Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 56 von 82
haben, als auch eine zweite Lesung verlangen werden.
Ich komme jetzt zurück zur ursprünglichen Änderung der Wiener
Gemeindewahlordnung. Ich habe meine persönliche Meinung zur Briefwahl schon des
Öfteren kundgetan. Ich sehe darin tatsächlich, so wie mein Vorredner, eine
Aushöhlung des persönlichen und geheimen Wahlrechts. Aber bis zu einem gewissen
Punkt bin ich sogar kompromissbereit zu akzeptieren, dass tatsächlich eine
breite Mehrheit in Österreich, zumindest bislang, der Briefwahl etwas Positives
abgewinnt. Aber gerade dann ist es notwendig, bestmöglich zu versuchen,
Missbrauch zu verhindern. Dabei geht es gar nicht darum, beweisen zu können,
dass schon ein Missbrauch stattgefunden hat, sondern es geht darum aufzuzeigen,
wie einfach durch die vorgeschlagenen Änderungen ein Missbrauch wird. Das
ersuche ich Sie, zu berücksichtigen und dann den von mir einzubringenden
Abänderungsanträgen zuzustimmen.
Die Wiener Volksbefragung hat gezeigt, wenn alle wahlberechtigten
Wiener und Wienerinnen eine Stimmkarte zugesandt erhalten, gehen trotzdem zur
Volksbefragung knapp zwei Drittel nicht hin. Aber von dem Drittel, das gewählt
hat, haben dennoch über 80 000 Menschen erst nach Wahlschluss ihre Stimmkarte
in den Briefkasten eingeworfen. Jetzt sage ich ganz offen, und ich hoffe, dass
Sie dieser Argumentation auch folgen können, zu einer Wahlhandlung gehören zwei
entscheidende Punkte. Der eine Punkt ist: Wen wähle ich? Der zweite Punkt ist
die Entscheidung: Wähle ich überhaupt? Beide Punkte müssen vor Wahlschluss
erfüllt sein. Auch die Entscheidung, ich wähle überhaupt. Wird beim Wählen am
Wahltag die Entscheidung, ich wähle überhaupt, dadurch getroffen, dass ich in
eine Wahlbehörde gehe und die Stimme abgebe, so erfolgt die Entscheidung, wähle
ich überhaupt, bei der Briefwahl erst mit der endgültigen Abgabe meines
Briefwahlkuverts und nicht vorher. Das heißt, 80 000 Menschen haben bei
der Volksbefragung die endgültige Entscheidung, ob sie sich an der Wahl
beteiligen, erst getroffen, nachdem sie das vorläufige amtliche Endergebnis vor
sich hatten. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher:
Sie haben dann die Wahlkarte abgeschickt!) - Nein, noch einmal: Die
wirkliche Entscheidung, ob ich an einer Wahl teilnehme, ist die Entscheidung,
wo ich mich letztgültig von meinem Kuvert trenne und es abgebe. Nicht vorher! (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Aber sie haben
vorher gewählt!) Das ist die Entscheidung. Das ist die Wahlhandlung. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Aber wen Sie
wählen, haben sie vorher entschieden!) Wen sie wählen, haben sie vorher
entschieden. Aber sie haben noch nicht entschieden, ob sie wählen. Ob ich aber
wähle oder ob ich nicht wähle, ist ein entscheidender Teil der Wahlhandlung,
zumindest so entscheidend wie die Frage, wen ich wähle.
Ich danke auch, denn ich sehe, der Kollege Stürzenbecher ist überzeugt,
dass er mir darin folgt. Ich hoffe, dass das auch seine Berücksichtigung
findet.
