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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 49

 

europäischen Dimensionen. Europa bietet ungeahnte Möglichkeiten, an die wir Jungen uns eigentlich schon gewöhnt haben. Wir leben in Frieden und denken europäisch.

 

Meine Damen und Herren! Meine Generation lebt in diesem Europa ganz selbstverständlich, aber wir sind uns ganz klar bewusst, dass unser aller Leben ohne die Europäische Union ein wesentlich komplizierteres, unangenehmeres und letzten Endes wohl auch unruhigeres wäre.

 

Ich möchte daher heute und von hier aus auch ganz klar meinen Dank aussprechen, und zwar an all jene Visionärinnen und Visionäre, an all jene Frauen und Männer, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Notwendigkeit eines nachhaltigen Friedensprojektes erkannt und auch ganz konkret gehandelt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Meine Damen und Herren! Wir leben gerne in diesem Europa, aber – und damit bin ich auch schon beim Grundsätzlichen, worum es heute eigentlich gehen sollte – leider habe ich von der Opposition bisher nur Polemik und populistisches Wahlkampfgetöse gehört – mit ein paar Ausnahmen, wie zum Beispiel Kollege Schreuder, ganz klar –, obwohl ich mich aus den vorhin genannten Gründen eigentlich sehr auf eine richtige inhaltliche europapolitische Debatte gefreut hätte.

 

Wir leben gerne in diesem Europa, aber das Grundsätzliche ist: Wir erwarten uns wesentlich mehr von diesem Europa und fordern es auch ein, auch deshalb, weil wir wissen, dass Europa zu wesentlich mehr fähig ist. Wenn versucht wird, die Europäische Union weiter nach tradiertem, nationalstaatlichem Muster zu bauen, die Menschen nicht teilhaben zu lassen und hinter verschlossenen Türen Entscheidungen zu treffen, die das Leben von Millionen Menschen beeinflussen, so wird man scheitern. Mögen die Informationskampagnen noch so ausgeklügelt und gut gemeint sein, es geht nicht nur darum, die EU zu erklären, es wird in Zukunft darum gehen, die Europäische Union gemeinsam mit den Menschen zu denken und weiterzubauen.

 

Die EuropäerInnen sind mittlerweile mündige, informierte und kritische BürgerInnen, die sofort spüren, wenn etwas auf dem Spiel steht. Und in diesem Sinne verstehe ich auch die in ganz Europa und vor allem in unserem Lande vorherrschende Stimmung, die sich meiner Meinung nach nicht gegen die EU an sich wendet, sondern gegen eine ganz bestimmte Art von Politik, nämlich: Mehr privat, weniger Staat, egoistische Ellbogenmentalität soll ökonomisch belohnt werden, Umverteilung hin zu einigen wenigen Wohlhabenden et cetera, et cetera.

 

Ist es da nicht fast logisch, dass die Menschen sagen: Stopp! Bis dahin und nicht weiter! Wir wollen Veränderung.

 

Wir dulden es nicht, dass unsere EU von Lobbyisten und multinationalen Konzernen als Selbstbedienungsladen missbraucht wird.

 

Wir dulden es auch nicht, dass die EU auf internationaler Ebene teilweise neoliberaler und gegenüber Entwicklungsländern restriktiver vorgeht als die USA!

 

Wir dulden es nicht, dass dem Prinzip der Subsidiarität nicht entsprochen wird.

 

Wir dulden es nicht weiter, dass Entscheidungen an uns vorbei getroffen werden, nicht sichtbar und meist auch nicht nachvollziehbar.

 

Die EuropäerInnen wollen nicht weniger EU und sie hassen sie auch nicht. Es ist genau umgekehrt: Sie wollen mehr EU, aber richtig. Das Zukunftsprojekt soll auch als solches verstanden und gelebt werden. Manchmal genügt es auch, nur ein wenig hineinzuhören in die europäische Bürgerschaft.

 

Die europäische Zivilgesellschaft beteiligt sich lebhaft, kreativ und ideenreich an der Werdung Europas. Es gibt unzählige Initiativen, deren aufrichtiges Interesse es ist, Europa weiterzudenken, die Völker einerseits und ihre politischen EntscheidungsträgerInnen andererseits zu inspirieren.

 

Das irische Nein ist bisher das letzte Kapitel eines Verfassungs- beziehungsweise Vertragsprozesses, der irgendwie nicht werden sollte. Man hat auf viele verschiedene Strategien gesetzt, Namen und Artikel abgeändert, und ich denke, dass der vorliegende Entwurf zum Vertrag von Lissabon wesentliche sozialpolitische und demokratiepolitische Fortschritte aufweist – auch auf diese ist der Herr Landeshauptmann vor einigen Wochen detailliert eingegangen, deswegen möchte ich sie hier nicht noch einmal aufzählen –, und ich bin überzeugt davon, dass der Vertrag von Lissabon einen qualitativen Quantensprung bedeutet hätte, deshalb befürworte ich den Vertrag auch heute noch.

 

Aber, meine Damen und Herren, trotz aller gut gemeinter Versuche, die EU vertraglich auf neue Füße zu stellen, befinden wir uns derzeit in einer Krise, und anscheinend kann dieser Vertrag leider nicht werden.

 

Es gibt viele Stimmen, auch aus der Zivilgesellschaft, die meinen, nicht der Vertrag an sich sei das Problem, sondern die Werdung des Vertrages. Sie fragen, ob es nicht selbstverständlich ist, dass die Menschen nichts vom Vertrag wüssten, nachdem sie auch nicht am Entstehungsprozess teilnehmen konnten.

 

Ein paar Tage nach dem irischen Nein, welches dann das Demokratiedefizit offensichtlich werden ließ, wurde von vielen ein Plan B angedacht. Ich bin überzeugt davon, dass wir Politikerinnen und Politiker immer wieder in die europäische BürgerInnenschaft hineinhören sollten, was wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch tun – nicht, um ungefragt und kritiklos Positionen zu übernehmen, sondern um voneinander zu lernen.

 

Ich persönlich etwa finde jenen Ansatz interessant und mindestens diskussionswürdig, der im so genannten „Wiener Appell" ein paar Tage nach dem irischen Nein von der Initiative Zivilgesellschaft formuliert und an die europäische Bürgerschaft gerichtet wurde. Meiner persönlichen Meinung nach kann ein europapolitischer Diskurs, wie wir ihn heute führen, durch Anregungen solcher Art befruchtet werden. Deswegen möchte ich hier einige Diskussionspunkte ganz wertfrei einwerfen.

 

Zentral ist den InitiatorInnen des „Wiener Appells" die

 

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