Landtag, 35. Sitzung vom 27.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 62
wird ja regelmäßig in dieser Stadt vorgegangen! Daher frage ich: Warum geht die Polizei nicht gemeinsam mit Sozialarbeitern vor, um zu einer guten Lösung zu kommen, und zwar zu einer guten Lösung für Wien, für diejenigen, die ganz normal im Supermarkt einkaufen gehen oder ganz normal bei Rot bei einer Kreuzung stehen wollen und auch für die Menschen, von denen ich sage: Die Mehrheit dieser Bettler befindet sich sicherlich in einer bedrängten Situation und erwartet sich Hilfe. Aber diese Hilfe geben Sie ihnen mit dieser Laissez-faire-Politik in keiner Art und Weise! (Beifall bei der ÖVP.)
Wir werden uns daher, weil ich glaube, dass wir ausreichend gesetzliche Grundlagen haben, und ich mir erwarten würde, dass nun endlich das Verbot der gewerbsmäßigen Bettelei vollzogen wird, nicht noch für ein sektorales Bettelverbot einsetzen. Wir werden aber den anderen Antrag unterstützen, in welchem es darum geht, geeignete Maßnahmen gegen die Bettelei vor den Supermärkten zu finden, wobei ich eindeutig sage: Mir geht es nicht um den „Augustin“-Verkäufer, sondern mir geht es um die Personen, die in rechtswidriger Art und Weise betteln, mit der gegen das Landes-Sicherheitsgesetz verstoßen wird. Ich meine nämlich, es sollten alle Landtagsabgeordneten einer Meinung sein, dass ein Landesgesetz auch zu vollziehen ist! (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Prof Harry Kopietz: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abg Hebein. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abg Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus): Geschätzter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Man kann – das haben wir heute ja wieder erfahren – auch mit ruhigen Worten, mit vermeintlich ruhigen Worten schon auch menschliches Gift versprühen, aber dem will ich mich jetzt nicht widmen. Ich sage hier und jetzt, die FPÖ macht Betteln zum Thema, und ich nütze die 20 Minuten, um konkret, wenn es sich ausgeht, 40 Fragen zu beantworten, Fragen, die in, ich möchte fast schon sagen, den letzten Jahren immer wieder an mich, an uns gerichtet werden. Ich nütze also diese Gelegenheit.
Die erste Frage ist: Warum betteln Menschen? Da gibt es sehr vielschichtige Ursachen. Für viele ist es eine Möglichkeit, die schlimmste Not abzuwenden. Ich sage, nicht das Betteln ist das Problem, sondern die zunehmende Armut in Europa.
Woher kommen die Bettler/Bettlerinnen? Das wurde schon gesagt, das stimmt, sie kommen aus Rumänien, Bulgarien, Slowakei, auch aus Österreich. Das sind zumindest Bettler/Bettlerinnen, die ich auch kennen gelernt habe. Vielleicht sage ich dazu – nur als Hintergrundwissen –, dass in den letzten Jahren alleine in Rumänien von 8,4 Millionen Arbeitsplätzen 4 Millionen Arbeitsplätze reduziert wurden.
Wie viele Bettler/Bettlerinnen gibt es bei uns in Wien? Meine sehr geehrte Damen und Herren, welche Zahlen Sie auch immer hören, sie sind nicht seriös. Es gibt keine seriösen Zahlen, das wirklich nachzuvollziehen.
Wer sind sie, diese Menschen? Das finde ich immer eine spannende, eine gute Frage. Da empfehle ich den Menschen: Wenn Sie die Gelegenheit haben, sprechen Sie einmal mit Bettlern/Bettlerinnen. Ich kann nur sagen auf Grund der Hausbesuche mit Dolmetsch, es gibt die unterschiedlichsten Menschen, die hier für sich und ihre Familie betteln. Leider gibt es zu wenig Grundforschung. Ich kann Ihnen nur die Diplomarbeit von Marion Thuswald empfehlen, die sehr viel über die Bettlerinnen, über Frauen geschrieben hat und wie sehr sie Wissen, Kompetenz, Überlebenskompetenz einsetzen, oder auch eine Forschungsarbeit von Ferdinand Koller zu den Hintergründen aus christlicher Sicht, beziehungsweise „Natasha“, ein Film von Ulli Gladik, oder „Die imaginierte ‚Bettlerflut‘“, auch ein gutes Buch.
Was ist in Wien erlaubt? Das wurde schon gesagt, aber eigentlich nicht wirklich. Betteln ist, verfassungsmäßig festgehalten, ein Menschenrecht. Stilles Betteln ist in Wien erlaubt.
Was ist in Wien verboten? Das stimmt: gewerbsmäßig, organisiert, aggressiv, aufdringlich und mit Kindern. Wobei das Problem ist – das hat Abg Ulm richtig ausgeführt –, dass es im Grunde dann gewerbsmäßiges Betteln ist, wenn sich jemand eine fortlaufende Einnahmequelle verschafft. Da genügt es de facto, mehr als ein Mal zu betteln. Insofern ist da eine große Lücke, da delegiert man den Vollzug eigentlich an die Polizei, die hier handeln soll.
Die nächste Frage – jetzt muss ich mich ein bisschen beeilen, ich mach schneller, aber ich bin erst bei Frage sechs –: Stimmt es, dass die Bettler/Bettlerinnen 1 000 EUR pro Tag einnehmen? Das sind Zahlen, die kursieren. Die sind weder von ArmutsforscherInnen noch von den ExpertInnen auch nur ansatzweise nachvollziehbar, auch nicht von den Menschen, die mit Bettlern/Bettlerinnen unterwegs sind. Sie erzählen von 15 bis 25 EUR.
Ist das Geld für Hintermänner bestimmt? Unserer Erfahrung nach, nein. Bettelnde geben zwischendurch sehr wohl FreundInnen, Verwandten das Geld ab, das stimmt. Wenn sie nämlich von der Polizei erwischt werden, wird es ihnen abgenommen, weil sie es quasi unrechtmäßig erwerben.
Heißt das, dass die Bettelnden doch organisiert sind? Ja, tatsächlich, aber das heißt nicht kriminell organisiert, sondern sie organisieren sich das Überleben. Sie kommen gemeinsam an Orte, wir wissen auch bestimmte Orte, wo sie herkommen. Sie machen Selbstorganisation, und meistens ist es so, dass sie gemeinsam wo unterkommen.
Können wir ausschließen, dass es Menschenhandel gibt? No na! Kein Mensch wird ernsthaft Menschenhandel in Frage stellen. Das setze ich einmal hier voraus. Mit aller Härte des Gesetzes muss gegen Menschenhandel vorgegangen werden. Ich erzähle aber kurz von der Tagung gegen Menschenhandel. Dort hat man festgestellt, dass die große Herausforderung bezüglich Ausbeutung in der Arbeitswelt vor allem bei Bauern, im Gastgewerbe und in der Landwirtschaft passiert. Es mangelt an einem Opferschutz in diesem Bereich, es mangelt auch – das bestätigen uns Kriminalbeamte/Kriminalbeamtinnen und auch die Schweizer Kriminalpolizei, Abteilung Menschenhandel – wirklich an Res
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