Landtag,
28. Sitzung vom 26.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 76
derzeitige
Wirtschaftskrise und der Umgang mit den Finanzmärkten, seien es die
Verteilungsgerechtigkeit und das soziale Europa.
Im Übrigen, Herr
Kollege Tschirf, also zwischen Kollegen Jung und mir liegen Universen in der
Weltanschauung, aber er hat in einem Zwischenruf gerufen: „Was hat denn Europa
getan zur Regelung der Finanzmärkte?“, wenn ich den Zwischenruf richtig
verstanden habe. Und so sehr wir uns weit unterscheiden, da hat er natürlich
recht, das ist eine völlig berechtigte Frage, und auf die braucht es auch eine
europäische Antwort.
Angekündigt wurde
viel. Sarkozy wollte den Kapitalismus neu gründen, Merkel hat ihn unterstützt,
und wir haben nie mehr was davon gehört. Es geht munter weiter. Ich hoffe, dass
die Europäische Union hier auch die entsprechenden Maßnahmen setzt, denn die
Europäische Union kann oder muss ja nicht nur die Regelungen und Regeln für
sich selbst finden, sondern auch global voranschreiten und beispielhaft sein,
sogar die Avantgarde in globalen Fragen werden.
Ein zweites Thema,
das für die Europäische Union sicher ein großes Zukunftsthema sein wird – das
ist vor allem für die Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei
interessant –, sind sicherlich die globalen Migrationsströme. (Zwischenruf
von Abg Dr Helmut Günther.) Sie empfinden das ja prinzipiell als
Bedrohung und deswegen bin ich überrascht, dass Sie so antieuropäisch
eingestellt sind, denn regeln oder umgehen damit kann man natürlich nur global,
indem man auch globale Gerechtigkeit schafft.
Es ist – und da
komme ich wieder zum Lissabon-Vertrag von 1859 – auch ein Teil der europäischen
Geschichte, auszubeuten. Das ist Teil unserer Geschichte, damit müssen wir uns
auch auseinandersetzen, und die Frage ist ja: Wie gehen wir in Zukunft damit
um? Wie gehen wir in Zukunft auch mit ärmeren Ländern auf dieser Welt um? Das
ist nicht nur eine Frage von Gerechtigkeit, von sozialer Gerechtigkeit, von
globaler Gerechtigkeit, sondern beinhaltet selbstverständlich auch
Migrationsströme, Migrationsströme im Übrigen auch, die auf Grund des
Klimawandels zu erwarten sind.
Und da sind wir
beim dritten großen Brocken, der auf die Europäische Union zukommt, obwohl
natürlich diese drei Themen alle miteinander zu tun haben, und das ist ganz
wichtig, dass man das festhält. Der Klimawandel ist eine Bedrohung der größten
Art. Er ist von diesen drei Themen sicherlich dasjenige, das am dringendsten
anzugehen ist, das am wichtigsten ist.
Wenn es zum
Beispiel Konjunkturpakete gibt – jetzt komme ich wieder zur Wirtschaftskrise –,
dann ist es sehr wohl eine Frage: Wohin investieren wir? Welche nachhaltigen
Systeme schaffen wir? Da gibt es unzählige Ideen, es gibt die Technologie, es
gibt auch die Technologie einer Vernetzung Europas mit erneuerbaren Energien –
Stichwort: Super Grid –, es gibt viel Forschung zu leisten, es gibt hier viel
zu investieren und das ist sicherlich etwas, was für die Europäische Union
wichtig ist, wo wir aber auch hier in Wien lokal handeln können, wo man nicht
immer nur auf die Europäische Union warten muss, sondern wo man auch selbst
aktiv werden kann.
Ein Thema, das
schon angeschnitten worden ist und das wir Grüne sehr begrüßen, ist die
Schaffung von europäischen Bürgerinitiativen, die im Vertrag von Lissabon
festgehalten wird. Es gibt ein Grünbuch zur Europäischen Bürgerinitiative. Da
man wird eingeladen in ganz Europa, dazu Stellung zu beziehen, und ich möchte
auch einen entsprechenden Antrag einbringen, weil wir uns wünschen, dass das
Land Wien dazu Stellung bezieht.
Worum geht es da?
– Bei den offenen Fragen, die in dem Grünbuch formuliert werden – das ist ja
nicht so einfach, eine Europäische Bürgerinitiative zu entwickeln, denn wie
soll man das organisieren –, geht es zum Beispiel darum, wie viele
Mitgliedstaaten der Europäischen Union an solchen europäischen
Bürgerinitiativen beteiligt sein sollen.
Da gibt es im
Grünbuch drei Vorschläge. Es sollten 14 Staaten sein, das wäre die Mehrheit, es
sollten 9 Staaten oder es sollten 7 Staaten sein. Aus unserer Sicht dürften es
auch 5 Staaten sein, denn wenn es sich zum Beispiel um die Alpenregion handelt,
dann wird man wahrscheinlich schwer 14 Staaten finden, die hier eine Initiative
starten wollen. Da wäre zum Beispiel eine Stellungnahme Wiens sicher sehr gut,
in der man auch klar sagt, so und so viele Mitgliedstaaten sollen aus unserer
Sicht an einer Bürgerinitiative teilnehmen.
Eine weitere
Frage, die in diesem Grünbuch aufgeworfen wird, ist: Was soll denn die
Mindestzahl an Unterschriften sein, damit so eine Bürgerinitiative zur
Kommission kommt? Im Grünbuch wird vorgeschlagen, dass es sich um
0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung handeln sollte, das wären in Österreich
beispielsweise 18 000 Unterschriften. Das halten wir für eine ganz gute Idee.
Eine weitere
Frage, die aufgeworfen wird, ist das Mindestalter, also wie alt muss man sein,
um bei einer Bürgerinitiative unterschreiben zu können. Da schlagen wir
beispielsweise vor, dass es an das Wahlalter gekoppelt sein soll, denn in
Österreich kann man, wie wir wissen, schon ab 16 wählen, und es wäre ja
eigentlich nicht ganz einzusehen, warum man ab 16 wählen kann, aber nicht an
der Bürgerinitiative teilnehmen sollte.
Das wäre zum
Beispiel etwas, was man in so einer Stellungnahme des Landes Wien einbringen könnte.
Eine weitere
Frage, die gestellt wird, ist, wie der Gegenstand der Initiative eingebracht
werden soll. Da gibt es zum Beispiel den Vorschlag, es sollen ausformulierte
Gesetzestexte sein, oder man fasst eben zusammen, worum es geht. Ausformulierte
Gesetzestexte von Bürgern und Bürgerinnen zu verlangen, ist aus unserer Sicht
nicht gerade ein sehr gutes Modell. Es ist auch sehr schwer, Menschen zu
mobilisieren, eine BürgerInneninitiative zu unterstützen, wenn das im
Juristendeutsch, auf Englisch, Französisch, Niederländisch oder demnächst
vielleicht Isländisch formuliert ist. Es wäre da sicher klug, einfach nur
anzugeben, um welchen Gegenstand es geht und worum es sich handelt.
Der
Zeitraum zur Sammlung der Unterschriften ist eine weitere offene Frage, die im
Grünbuch aufgeworfen wird. Da ist es Vorschlag, dass das ein Jahr nach
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