mitgefühl gilt seiner Gattin und allen Angehörigen von Robert Parzer. (Die Abgeordneten verharren still in einer Trauerminute.)
Ich danke. (Die Abgeordneten nehmen ihre Plätze wieder ein.)
Entschuldigt sind: Frau LhptmStin Mag Brauner … (Zwischenrufe von FPÖ und ÖVP.) Hat sie es sich überlegt? (LhptmStin Mag Renate Brauner: Ich wollte bei dieser wichtigen Gedenkminute dabei sein und werde die Sitzung jetzt verlassen!) Das ist ehrenvoll, und dafür bedanke ich mich im Namen aller.
Entschuldigt sind weiters Abg Ekkamp, Abg Dr Kickert, Abg Ludwig-Faymann, Abg Ing Rösch, Abg Schuster, Abg Mag Taucher, Abg Mag Dr Wansch, Abg Woller.
Vom Klub der Wiener Freiheitlichen wurde ein Verlangen auf Einberufung einer Sitzung des Landtages zum Thema „Umsetzung der Wiener Wahlrechtsreform im Sinne der überfraktionellen Verpflichtungserklärung“ eingebracht.
In Entsprechung des § 120 Abs 4 der Wiener Stadtverfassung im Zusammenhalt mit § 8 der Geschäftsordnung des Landtages wurde zu dieser Sitzung eingeladen. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass in Sitzungen des Landtages auf Verlangen keine Geschäftsstücke verhandelt werden. Der Entfall von Fragestunde, Aktueller Stunde und dringlichen Initiativen ist in der Fraktionsvereinbarung festgeschrieben.
Wir kommen damit zur Besprechung des Verlangens. Zur Begründung hat sich Herr Abg Mag Gudenus zu Word gemeldet. Ich erteile es ihm, wobei ich bemerke, dass die Redezeit auf zehn Minuten beschränkt ist. Ich eröffnet die Debatte und bitte Herrn Abg Gudenus zum Rednerpult.
Abg Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der Wiener Freiheitlichen): Danke sehr, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Landtag!
Wir haben diese heutige Sonderlandtagssitzung
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