Landtag, 35. Sitzung vom 27.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 62
Fraglos ist aber Gewerbsmäßigkeit gegeben, wenn jemand an zwei oder drei Tagen hintereinander beim Betteln angetroffen wird.
Jetzt erhebt sich allerdings die elementare Frage: Warum wird dieses Gesetz nicht vollzogen? Und da geht es natürlich an die Substanz des Rechtsstaates! (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Dafür ist die Innenministerin zuständig!) Das ist natürlich ein Einwand, den ich gar nicht von der Hand weisen kann! Dafür ist die Innenministerin zuständig, denn es ist wirklich in erster Linie Aufgabe der Polizei, dieses Landesgesetz zu vollziehen.
Wir wissen aber auch sehr genau, dass es beim Vollzug der Landesgesetze nicht egal ist, wie die Landesregierung dazu steht, was der Bürgermeister dazu meint und was Rot-Grün dazu meint. Und mir ist aus gesicherter Quelle übermittelt worden, dass es hier am Beginn der Koalitionsverhandlungen Gespräche gegeben hat, ob man nicht die Gewerbsmäßigkeit der Bettelei wieder aus dem Landes-Sicherheitsgesetz heraus bringen könnte, weil die Grünen der Meinung sind – und ihre Meinung ist ihr gutes Recht! –, dass gewerbsmäßige Bettelei nicht verboten sein soll.
Dazu ist es allerdings nicht gekommen. Man hat sich diesbezüglich in den Koalitionsverhandlungen nicht durchgesetzt, und der Kompromiss war, dass man auf gut Wienerisch gesagt hat: Wir werden keinen Richter brauchen, das Ganze wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird! – Ich muss jetzt in meiner Ausdrucksweise ein bisschen vorsichtig sein, damit ich niemandem Amtsmissbrauch oder Anstiftung zum Amtsmissbrauch unterstelle! – Sie haben also gesagt: Lassen wir als Gemeinde Wien in Richtung Polizei halt durchklingen, dass das nicht so hart und scharf exekutiert werden soll, weil das sonst ja gegen jede Form der Bettelei geht und wir, wenn hart durchgegriffen wird, als herzlose rot-grüne Fraktion in dieser Stadtregierung dastehen würden!
Es ist natürlich rechtspolitisch mehr als bedenklich, wenn Gesetze nicht mehr vollzogen werden! Das ist eine dramatische Situation, und das kann man nicht einfach so hinnehmen. Aber es ist natürlich für die Polizei wirklich nicht ganz leicht, gegen die Bettelei vorzugehen, wenn sie sich nur auf die gewerbsmäßige Bettelei stützen kann. Natürlich wäre es für die Polizei leichter – da hat mein Vorredner recht –, wenn man sich an Sektoren orientieren und sagen könnte, im 1. Bezirk ist Betteln verboten, da tun wir uns leicht, da müssen wir die Gewerbsmäßigkeit nicht nachweisen. Diese nachzuweisen, ist zwar gar nicht so besonders schwierig, aber ein Vorgehen nach Sektoren ist natürlich einfacher.
Es wäre jedoch nicht gerecht und richtig zu sagen, im gesamten 1. Bezirk darf man nicht mehr betteln, über der Bezirksgrenze hingegen, zum Beispiel auf dem Naschmarkt oder im 2. Bezirk, im 3. Bezirk oder in anderen Bezirken, ist es möglich. All die sinnvollen Kriterien, die man aus gutem Grund gewählt hat, also Betteln nicht mit Kindern, kein aggressives, organisiertes, gewerbsmäßiges Betteln, würden dann auf einmal wegfallen, ich glaube aber, dass es gute Gründe gibt, warum man sich diese einzelnen Tatbestände überlegt und im Gesetz verankert hat. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Ergänzend!) Ergänzend, okay! – Ich meine, man sollte auch außerhalb des 1. Bezirks, wenn dieser zur Bettelverbotszone erklärt wird, weiterhin gegen gewerbsmäßige Bettelei vorgehen. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Das ist eine Ergänzung!) Ich verstehe den Herrn Klubobmann so, dass das eine ergänzende Maßnahme wäre.
In jedem Fall ist Handlungsbedarf gegeben, und ich frage jetzt ein bisschen in Richtung von Rot-Grün – Kollegin Hebein und Kollege Stürzenbecher werden ja nach mir sprechen –: Was ist eigentlich Ihr Konzept des Auftretens gegenüber Menschen, die betteln müssen? Glauben Sie wirklich, dass Sie Menschen am besten helfen, indem Sie diese betteln lassen? – Das kann keinen Sinn machen, denn die Menschen, die betteln, haben ja ein Problem, denn niemand bettelt freiwillig!
Es gibt bekanntlich verschiedene Formen der Bettelei. Nicht alle sind organisiert, nicht alle kommen aus Rumänien, nicht immer steht eine Mafia dahinter, aber sehr oft. Und wenn man es mit einem Menschen zu tun hat, der gegen seinen Willen betteln muss, dann wird man selbstverständlich versuchen, diesem zu helfen, denn man kann ihn ja nicht in seinem Elend belassen. Wenn es sich um einen Menschen handelt, der zwar nicht Mitglied einer Mafia ist, sondern der vielleicht sogar Österreicher in dritter Generation ist, sich aber geniert, irgendwelche Sozialleistungen abzuholen oder keinen Zugang dazu hat: Lassen Sie den auf der Straße sitzen? Finden Sie dann keinen Weg, diesem Menschen zu helfen, dass er aus seiner Bettelei herauskommt? Es gibt aber vielleicht auch andere Bettler, die zwar Zugang zu Sozialleistungen haben, sich aber denken: Eine zusätzliche Einnahmequelle ist mir auch recht! Ich brauche diese aus guten Gründen! – In letzterem Fall wird man sagen müssen: Das ist nicht gerechtfertigt! Im anderen Fall wird man aber vielleicht doch helfen müssen, je nachdem.
Frau Kollegin Hebein! ich habe Ihnen sehr genau zugehört, als Sie gestern zur Armut gesprochen und gemeint haben, dass man da ganz konkrete Schritte setzen und diesen Leuten helfen muss. Beispielsweise habe man sich bei Wien Energie eine konkrete Hilfsleistung überlegt, damit diese Leute zum Beispiel nicht mehr frieren, es gebe die NGOs, die diesen Menschen in schwierigen Situationen ebenfalls helfen, und ganz in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen haben Sie Würde und Respekt gesetzt. – Sehr geehrte Frau Hebein! Sehr geehrte Kollegen von den Grünen und auch von Rot-Grün! Wo liegt denn die Würde und wo ist der Respekt, wenn Bettler vor lauter Elend bei null Grad auf dem Gehsteig knien müssen? (Beifall bei der ÖVP.)
In welcher Art und Weise helfen Sie solchen Leuten? – Sie helfen überhaupt niemandem mit Ihrer Laissez-faire-Politik! Das ist einfach nur unverantwortlich in jeder Richtung!
Sicherlich ist dieses Problem nicht ausschließlich polizeilich zu lösen. Es ist richtig, Kollege Stürzenbecher, dass das in erster Linie in der Kompetenz der Polizei liegt, aber ich erwarte mir, dass man dieses Problem politisch und fachlich löst, indem die Polizei gemeinsam mit der Gemeinde agiert. Das ist ja nichts Seltenes, so
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular