Landtag, 2. Sitzung vom 17.12.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 85
Abg. Christoph Wiederkehr, BA (NEOS): Sehr geehrter Vorsitzender! Werte Damen und Herren!
Ich bin ja überrascht, dass die Debatte zum Wahlrecht so sachlich geführt wird, weil mich regt dieser Kompromiss eigentlich schon auf. Aber nach dem Ordnungsruf von gestern werde ich es auch sachlich halten und halte es mit dem Herrn Ellensohn, schauen wir optimistisch in die Zukunft. Ich gebe optimistisch eine Wunschliste mit, was wir denn alles in diesem Wahlrecht noch verbessern könnten. Sie haben ja angesprochen, dass es eventuell eine Arbeitsgruppe dazu geben wird. Das fände ich sehr gut, denn es gibt sehr viele Punkte, wie wir dieses Wahlrecht noch weiterentwickeln müssen.
Aber bevor ich zu meiner Wunschliste ans Christkind oder an Sie komme, habe ich eine Erwiderung auf den Herrn Stürzenbecher, dass die Causa Akkilic der Tiefpunkt war. Ich gebe ich ihnen recht, aber von unserer Perspektive ein Tiefpunkt, denn erst am Tag einer Abstimmung aus machtpolitischem Kalkül zu einer anderen Fraktion zu wechseln, ist etwas ganz anderes, als aus ideeller Überzeugung über Jahre hinweg eine Partei zu wechseln, wie Sie es zum Beispiel mit dem LIF verglichen haben. Das war daher ein ganz anderer Fall mit dem Herrn Akkilic. Am Tag der Abstimmung das Hütchen zu wechseln, ist für mich eigentlich ein demokratiepolitischer Tiefpunkt, und darum verstehe ich nicht, dass man es auch wechselt. (Beifall bei den NEOS.)
Weil gesagt worden ist, dass es sehr nahe dran ist an einem Wahlrecht, in dem jede Stimme gleich zählt. Man muss es sich nur mal anschauen. Wenn man das letzte Wahlergebnis heranzieht, waren es 44 Abgeordnete der SPÖ, mit dem Faktor 0,5 wären es 42. Und wie wäre es mit dem Faktor 0? – Wären es 40. Nach der jetzigen Wahlordnung wären es 40 gewesen. Das heißt, in der Theorie vielleicht gar nicht so weit weg, aber zwei Mandate, zwei Personen von Ihnen, die Ihre Fraktion weniger hätte mit einem wirklichen Proportionalitätsausgleich, ist für mich nicht nahe dran, sondern es sind zwei Mandate. Da ist ziemlich viel Platz noch nach oben.
Mir ist es wichtig, dass jede Stimme gleich viel wert ist, egal, ob es eine Stimme an Grün, Rot oder Blau ist, auch egal, ob die Stimme in Ottakring oder in Währing oder in Hietzing abgegeben worden ist. Es gibt die Verzerrung einerseits durch den mehrheitsfördernden Summanden, aber andererseits natürlich auch über diese Wahlkreise, die über lange Zeit nicht angepasst worden sind. Durch diese Konstellation der Wahlkreise, dass es zum Beispiel in Währing nur drei Grundmandate gibt, oder in der Donaustadt mittlerweile schon elf oder bald zwölf, kommt es natürlich auch automatisch zu einer Verzerrung, weil man in kleinen Bezirken so gut wie gar kein Grundmandat erlangen kann, wie man heuer zum Beispiel auch in Währing gesehen hat.
Das heißt, hier müsste man entweder ansetzen, diese Wahlkreise neu zu gestalten, was ich gerne mit auf den Weg gebe für die Arbeitsgruppe, sich da Gedanken zu machen, da gibt es viele Konzepte, oder endlich einen Proportionalitätsausgleich einzuführen, wie es auf Nationalratsebene auch üblich ist. Denn dieser Proportionalitätsausgleich führt wirklich dazu, dass jede Stimme gleich viel wert ist, und das ist eigentlich die Richtung, in die wir gehen müssten. (Beifall bei den NEOS.)
Das heißt, wir bringen einerseits einen Antrag ein, um den mehrheitsfördernden Summanden auf 0 zu senken im Sinne des Wahlversprechens von vor sechs Jahren und andererseits, um auch den Proportionalitätsausgleich zu schaffen.
Ein Punkt, der schon angesprochen worden ist, sind die Vorzugsstimmen. Es ist in Wien de facto unmöglich, über Vorzugsstimmen ein Grundmandat zu bekommen. Vor allem für kleinere Parteien ist es nicht möglich, weil es nicht an den Stimmen der Partei gemessen wird, sondern an der Wahlzahl, die überschritten werden muss. Das ist in den Bezirken im Zentrum ausgeschlossen. Mit 8.000 Stimmen, die man dort erzielen müsste, ist es so gut wie nicht möglich, ein Grundmandat zu bekommen. Meines Erachtens ist es wichtig in der Demokratie, dass man durch den Zuspruch der Bürger, durch die Vorzugsstimme auch leichter vorgereiht werden kann.
Deshalb bringen wir den Antrag ein, dass man mit 3 Prozent der Vorzugsstimmen der Partei, die man bekommt, schon vorgereiht wird. Es ist ein sehr mutiger Schritt, dieses Persönlichkeitselement in den Vordergrund zu stellen. Auf Bundesebene ist es mit 14 Prozent auch besser als das, was der Fall ist, aber viel zu wenig weitgehend. Ich finde es wichtig, dass die einzelnen Politiker, dass wir alle verantwortlich sind gegenüber den Bürgern, und wenn es der Wunsch der Bürger ist, dass man es auch umreihen kann. Wir machen es innerhalb unserer Partei durch unsere offenen Vorwahlen, aber ich fände es auch wichtig, dass man das im Wahlrecht auch bedenkt. (Beifall bei den NEOS.)
Ein ganz wichtiger Punkt ist für mich die Sperrklausel mit 5 Prozent, die in Wien extrem hoch ist. Ich fände es wichtig, dass unterschiedliche Auffassungen auch im Gemeinderat vertreten sind, im Landtag, abseits von den Parteien, die sich über Jahrzehnte etabliert haben. Aber es ist für Neue extrem schwierig, mit einer Sperrklausel von 5 Prozent überhaupt einzutreten. Da ist der Markt eigentlich zu. Und es ist noch ein Faktor, dass die Wahlförderung und die Parteienförderung so hoch sind, dass es für neue Kräfte noch schwieriger gemacht wird, überhaupt einzuziehen. Das heißt, wir sind ganz stark für eine Senkung dieser Sperrklausel, um auch neuen Parteien, neuen Bewegungen und damit auch neuen Ideen eher die Chance zu geben, auch hier zu sitzen und ihre Meinung zu vertreten. (Beifall bei den NEOS.)
Auch diesbezüglich bringen wir einen Antrag ein, und fänden es schön, wenn es auch mittelfristig bedacht wird, warum denn wirklich 5 Prozent, wo es in Österreich eigentlich nirgends oder fast nirgends eine 5-Prozent-Hürde gibt. Auch für die Klubbildung wären 3 Prozent völlig ausreichend.
Unser letzter Punkt, was auch schon angesprochen wurde, betrifft das Wahlrecht von Bürgern mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft. Ich finde es sehr schön, dass Sie sich darauf bezogen haben, dass es auch der Hauptwohnsitz sein sollte. Ich finde auch, dass der Hauptwohnsitz wichtig und essenziell ist, aber es muss
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