Landtag, 31. Sitzung vom 19.04.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 34
konfrontiert sind, dass diese von Armut bedrohten Kinder physische und
psychische Probleme haben, wissen wir auch. Diese Kinder sind weit häufiger als
andere Kinder damit konfrontiert, dass sie Asthma haben, dass sie Kopfschmerzen
haben, dass sie Migräne haben, dass sie Schlafstörungen haben, dass sie nervös
sind, dass sie Zukunftsängste haben und sich natürlich die Situation, in der
auch die Eltern leben, auch auf sie überträgt und sie eigentlich in einer sehr
misslichen Situation sind, die für sie bedeutet: Ich habe keine Zukunft.
In diesem Bereich, mit diesem Aspekt wachsen diese Kinder auf. Und dass
diese Kinder dann nicht die fröhlichen Kinder sind, die wir in dieser Stadt
gerne hätten, ist klar, denn sie sind von klein auf damit konfrontiert, dass
sie eigentlich zu Hause nichts haben oder sehr wenig haben und sie auch wenig
Unterstützung erfahren, wenig Unterstützung von der Gesellschaft, aber auch von
der Stadt Wien, die sehr wohl etwas tun könnte, wenn sie genauer hinschauen
würde.
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, wir haben schon oft und sehr, sehr
oft in den letzten Jahren beantragt, dass wir uns die Situation der Kinder und
Jugendlichen in Wien, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind,
anschauen, dass es einen Bericht gibt, einen Armutsbericht über diese Kinder,
dass es statistische Erhebungen dazu gibt, aber immer wieder wurde uns gesagt:
Das brauchen wir nicht. Wenn wir uns jetzt die Situation anschauen, dass bereits
jedes vierte Kind in Wien von Armut bedroht ist, so glaube ich sehr wohl, dass
wir diese Daten brauchen, nämlich ganz, ganz dringend brauchen.
Da sind wir auch nicht alleine. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft
schreibt in ihrem aktuellen Bericht auch, den wir in einem der nächsten
Landtage dann behandeln werden, dass wir eine Datenlage brauchen, dass wir
Daten und Wissen brauchen, wie diese Kinder leben und wie wir ansetzen könnten
und wie wir diese Zahl, diese horrend ansteigende Zahl an armen Kindern in
dieser Stadt auch reduzieren könnten.
Wir haben Vorschläge, wie wir glauben, dass die Stadt Wien ganz rasch
und relativ unbürokratisch die Situation dieser Kinder erleichtern könnte.
Natürlich sicher nicht so weit, dass sie dann so weit herauskommen aus dieser
misslichen Situation, weil die wird natürlich auch durch die momentane
Wirtschaftssituation verstärkt, aber es würde eine massive Bedeutung und
Erleichterung für die Familien sein, wenn wir den Sozialhilferichtsatz für
Kinder erhöhen würden. Wenn wir uns anschauen, wie hoch der Wiener
Sozialhilferichtsatz im Moment für Kinder ist, so beträgt er im Moment
137 EUR. Alle, die Kinder haben oder die Menschen kennen, die Kinder
haben, müssen zugeben, dass man mit 137 EUR die Lebenskosten eines Kindes
weit nicht decken kann.
Es gibt aus Deutschland vom Deutschen Bundesverfassungsgericht auch
einen Bescheid, eine Berechnung, was es heißt, wie viel Geld Kinder bräuchten,
um eine Armutsgrenze zu erreichen und die kommen auf einen Betrag von
258 EUR. Würde Wien jetzt den Sozialhilferichtsatz von diesen 137 EUR
auf 258 EUR erhöhen, so würde diesen Kindern einiges erspart bleiben und
die Familien würden zu einem großen Maße sehr, sehr erleichtert sein
beziehungsweise könnten sich wieder etwas mehr leisten.
Ich verstehe nicht, warum man nicht schon in den letzten Jahren versucht
hat, hier diesen Sozialhilferichtsatz zu erhöhen. Es ist ja nichts Neues, das
sagen nicht wir als Erste hier, sondern das sagen alle, die in diesem Bereich
tätig sind, dass es hier mehr direkte finanzielle Mittel braucht, um die Kinder
zu unterstützen, um die Kinder aus dieser Armutsfalle herauszubringen und die
Kinder vor Armut zu schützen. Auch wenn natürlich jetzt mit der
Mindestsicherung und durch all diese Debatten, die wir hatten, vieles in
Bewegung ist, aber die Mindestsicherung wird, wenn sie so ist, wie sie jetzt
beschlossen ist, den Kindern nicht helfen, dass sie aus der Armut herauskommen.
Als Zweites glauben wir, dass wir eine von uns so genannten
Kinder-Activ-Card einführen könnten, die es den Kindern ermöglicht, auf
Freizeiteinrichtungen, auf Sporteinrichtungen, aber auch auf
Kultureinrichtungen zuzugreifen wie der Mobilpass, den wir auch eingeführt
haben und wo sie dann gratis Angebote nutzen können, Angebote, die die Stadt
Wien subventioniert, aber auch Angebote, die von der Stadt Wien selbst gesetzt
werden können. Das wäre relativ unbürokratisch, relativ einfach zu handhaben
und würde es diesen Kindern massiv erleichtern, am sozialen und kulturellen
Leben teilzuhaben. Denn wie viele Kinder, die in diesen Situationen leben,
haben schon die Möglichkeit, zum Beispiel ein Musikinstrument zu erlernen? Das
geht nicht, weil es finanziell nicht drinnen ist. Mit dieser Activ-Card könnte
das sehr wohl möglich sein. Wie viele Kinder können nicht in einen Sportverein
gehen, weil es sich die Eltern nicht leisten können, weil der halt einen
kleinen Kostenbeitrag verlangt. Die Activ-Card würde unserer Meinung nach die
Situation dieser Kinder sehr, sehr erleichtern und sie in ihrer Freizeit wieder
in die Gesellschaft und mit ihren Freunden zusammenbringen und sie im
Heranwachsen unterstützen.
Wenn wir ernst nehmen, was die Europäische Union auch im Hinblick auf
Kinderarmut sagt und meint und uns rät, so müssen wir jetzt Maßnahmen
ergreifen, denn es ist jetzt meiner Meinung nach schon fast zu spät, denn wir
haben 100 000 Kinder in Wien bereits „verloren“, die schon seit Jahren in
einer Situation aufwachsen, in der sie eigentlich von Wien, von der
Gesellschaft signalisiert kriegen: „Du bist nichts wert, wir können dich nicht
unterstützen.“
Ich glaube, wir müssen hier handeln und ich hoffe
sehr, dass wir mit dieser Aktuellen Stunde heute in eine Diskussion eintreten
können, wie wir es Kindern in Wien ermöglichen können, nicht in Armut zu leben,
sondern ein angemessenes Leben so wie alle anderen Kinder in dieser Stadt auch
zu führen, denn ich glaube, dass jedes vierte arme Kind in Wien sehr, sehr zu
viel
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