Landtag,
27. Sitzung vom 23.09.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 78
für uns nicht nachvollziehbar ist.
Einigkeit besteht sicherlich in diesem Haus darüber, dass die
SozialarbeiterInnen Menschen unterstützen sollten, aus ihrer Notlage
herauszukommen, und nicht Akten und Menschen verwalten sollten.
Weitere Beispiele aus der Sozialhilfe sind, dass Mietbeihilfen ohne
Bescheiderlass eingestellt wurden oder dass SozialhilfebezieherInnen die
monatliche Geldaushilfe ohne Bescheiderlass eingestellt wurde. – Es ist
schon bemerkenswert, dass die MA 40 vergisst, Bescheide auszustellen! Es
kann nicht sein, dass Betroffene, die nicht gut gestellt sind und sich in einer
sehr misslichen Lage befinden – sonst müssten sie die Hilfe ja nicht in
Anspruch nehmen –, erst über den Umweg eines Verfahrens bei der
Volksanwaltschaft zu ihrem Recht kommen! Ich weise darauf hin, dass Sie unseren
Antrag zur Bescheidausstellung der Sozialhilfe bereits mehrfach abgelehnt
haben.
Meine Damen und Herren! Ein großer Teil des Berichtes der
Volksanwaltschaft betrifft auch Heimbewohner- und Behindertenrechte. Dabei geht
es zum Beispiel um die nachträgliche Einforderung von Kostenbeiträgen.
Ich schildere Ihnen ganz kurz, worum es in einem konkreten Fall geht:
Ein junger Mann mit Behinderung befindet sich in einer Beschäftigungstherapie,
und der FSW fordert nachträglich von der Mutter, die die Sachwalterin des
jungen Mannes ist, Kostenbeiträge für diese Beschäftigungstherapie ein, und
zwar in Höhe von 30 Prozent des Pflegegeldes. Die Betroffene war natürlich
davon ausgegangen, dass das Pflegegeld ihrem Sohn zusteht, und hat es auch in
gutem Glauben für ihren Sohn ausgegeben. Nachdem die Frau glaubhaft machen
konnte, dass das bezogene Pflegegeld gutgläubig für die Bedürfnisse des Sohnes
verwendet wurde, hat der FSW auf die nachträgliche Leistung des Kostenbeitrages
aus sozialen Gründen verzichtet.
Das ist aber leider nicht der einzige derartige Fall! Die Empfehlung
der Volksanwaltschaft lautet: „Rückforderungen der Kostenbeiträge sind nur dann
vorzunehmen, wenn der Beitragspflichtige eine Einkommensänderung und den Bezug
von pflegegeldbezogenen Geldleistungen schuldhaft nicht angezeigt hat, bewusst
verschwiegen oder durch unwahre Angaben veranlasst hat. Ansonsten sollte der
FSW aus Rücksicht auf die Psyche der betroffenen Angehörigen von vornherein auf
die Rückforderung verzichten.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist klar: Wenn Menschen auf
die rechtliche Lage aufmerksam gemacht und hingewiesen werden, muss man das
dann auch exekutieren. Und natürlich stimmt rechtlich auch die Argumentation
der Stadträtin, die entgegnet hat, dass der FSW nicht von vornherein auf die
Rückforderung der zu bezahlenden Kostenbeiträge verzichten kann. Er ist dazu
verpflichtet, wenn das keine besonderen sozialen Härten zur Folge hat.
Da gebe ich Ihnen ganz recht! Rechtlich stimmt die Argumentation. Aber
auf diese Möglichkeit der nachträglichen Rückforderung wird zwar im
Gesetzestext hingewiesen, nicht aber werden die Antragsteller darauf
hingewiesen. Und ich meine, wir können nicht davon ausgehen, dass jeder, der
eine Leistung der Stadt beansprucht, das Wiener Behindertenhilfegesetz
auswendig kennt und somit weiß, dass es zu einer nachträglichen Rückforderung
kommen könnte.
Insofern kann ich dem, was die Volksanwaltschaft empfiehlt, sehr viel
abgewinnen, und ich würde bitten, aus sozialen Gründen von solchen
Rückforderungen abzusehen, wenn die Menschen von vornherein nicht darauf
aufmerksam gemacht wurden, was da auf sie zukommen kann.
Weiters gibt es im Behindertenbereich Probleme mit der Weitergewährung
einer Beschäftigungstherapie. Herr L, ein junger Mann, war in einer
Beschäftigungstherapie im Verein „Special Home“ in Stockerau. Daraufhin hat
seine Mutter, die Sachwalterin ist, einen Antrag auf voll betreutes Wohnen in
diesem Verein gestellt. Dieser Antrag wurde abgelehnt, da die Unterbringung in
einer speziellen Einrichtung – ich zitiere: „behinderungsbedingt als nicht
zwingend erforderlich erachtet“ wurde. Man könnte jetzt darüber streiten, was
„als zwingend erforderlich erachtet“ bedeutet. Wenn die Mutter dieses jungen
Mannes es zu Hause nicht mehr schafft, den jungen Mann ausreichend zu versorgen
und ihm die Pflege angedeihen zu lassen, die er braucht, dann ist meiner
Meinung nach diese Stellungnahme des FSW wirklich zu hinterfragen. Während des
volksanwaltschaftlichen Prüfungsverfahrens hat der FSW dem Beschwerdeführer
dann allerdings doch recht gegeben und die Wohnunterbringung für drei Jahre im
Verein „Special Home“ möglich gemacht.
Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt zu einem weiteren Thema, das
uns in dieser Stadt im Behindertenbereich immer wieder beschäftigt, nämlich wie
in dieser Stadt mit Menschen mit Behinderung umgegangen wird. Die
Volksanwaltschaft bespricht ein Beispiel dafür, aber es gibt kaum
Rechtsansprüche auf Leistungen für Menschen mit Behinderung in dieser Stadt,
und es gibt auch keine Mitsprachemöglichkeit für Menschen mit Behinderung.
Wir haben in Wien ein 40 Jahre altes Behindertengesetz, das
mittlerweile durch ein Chancengleichheitsgesetz ersetzt wurde. Die
Begutachtungsfrist ist bereits vorüber, und die Interessenvertretung
behinderter Menschen hatte keine Möglichkeit, an der Gesetzesentstehung
mitzuwirken, wie es aber rechtlich und gesetzlich vorgesehen wäre. Abgesehen
davon – wir werden ja noch Gelegenheit haben, über dieses neue Wiener
Chancengleichheitsgesetz zu sprechen – kann von Chancengleichheit hier
leider nicht die Rede sein.
Zum Landespflegegeld: Es ist auch ein Sittenbild in
dieser Stadt, dass die Volksanwaltschaft von sich aus nachfragen muss, ob die
Empfehlungen des Rechnungshofs betreffend Verkürzung der Verfahrensdauer
bereits umgesetzt wurden. Meine Kollegin Sigrid Pilz von der grünen Fraktion
hat das ausreichend thematisiert: Leider ist das nicht der Fall, die
Verfahrensdauer dauert noch immer über drei Monate. 70 Prozent der
Verfahren dauern länger als drei Monate, und seit dem
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