Landtag,
28. Sitzung vom 26.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 76
dazu, das ist eine gewisse Mentalität, aber Sie tut uns nicht gut.
Johannes Hahn wird ein exzellenter Kommissar. Der Vorschlag, den hier
die österreichische Bundesregierung eingebracht hat, ist ein guter. Sie werden
sehen, dass er für Österreich und für Europa einer sein wird, der einen Beitrag
dazu leistet, dass dieses Projekt Europa, von dem die Eltern-,
Großelterngeneration nur träumen konnte, sich weiterentwickelt. Man braucht sich
nur Feldpostbriefe anzuschauen aus den zwei Weltkriegen, man braucht sich nur
anzuschauen, was etwa in den Konzentrationslagern passiert ist, und kann froh
sein, dass diese Welt von gestern – um mit Stefan Zweig zu reden – vorbei ist.
Wir brauchen dieses moderne Europa, und Johannes Hahn wird ein exzellenter
Vertreter in diesem Europa sein. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Heinz Hufnagl: Als nächste Rednerin hat sich
Frau Abg Dr Vitouch zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
Abg Dr Elisabeth Vitouch (Sozialdemokratische Fraktion
des Wiener Landtages und Gemeinderates): Danke, Herr Vorsitzender! Sehr
geehrter Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren!
Ich möchte gleich zum Ausschuss der Regionen kommen, denn ganz
allgemein kann man ja zum EU-Reformvertrag von Lissabon sagen, dass er eine
Kompromisslösung ist, die nicht sämtliche Forderungen der Regionen und
Gemeinden erfüllen kann, aber einen sehr wichtigen Schritt zur Stärkung
kommunaler Rechte in der europäischen Integration darstellt.
Im AdR waren bisher 344 Mitglieder bei 27 Mitgliedstaaten, nach
dem Vertrag ist jetzt die Höchstzahl der Mitglieder mit 350 festgelegt. Die
Anzahl der Vertreter und Vertreterinnen pro Mitgliedstaat wird aber nicht mehr
im Vertrag festgelegt sein. Den Beschluss über die Zusammensetzung wird in
Hinkunft der Ministerrat auf Vorschlag der Kommission einstimmig fassen, wobei
demographische, soziale und wirtschaftliche Faktoren zu berücksichtigen sind.
Nun
muss ich dazu sagen, dass dann, wenn man das im Sinne der großen Staaten
auslegt, die Zahl der Mitglieder steigen wird; zum Beispiel könnte Deutschland
dann 30 Mitglieder anstelle von 24 haben. Auch ohne Neubeitritte – und wir
rechnen ja damit, dass Kroatien als nächster Staat beitritt und dann 9
Mitglieder haben wird – hätte eine Verwirklichung solcher Vorstellungen eine
Reduktion der österreichischen Mitglieder zur Folge.
Wir
werden also im nächsten Plenum am 3. und 4. Dezember sehr heftig
diskutieren und verhindern, dass Österreich von zwölf auf elf Sitze abgemagert
wird. Das ist eine Diskussion, die auch noch weiterhin im Zusammenhang mit der
Geschäftsordnung des AdR zu führen sein wird. Ich darf dort als
stellvertretendes Mitglied ein bisschen etwas mitreden, und ich bin sehr daran
interessiert, dass diese Stärkung der Gemeinden und der Regionen und letztlich
auch der Städte nicht zu Ungunsten Wiens ausgeht.
Die Mandatsdauer der AdR-Mitglieder wird ab jetzt fünf statt vier Jahre
betragen – das entspricht dem Zeitraum der Europäischen Kommission und des
Europäischen Parlaments –, und die Präsidenten und Präsidentinnen und das
Präsidium werden auf zweieinhalb Jahre verlängert.
Der AdR wird – und das halte ich für sehr wichtig – künftig die
Möglichkeit haben – es wurde bereits vom Herrn Landeshauptmann und von meinen
Vorrednern erwähnt –, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, wenn ein
Gesetzgebungsakt, für dessen Annahme ja die Anhörung vorgeschrieben ist, seines
Erachtens gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt, und es wird ein Klagerecht
bei Verletzung der Rechte geben.
Nun muss man dazusagen, dass auch im AdR derzeit an einer
Geschäftsordnungsreform gearbeitet wird, denn die Beschlussfassungsquoren sind
noch strittig. Es ist also nicht sicher, ob man lieber einen höherschwelligen
oder einen niederschwelligen Zugang zu diesem Klagsrecht wählen soll. Die
österreichische und damit auch die Wiener AdR-Delegation spricht sich dafür
aus, dass auch eine qualifizierte Minderheit die Anrufung des EuGH durchsetzen
können muss, weil gerade Subsidiaritätsfragen nicht durchgehend für alle
Mitgliedstaaten gleich relevant sind. Also es wäre für uns vorstellbar, dass
bei Zustimmung der einfachen Mehrheit oder eines Drittels der anwesenden
Mitglieder eine Anrufung des EuGH möglich ist. Befürchtet wird jetzt nach der
Ratifizierung des Vertrages eine Klagsflut wegen gegen das
Subsidiaritätsprinzip verstoßender Entscheidungen. Dies ist nicht
wahrscheinlich. Im Gegenteil, wenn wir dieses Klagsrecht zu hochschwellig
ansetzen, dann würde das Damoklesschwert der Klage zahnlos und stumpf werden,
und so können Rechtsakte des AdR in der Vorbereitungsphase nicht genügend
Gewicht haben und Stellungnahmen nicht glaubwürdiger werden. Wir setzen uns
also für einen niederschwelligen Zugang ein.
Von den Grundrechten war schon die Rede, von der Charta der Grundrechte
der Europäischen Union, die leider Großbritannien, Polen und Tschechien nicht
angenommen, sondern ein Opting Out ausgehandelt haben, aber es bleibt, dass
alle EU-Bürgerinnen und -bürger ihre Grundrechte direkt vor dem Europäischen
Gerichtshof in Luxemburg einklagen können, und zwar nicht nur die
wirtschaftlichen Grundrechte, die ja schon jetzt eine große Rolle in den
Rechtsprechungen des EuGH spielen – also zum Beispiel die Durchsetzung des
Binnenmarktes –, sondern nunmehr gleichberechtigt auch die sozialen
Grundrechte, also das Recht auf Gesundheitsschutz, auf soziale Sicherheit, auf
soziale Unterstützung, das Recht auf Zugang zu den Dienstleistungen der
Daseinsvorsorge. Ich denke, das ist wirklich – der Herr Landeshauptmann hat es
gesagt – ein Meilenstein in den Entscheidungen und Entwicklungen der EU.
Dass das Europäische Parlament gestärkt wird, haben wir schon gehört.
95 Prozent aller EU-Gesetze werden künftig im Zusammenwirken zwischen dem Ministerrat,
also den Ministern und Ministerinnen aller EU-Staaten, und dem direkt gewählten
Europäischen Parlament beschlossen. Das so genannte Mitentscheidungsverfahren
wird jetzt reguläres Gesetzgebungsverfahren.
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