Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 64 von 82
Darum freue ich mich, dass es heute die zweite Lesung nicht gibt und
dass jetzt Vernunft einkehrt. Ich meine, ihr habt das nicht notwendig! (Zwischenruf
von Abg Nurten Yilmaz.) Nicht lachen! Ihr habt das hoffentlich
nicht notwendig, Frau Kollegin!
Es ist wichtig, dass wir unstrittig klären, dass das geheime Wahlrecht
gilt, und dass auch theoretischen Manipulationen jeglicher Boden entzogen wird.
Man muss sich zusammensetzen und bis zur zweiten Lesung Änderungen dieser
Vorlage vornehmen. Es ist nämlich nicht möglich, das im Nachhinein zu
korrigieren!
Auch die Geschichte mit den Wahlabos muss überdacht werden. Es geht
nicht, dass man verlangt, dass einem die Wahlkarten bis ans Lebensende
automatisch per Post zugeschickt werden. Das geht nicht, meine Damen und
Herren! Da muss es gewisse Hürden geben, wenn garantiert sein soll, dass wir
eine geheime Wahl haben. Das ist mir ein tiefes Anliegen. Ich kann hier nur an
Sie appellieren: Die Sozialdemokratie in Wien hat es nicht notwendig, auch nur
in einen gewissen Geruch zu kommen. Und wenn erst vier oder fünf Tage nach der
Wahl zehntausende Stimmen im Nachhinein kommen, dann ist das kein Hauch eines
Geruchs, sondern dann stinkt es, dass einer Sau graust! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Meine Damen und Herren! So weit mein Appell. Und ich würde mich freuen,
wenn auch die Sozialdemokratie dafür sorgt, dass wir noch Zeit für eine nächste
Lesung haben. Dafür wird es hoffentlich eine Mehrheit in diesem Haus geben. Es
wäre ein schöner erster Schritt, wenn auch die Sozialdemokratie dem beitreten
könnte. Damit wird nämlich sichergestellt, was der Kern unserer Demokratie ist,
nämlich die geheime Wahl. Dafür plädiere ich, und ich hoffe, dass hier noch
Vernunft einzieht. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei den GRÜNEN.)
Präsidentin Marianne Klicka: Als Nächster zu Wort
gemeldet ist Herr Dr Stürzenbecher. Ich erteile es ihm.
Abg Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Sehr geehrte Frau Landesrätin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich glaube, die Grünen
schaffen es wirklich bei jedem Gesetz, das quasi zu einer absoluten
Entscheidung betreffend die ganz Menschheitsgeschichte hochzustilisieren. (Zwischenruf von Abg Dietbert
Kowarik. – StR Johann Herzog: Ihr habt einmal darum gekämpft!)
Ja! Wahlrecht ist das Wichtigste. Aber es geht hier grundsätzlich um
eine mehr oder wenige technische Anpassung unseres Wahlrechts an das Nationalratswahlrecht.
Es sind dies aber jedenfalls nicht die wesentlichsten Entscheidungen!
Weiters hält Margulies das Wahlkartenabonnement für WählerInnen mit
besonderen Bedürfnissen für besonders dramatisch. Dem haben die Grünen im Parlament allerdings zugestimmt.
Daher ist es doch irgendwie erstaunlich, dass behauptet wird, dass wir hier
weiß Gott was Fürchterliches beschließen, die GRÜNEN im Parlament dem aber
zustimmen. – Kollege Chorherr hat das, glaube ich, besonders kritisiert. (Zwischenrufe
bei den GRÜNEN.)
Ja, das kann schon sein, ihr habt eine eigene Meinung, das ist auch
okay! Dass ihr es aber so seht, dass sozusagen das schlimmste Übel, das
überhaupt jemand an der Demokratie vollführt, von den Parlamentsgrünen ausgeht,
wundert mich schon! (Weitere Zwischenrufe bei den GRÜNEN.) Jedenfalls
haben sie dem aber zugestimmt. Das bedeutet letztlich doch, dass euer
Vorbringen zumindest reichlich übertrieben und damit doch etwas unseriös ist!
Jetzt zur Briefwahl selbst: Wir Sozialdemokraten haben die Briefwahl
lange Zeit sehr kritisch gesehen. Wir haben auf Bundesebene zugestimmt, nachdem
sichergestellt war, dass das geheime Wahlrecht damit nicht beeinträchtigt wird.
Etwas muss man aber natürlich auch sehen – und da hat es bei uns
das Umdenken gegeben: Die Briefwahl ist wirklich ein Instrument, das die
Wahlbeteiligung steigert. Es ist einfach Tatsache, dass die Menschen im 21.
Jahrhundert auch beim Wählen andere Bedürfnisse haben als vielleicht noch am
Beginn des 20. Jahrhunderts, in den 20er Jahren, als es sozusagen noch eine
höhere Disziplin gegeben hat. Deshalb halte ich die Briefwahl, so wie sie jetzt
existiert, für richtig.
Es ist natürlich wieder ein bisschen demagogisch, das Ganze jetzt auf
eine Ebene mit dem Volksbefragungsmodell herunterzubrechen. Das ist nicht der
Fall! Es wird auch in Zukunft nicht so wie bei der Volksbefragung sein, dass
die Wahlkarte zugeschickt wird. Bei der Volksbefragung war das richtig und gut,
weil eine Volksbefragung einen anderen Charakter hat als eine Wahl zu einem allgemeinen
Vertretungskörper, der sogar ein Gesetzgebungskörper ist.
Bei der letzten Nationalratswahl gab es auf Wiener Ebene 7 bis 8
Prozent Briefwähler. Das ist in etwa die Dimension, das muss man jetzt auch
einmal sehen. Es werden nicht, so wie es bei der Volksbefragung
erfreulicherweise der Fall war, 90 Prozent quasi über die Briefwahl an der Wahl
teilnehmen. Da gibt es ganz wesentliche Unterschiede in der Dimension von
ungefähr zehn zu eins. Daher muss man auch die Problematik etwa in dieser
Dimension sehen. Das ist Faktum. Sicherlich wird man auch bei der nächsten Wahl
die Wahlkarte für die Briefwahl anfordern müssen. Diese wird nicht automatisch
zugeschickt werden.
Die Wahlabos sind für ganz spezielle Fälle. Die ursprüngliche Idee
kommt übrigens von Volksanwältin Stoisits, weil sie für Menschen mit besonderen
Bedürfnissen besonderes Verständnis hat. Deshalb hat sie das angeregt, das
wurde im Bund verwirklicht, und wir übernehmen das jetzt. Das ist die ganze
Wahrheit, die dahinter steckt. Das geht also von der grünen Parlamentsfraktion,
vom Bund und von Volksanwältin Stoisits aus. Das haben sich nicht nur die Roten
und die Schwarzen ausgedacht.
Allerdings wundert es mich, dass auch die ÖVP dem
nicht zustimmt. Vielleicht bin ich falsch informiert, aber soviel ich weiß,
kann man zwischen erster und zweiter Lesung nichts Wesentliches ändern, sondern
nur
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