Es gilt immer abzuwägen. Das stimmt. Es gilt abzuwägen, wenn sich der
Gesetzgeber dafür entscheidet, dass auch Auslandsösterreicher und
Auslandsösterreicherinnen bei einer Nationalratswahl mitwählen können, und es
sind doch, glaube ich, zehntausend, muss man ihnen die Möglichkeit einräumen,
dass der Postweg länger dauert. Bei uns, auf Landtags- und Gemeinderatsebene,
ist das nicht der Fall. Nicht umsonst sehen die Gemeinderatswahlordnungen der
Bundesländer Tirol und Burgenland vor, dass die Briefwahlstimmen sogar zwei
Tage vor Wahlschluss einlangen müssen. Niederösterreich verlangt diesbezüglich
6.30 Uhr morgens des jeweiligen Wahltages. Vorarlberg, Steiermark,
Oberösterreich, Kärnten sehen in den Gemeindewahlordnungen den Schluss des
letzten Wahllokals als letzte Möglichkeit vor. Auf Länderebene ist es auch ganz
unterschiedlich geregelt. Oberösterreich hat Wahlschluss. Burgenland hat zwei
Tage nach Wahlschluss. Salzburg hat vier Tage nach Wahlschluss. Also, der
Verweis aufs Homogenitätsprinzip ist beim besten Willen nicht zutreffend.
Selbst dieses bricht der Nationalrat selbst bei der Bundespräsidentenwahl, die
auf eine Fünftagesfrist abstellt. Es gibt daher keinen Grund, warum bei der
Wiener Gemeinderatswahl acht Tage nach Wahlende die Wahlkarten eingelangt sein
müssen. Diese Frist ermöglicht in Wien nämlich de facto, am Donnerstag nach der
Wahl die Stimme abzugeben. Und das bei der gesamten Problematik der Briefwahl.
Deshalb sage ich, wenn man sagt, die Briefwahl ist prinzipiell okay und
zulässig, dann bitte ich, einem Missbrauch vorzubeugen. Das ist ein ganz klarer
Fall eines möglichen Missbrauchs. Ganz viele Menschen haben bei der
Volksbefragung davon Gebrauch gemacht. Kollege Lindenmayr, du schüttelst den
Kopf. 80 000 Menschen haben nach dem Wahltag ihre Briefwahlstimme
abgegeben. Das ist zweifelsfrei festgestellt. (Abg Siegi Lindenmayr: Nein!) Das ist festgestellt. Dann habt ihr
andere Zahlen. Die Zahlen, die mir von der Wahlbehörde übermittelt wurden,
lassen diesen Schluss zu, wenngleich ich sage, vielleicht waren es nur
75 000. (Abg Siegi Lindenmayr:
Lassen die Behauptung zu!) - Lassen diesen Schluss zu, aber jeder, wie er
glaubt!
Man merkt, so wir ihr nicht wolltet, dass es ein
Begutachtungsverfahren gibt, so wie ihr nicht Parteiengespräche zur Änderung
des Wahlrechtes gesucht habt, genauso verleugnet ihr jetzt jede Möglichkeit der
Argumentation. Es ist möglich, und jetzt unterstelle ich niemandem etwas, nach
der Wahl die Entscheidung zu treffen, wen ich wähle, die Stimme nach der Wahl
abzugeben, die Wahlkarte zuzupicken und zu unterschreiben. Dann stimmt es auch
nicht, dass Menschen Stimmkarten in den Mistkübeln gefunden haben. Das stimmt
nicht. Es stimmt auch nicht, dass beim Zustellen der Wahlkarten, die nicht
eingeschrieben zugestellt wurden, an alle Menschen, und jetzt komme ich schön
langsam zu einem anderen Punkt, rund 3 oder 4 Prozent an die Wahlbehörde
zurückgesandt wurden, weil einfach die Adresse falsch war, der Mensch dort
nicht wohnt. Glauben Sie, dass wirklich jede einzelne zurückgeschickt worden
ist? Ich kenn das doch selbst bei der Post, manche Sachen bleiben drinnen,
manche bleiben halt nicht drinnen, und dann hat man eine Wahlkarte mehr. Dass
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